Landesgeschichtliches Informationssystem Hessen

Hessische Quellen zum Ersten Weltkrieg

↑ Der Rückmarsch des 9. Rheinischen Infanterie-Regiments Nr.160 nach Hessen, 1918

Abschnitt 5: Rückmarsch durch das Großherzogtum Luxemburg

[383-384] Der 16. November sah schon um 7 Uhr morgens das Regiment im Aufbruch. Kurz nach Hussigny1 wurde die französisch-luxemburgische Grenze überschritten. Ueber Differdingen, Zolver, Eleringen, Monnerich wurde um 3 Uhr nachm. Ehlingen2 erreicht. Marschleistung 15 km bei sehr kaltem Wetter. Die Unterbringung in Bürgerquartieren war ziemlich eng und schlecht; die Pferde mußten im Freien stehen. — Aus [S. 384] luxemburgischen Zeitungen erhielten wir hier die ersten genauen Nachrichten über die Ereignisse in der Heimat und über die allgemeine Lage. Revolution in Deutschland, der Kaiser nach Holland geflohen! Eine tiefe Niedergeschlagenheit, ja grimmige Wut erfaßte die Frontsoldaten; während wir am Feinde standen, hatten ehrlose Gesellen zu Hause den Aufruhr ins Volk getragen und maßten sich an, über unsern Kopf hinweg die Geschicke in Deutschland zu bestimmen. Allgemein herrschte die Stimmung, daß wir den Kaiser, ohne Unterschied der politischen Einstellung des Einzelnen, mit unseren Leibern gedeckt hätten, wenn er bei uns seine Zuflucht gesucht hätte. Wir sahen uns einem großen, finsteren Rätsel gegenüber. —

Und die näheren Bedingungen des Waffenstillstandes, die wir erst jetzt in ihrer ganzen Tragweite und Härte erfuhren! Nicht nur Rückzug über den Rhein, sondern auch Auslieferung von 5000 Kanonen, 30 000 Maschinengewehren, 3000 Minenwerfern usw. schon jetzt; Ablieferung von 5000 Lokomotiven, 150 000 Eisenbahnwagen, 5000 Lastkraftwagen; Abrüstung und Internierung der Deutschen Kriegsflotte — später kam hinzu die Forderung auf Auslieferung der deutschen Handelsflotte von 4 1/2 Millionen Tonnen —; Freilassung der feindlichen Kriegsgefangenen ohne Recht auf Gegenseitigkeit. Jetzt reute uns, die Waffe aus der Hand gelegt zu haben. Doch was blieb uns jetzt übrig, als in ohnmächtigem Zorn die Fäuste ballen. Der Rückzug war im Fluß und konnte nicht mehr angehalten werden.

Bei anhaltender Kälte wurde am 17. November der Marsch durch das luxemburgische Land fortgesetzt über Steinbrücken, Leudelingen, Hesperingen, Itzig nach Contern3. 20 Kilometer! Die Bevölkerung war zuerst sehr zurückhaltend, fast feindlich, wurde später aber freundlich, als sie die mustergültige Ord[n]ung und Disziplin sah. Der Regimentsstab und das III. Bataillon kamen in Contern unter, I. Bataillon hatte gute Quartiere; der andere Teil des Regiments mußte den Platz mit anderen Marschgruppen teilen.


  1. Hussigny-Godbrange ist der französische Grenzort zum Großherzogtum Luxemburg.
  2. Die Orte Differdingen (Differdange), Zolver (Soleuvre), Eleringen (Ehlerange), Monnerich (Mondercange) und Ehlingen liegen im Süden des Großherzogtums Luxemburg südwestlich der Stadt Luxemburg.
  3. Die Orte Steinbrücken (heute: Pontpierre), Leudelingen (Leudelange), Hesperingen (Hesperange), Itzig und Contern liegen südöstlich der Stadt Luxemburg.

Personen: Wilhelm II., Deutsches Reich, Kaiser
Orte: Hussigny · Luxemburg · Differdingen · Zolver · Eleringen · Monnerich · Ehlingen · Niederlande · Steinbrücken · Leudelingen · Hesperingen · Itzig · Contern
Sachbegriffe: 9. Rheinisches Infanterie-Regiment Nr. 160 · Infanterie-Regiment Nr. 160 · Truppenrückmarsch · Pferde · Zeitungen · Novemberrevolution · Reparationen · Entwaffnung · Kanonen · Maschinengewehre · Minenwerfer · Lokomotiven · Eisenbahnwagen · Lastkraftwagen · Abrüstung · Kriegsflotte · Handelsflotte · Kriegsgefangene
Empfohlene Zitierweise: „Der Rückmarsch des 9. Rheinischen Infanterie-Regiments Nr.160 nach Hessen, 1918, Abschnitt 12: Rückmarsch durch das Großherzogtum Luxemburg“, in: Hessische Quellen zum Ersten Weltkrieg <https://www.lagis-hessen.de/de/purl/resolve/subject/qhg/id/114-5> (aufgerufen am 25.04.2024)