Landesgeschichtliches Informationssystem Hessen

Hessische Quellen zum Ersten Weltkrieg


Inhalt


Abbildungen

Detailansicht

Chronik der Pfarrei Heilig-Geist in Fulda, S. 32-33

Detailansicht

Chronik der Pfarrei Heilig-Geist in Fulda, S. 34-35

↑ Chronik der Pfarrei Heilig-Geist in Fulda, 1914-1919

Abschnitt 5: Waffenstillstand und Revolution, Frieden von Versailles

[32-34] Vergebens! Es gelingt den Alliierten, von Saloniki aus siegreich vorzudringen, Bulgarien zum Waffenstillstand u. Zusammenbruch zu zwingen, desgleichen bis über Damascus vorzugehen, die Türkei schachmatt zu setzen. Oesterreich bricht ebenfalls zusammen und gestattet den Italienern, bis nach Innsbruck vorzugehen; so muß denn nun auch das arme erschöpfte Deutschland am 11. Nov. die unmenschlich harten Waffenstillstandbedingungen annehmen und um einen Präliminarfrieden auf den Knien bitten. Gleichzeitig erhebt am 9. November die Revolution ihr Haupt, alle Fürstenthrone brechen zusammen, Deutschland liegt schmachbedeckt zu Boden, während das unbesiegte deutsche Heer in unerhörten Eilmärschen über den Rhein zu entkommen suchen muß. Vornehmlich in der II. u. III. Adventswoche ziehen die Krieger durch die festlich geschmückten Straßen Fulda in die Heimat, begrüßt am III. Adventssonntag durch ein herrliches [S. 33] Hirtenwort der Oberhirten Deutschlands. […]

[S. 33]

Möge uns Gott, so mahnt Benedict XV.1 die Katholiken von Europa zu flehen, einen vertraglichen Frieden zum Osterfeste 1919 schenken! [S. 34] Das Jahr 1919 brachte endlich den Frieden; am 28. Juni, demselben Tage, an dem der Mord in Serajewo stattfand, unterzeichnete Deutschland den Gewaltfrieden in Versailles, den Beginn der babylon. Gefangenschaft Deutschlands! Die Rückkehr unser Gefangenen aus Frankreich will auch im Juli 1919 nboch nicht in Fluß kommen. Dabei ist der Himmel auch unserer Ernte wenig günstig: Im Mai u. Juni regenloses Wetter, im Juli kaltes Wetter mit zahlreichen schwachen Regengüssen, die das Reifen des Kornes aufhalten; wohin wir auch schauen, trübe Tage, trüber Blick in die Zukunft für Kirche u. Vaterland. Deus providebit!2

Gott sei Dank, die Kornernte hat sich schließlich doch noch günstig gestaltet, desgleichen die Kartoffelernte u. der Obstertrag; aber die Preise sind geradezu wahnwitzig. Dazu die Kohlennot, der das Holz nur ungenügend abhilft. Eine Hungers- und Kältenot wird uns im Winter 1919/20 bedrohen und große Todesopfer fordern. Wenn nur nicht noch neue politische Wehen das zertretene Vaterland bedrängen und allgemeine Auflösung herbeiführen! […]


  1. Papst Benedikt XV. 1914-1922.
  2. Der Herr wird vorsorgen!

Personen: Frye, Wilhelm
Orte: Fulda · Saloniki · Bulgarien · Damaskus · Türkei · Österreich · Italien · Innsbruck · Frankreich
Sachbegriffe: Pfarrei Heilig Geist (Fulda) · Waffenstillstand · Novemberrevolution · Heer · Rückführung des Heeres · Hirtenbriefe · Papsttum · Katholiken · Attentat von Sarajewo · Versailler Vertrag · Kriegsgefangene · Getreideente · Kartoffelernte · Preisentwicklung · Kohlennot · Hungersnot · Kältenot
Empfohlene Zitierweise: „Chronik der Pfarrei Heilig-Geist in Fulda, 1914-1919, Abschnitt 12: Waffenstillstand und Revolution, Frieden von Versailles“, in: Hessische Quellen zum Ersten Weltkrieg <https://www.lagis-hessen.de/de/purl/resolve/subject/qhg/id/104-5> (aufgerufen am 20.04.2024)