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Regesten der Landgrafen von Hessen

1365 Mai 28

Entscheid des Propstes Nikolaus in Streitigkeiten zwischen Mainz und Hessen

Regest-Nr. 11612

Überlieferung | Regest | Originaltext | Nachweise | Textgrundlage | Zitierweise
Überlieferung
Ausfertigung: Staatsarchiv Marburg, Urk. 1, Nr. 3872 ⟨Altsignatur: Staatsarchiv Marburg, Samtarchiv, Schublade 46, Nr. 24⟩.
Stückbeschreibung: Pergament, die Membran etwas beschädigt, die Schrift gut lesbar (lt. Findbuch).
Siegel: Das Siegel, in Schüssel, an grüner Seidenschnur.
Abschriften: Staatsarchiv Würzburg, Ingrossaturbuch 8, fol. 29 (frühes 15. Jahrhundert).
Drucke: Demandt, Quellen Fritzlar, S. 425-427 Nr. 261 (Teilabdruck).
Regesten: Wenck, Hessische Landesgeschichte 2, UB, S. 424 Nr. 405 Anm.; Regesten der Erzbischöfe von Mainz 2,1, S. 441-443 Nr. 1948; Demandt, Quellen Fritzlar, S. 425 Nr. 261.
Regest
Aschaffenburg. - Nikolaus, Propst von S. Viktor vor Mainz, als ein Obermann zusammen mit Steben, Pastor zu Alsfeld, durch Erzbischof Gerlach sowie Landgraf Heinrich und dessen Sohn Otto gekoren, bekundet: Sie sollten - zuerst bis Ostern, dann haben die Herren die Frist bis Pfingsten verlängert - die strittigen Stücke entscheiden, über die die beiderseitigen Ratleute, die bis zum vergangenen Martinstag (1364 November 11) Frist hatten, sich nicht geeinigt haben. Sie haben sich über die ihnen von den Ratleuten beider Teile überreichten Urteilsprüche bei vielen Herren, Rittern und (Edel)knechten Rechtsbelehrung geholt. Da nun Steben nicht gemeinsam mit ihm Recht sprechen will, so hat er, um sich nicht den Vorwurf der Säumigkeit zuzuziehen, folgende Rechtssprüche gegeben: 1. Wie in den Sühnebriefen der Herren gefordert ist, haben die von (Hof-)Geismar bewiesen mit Geistlichen, mit vielen ihrer Bürger und auch mit solchen, die außerhalb der Stadt wohnen, nicht Bürger und also nicht beteiligt sind, daß sie ein an den Reinhardswald stoßendes besonderes Gehölz besitzen. Die Landgrafen dürfen sie also nicht daran hindern. - 2. Die Landgrafen haben ihre vom Erzbischof bestrittene Behauptung, daß frühere Erzbischöfe ihnen an den Dörfern bei der Trendelburg (Trynden-) Unrecht getan und sich dieser Dörfer bemächtigt hätten, nicht beweisen können. Der Erzbischof und das Erzstift brauchen also den Landgrafen an den Dörfern nichts wiederzugeben. - 3. Die Klage des Erzbischofs, daß die Landgrafen nach der Sühne verpflichtet seien, Guszinge wieder in seinen Teil zu Falkenberg einzusetzen, verweist er an die noch lebenden Schiedsrichter [Stimmen diese nicht überein, so soll der Erzbischof durch Zeugen beweisen, daß das damals, als man die Sühne zu Amöneburg verkündigen ließ (1354 Mai 10), durch die sechs Schiedsrichter oder durch einen im Namen aller verkündet und erzählt worden ist; dann sollen es die Landgrafen tun]. - 4. Die Landgrafen sollen die, die den Erzbischof und die Seinigen von Falkenberg und anderen landgräflichen Schlössern aus beraubt haben, zum Schadenersatz anhalten. - 5. Für Kirchhain, das ihm der Landgraf aufgelassen und von ihm zu Lehen empfangen hat, verlangt der Erzbischof Sicherheit, da die Deutschherren das Eigentumsrecht daran beanspruchen. Nikolaus erklärt, daß die Landgrafen hierin die Sühne erfüllt haben, solange die Deutschherren nicht den Erzbischof in rechtsförmiger Weise ansprechen. Geschieht das, dann kann der Erzbischof die Landgrafen vor seine Mannen laden; was sie über den Landgrafen urteilen, soll gelten. - 6. Die Landgrafen müssen dem Erzbischof, wie sie ihm der Sühne gemäß die Burg Haldessen (Halsen) zurückgegeben haben, auch das zugehörige Gut geben. - 7. Zu der Klage der Landgrafen, daß ihre Laienuntertanen an erzbischöfliche geistliche Gericht geladen würden, erklärt Nikolaus, daß für beide Teile hierfür die Besitmmungen der Sühnebriefe bindend sind. - 8. Der Erzbischof klagt, die Landgrafen hätten ihm Neustadt nicht gemäß den Sühnebriefen ausgeantwortet, sondern nur gegen Geld gegeben. [Nikolaus verweist sie an Schiedsrichter; sind die nicht einer Meinung, so müssen die Landgrafen die 500 Pfund zurückgeben, falls sie nicht (wie § 3) die Verpflichtung des Erzbischofs nachweisen können]. - 9. Der Erzbischof klagt, die Landgrafen hinderten ihn und das Erzstift an Gibichendorff, das in sein Gericht zu Klein (Glene) gehöre und stets gehört habe, das er gefürstet und in Gewere habe und als dessen berechtigter Besitzer er (und nicht die Landgrafen) durch Urteil des Deutschmeisters Philipp von Bickenbach