Landesgeschichtliches Informationssystem Hessen

Hessische Quellen zum Ersten Weltkrieg

↑ Hugo Birkner, Ausmarsch und erste Kriegswochen des Reserve-Infanterie-Regiments Nr. 88 aus Hanau, 1914

Abschnitt 4: Erste verlustreiche Gefechte in Frankreich

[75-76] 24.8.14. Der Vormarsch wurde um 7.55 Vormittag über Lacuisine, Martué, Florenville fortgesetzt. Nachmittags 3.55 wurde die französische Grenze überschritten, ein Gefecht war jenseits der Wälder vor uns bereits in vollem Gange. Am Waldrand östlich der Straße nach Tremblois wurde 4.35 nachmittags eine Bereitschaftsstellung eingenommen. Da kam 6 Uhr abends der Befehl für das I. und II. Batl., das Dorf Tremblois östlich umfassend anzugreifen. Durch den Hochwald mit dichtem Unterholz mußte sich die Schützenlinie mühsam vorwärts arbeiten; die über uns in den Bäumen platzenden Schrapnells fügten uns manchen Verlust bei. Mit der feindlichen Infanterie kamen wir nicht in Gefechtsfühlung, sie zog sich vor unserer Schützenlinie kampflos zurück, und als wir in der Abenddämmerung den jenseitigen Waldrand erreichten, lag das von der Artillerie in Brand geschossene Tremblois vor uns. Die Nacht wurde vor dem Nordostausgang des Dorfes hinter einer Hecke liegend, in Mantel und Zeltbahn gehüllt, zugebracht. Nur einer von den Zugführern brachte es trotz der kalten Nacht nicht übers Herz, den Mantel vom Tornister zu nehmen, „weil er so schön gerollt war". Da uns die Feldküche erst am ändern Morgen erreichte, wurde das Essen durch enger schnallen des Koppels ersetzt.

25.–27.8.14. Den Tag und die folgende Nacht blieben wir bei Tremblois in Biwak. Am Morgen des 26. erfolgte der Abmarsch nach Blagny; die 1. Komp. lag dort in einem Eisenwerk. Der 27.8. war ein Ruhetag, doch mußten sich die Kompagnien marschbereit halten.

28.8.14. Abmarsch von Blagny um 6.40 vormittags nach Carignan und Mouzon, wo die Maas auf einer Pontonbrücke überschritten wurde, weil die Franzosen die steinerne Brücke gesprengt hatten. Um 12.40 entwickelte die 1. Komp. in südöstlicher Richtung zur Besetzung der Höhe 279 (Bois Luquet) etwa 1 Kilometer westlich Villemontry. Teile des Res.-Inf.-Regiments 116 hatten die Höhe bereits vor uns besetzt, mußten die Stellung aber wegen schwerster Verluste wieder räumen. Im Vorgehen begegnete uns ein verwundeter Haupmann dieses Regiments, der mich fragte: „Müßt [S. 76] ihr dort hinauf?" und auf den ihn stützenden Hornisten weisend, fügte er hinzu: „Das ist der Rest von meiner Kompagnie". Schöne Aussichten für uns; aber so schlimm wie wir fürchteten, sollte es dann doch nicht werden, denn inzwischen hatte unsere Fußartillerie das Feuer aufgenommen und wenn die schoß, gabs drüben dicke Luft, das wußten wir bereits.

Wir waren gerade rechtzeitig auf der Höhe angekommen, um feindliche Infanterie, die aus dem Nordrand des Bois du Fond de Lilan heraustrat, durch unser Infanterie- und Maschinengewehrfeuer zurückzuwerfen. Im feindlichen Artilleriefeuer, das der Kompagnie 6 Mann Verlust brachte, wurde in liegender Stellung ein Schützengraben ausgehoben, in dem wir die Nacht zubrachten.

29.–30.8.14. Am Nordrand des Bois du Fond de Lilan wurde am Tage vorher eine französische Batterie von unserer schweren Artillerie zusammengeschossen. Zwei Geschütze, sechs umgestürzte Munitionswagen, tote Pferde und Menschen bildeten ein wirres Durcheinander. Die Geschütze wurden im Laufe des Vormittags von unserer Kompagnie und der rechts von uns liegenden Kompagnie abgeschleppt und nach Mouzon gebracht. Der Weitermarsch nach Pourron wurde um 2.55 nachmittags angetreten. Am nächsten Morgen fand Feldgottesdienst statt, um 12 Uhr erfolgte der Weitermarsch über Yoncq nach La Vesace.

31.8.14. Abmarsch 4.20 vormittags über Stonne, La Verliere nach Oches. 8.40 vormittags wurde eine Bereitschaftsstellung, etwa 2500 Meter südlich Oches, auf Höhe 234, eingenommen. Im feindlichen Artilleriefeuer, das mit kurzen Unterbrechungen bis zum Abend anhielt und der Kompagnie wieder 5 Mann Verlust brachte, wurde ein Schützengraben ausgehoben. 8.30 abends wurde das Regiment 800 Meter nordöstlich von Oches zurückgezogen und grub sich dort ein.


Personen: Birkner, Hugo
Orte: Lacuisine · Martué · Florenville · Tremblois · Blagny · Carignan · Villemontry · Bois du Fond de Lilan · Pourron · Yoncq · La Vesace · Stonne · La Verliere · Oches · Mouzon
Sachbegriffe: Reserve-Infanterie-Regiment Nr. 88
Empfohlene Zitierweise: „Hugo Birkner, Ausmarsch und erste Kriegswochen des Reserve-Infanterie-Regiments Nr. 88 aus Hanau, 1914, Abschnitt 1: Erste verlustreiche Gefechte in Frankreich“, in: Hessische Quellen zum Ersten Weltkrieg <https://www.lagis-hessen.de/de/purl/resolve/subject/qhg/id/12-4> (aufgerufen am 16.04.2024)