und des Deutschordens anerkannt sei. [Gybichindorf (Gebichen-; -dorff) soll der, der (wie man durch Zeugenbefragung feststellen soll) es in rechtem Besitz hergebracht hat, behalten, bis der andere es ihm mit Recht und Gericht abgewinnt]. - 10. Der Erzbischof hat sich im Holzhäuser Gerichte eingekauft, da es von ihm und dem Erzstifte zu Lehen geht. Nikolaus erklärt, daß sich der Erzbischof in gemeinschaftliche (gemeyne) Lehen nicht einkaufen darf, wenn nicht die Verkäufer vorher vor den Lehensherren eine Teilung erklagt haben. - 11. Der Erzbischof klagt, daß der landgräfliche Amtmann zu Itter (Ytere), einem Schlosse, das beide Teile gemeinsam besitzen, mit ihm und den Seinigen keinen Burgfrieden schwören wolle. Die Landgrafen sollen dafür sorgen, daß er unverzüglich einen Burgfrieden eingehen soll mit dem Erzbischof oder dem, der Itter im Namen des Erzbischofs innehat. - 12. Die Landgrafen sollen (laut der Klage ist es noch nicht geschehen) dem Erzbischof geben, was ihm die Ratleute beider Teile oder der gemeinsame Fünftmann mit zwei Ratleuten zugesprochen haben. Der Erzbischof ist dem Landgrafen gegenüber in gleicher Weise verpflichtet. - 13. Der Erzbischof klagt, die von Wolfhagen (von dem Wolff-) hätten ihm seinen Bürgermeister von Naumburg (zu der Nuwen-) erschlagen und großen Schaden und Frevel getan, und aus Biedenkopf (Bydenkap; By-) sei ihm ein Bürger von Amöneburg erschlagen und einer verwundet worden. Urteil: Die Landgrafen sollen dafür sorgen, daß die Schuldigen das wieder gut machen. - 14. Auf die Klage des Erzbischofs, die Landgrafen hätten die Gefangenen nicht, wie in der Sühne bestimmt sei, ledig gesagt, erklärt er, daß sie das tun sollen. - 15. Der Erzbischof klagt, Johann von Lynne habe ihm seine Bürger zu Fritzlar geschädigt, nachdem er mit ihm und den Fritzlarern zu Rodenhausen (Rodehusen) gesühnt worden sei wegen der Klage gegen Fritzlar über die Unroder; die Landgrafen hätten sich für Johann verbürgt (den .. uber sich namen und sich sin mechtigeten), wie die Anlaßbriefe besagen. Nikolaus erklärt deshalb die Landgrafen für verpflichtet, den Bürgern den Schaden zu ersetzen, den Johann ihnen zugefügt hat. - 16. Der Erzbischof klagt, die von Englis und andere landgräfliche Dörfer führen mit Gewalt in das mainzische Gehölz gen. die gemeine Mark, das er gefürstet und in Gewere habe, und holzten es ab. Urteil: Die Landgrafen sollen den Erzbischof ungehindert darin lassen, bis sie es ihm vor Gericht abgewonnen haben. - 17. Die von Fritzlar sollen, wenn sie wie die Landgrafen klagen, ohne Berechtigung in der Gemarkung und in dem Sondergehölz derer von Englis Holz fällen, das unterlassen. - 18. Der Erzbischof klagt, die Landgrafen hätten sich in seine Lehen zu Geismar, die in die Grafschaft Battenberg (-burg) gehören, eingekauft ohne seinen und des Erzstiftes Willen. Urteil: Verhält es sich so, so hätten die Landgrafen es nicht tun dürfen. - 19. Der Erzbischof klagt, die Landgrafen hätten auf seinem zu Battenberg gehörigen Eigen und Gericht eine neue Stadt, genannt Frankenberg, errichtet und daselbst ein Halsgericht. Urteil: Bringt der Erzbischof Zeugschaft dafür, so sollen die Landgrafen den Bau abtun. - 20. Die Landgrafen sind, wie der Erzbischof klagt, mit aufgerichtetem Banner mit Gewalt gegen die Unroder von Fritzlar gezogen und haben dort dem Erzbischof seine Warte niedergeborchen, sein Halsgericht, Galgen und Räder abgehauen, seinen Bürgern ihre Früchte genommen und sie in ihre Schlösser geführt und anderen großen Schaden getan, obwohl er in Sühne mit ihnen sitzt und nichts von ihnen besorgte. Gemäß der dem Steben von Alsfeld und ihm in den Anlaßbriefen der Herren erteilten Vollmacht erklärt Nikolaus hierüber in Freundschaft, daß die Landgrafen den Erzbischof dort ungehindert lassen sollen, bis sie ihm die Sachen vor Gericht abgewinnen, und daß sie den Frevel und Schaden gutmachen sollen.

Wortlaut der Datierung

Geben zu Aschaffenburg off den mittwochen vor dem heiligen pingesttage 1365.

Originaltext
Auch klaget myn herre von Mentz, daz Iohan von Lynne yme sine burger zu Friczelar geschediget habe, sint daz er mit yme und den von Friczelar zu^e Rodehusen gesu^enet wart, umbesoliche ansprache, als er zu yn umbe die Unrodere bither gehabt hat, den myne herren die lantgrafen uber sich namen und sich sin mechtigeten, als daz die anlazbryfe besagent, sprechen ich vor eyn recht, daz myne herren die lantgrafen Iohan von Lynne abelegen sollent umbe soliche sache, als er den von Friczelar zuzesprechen hatte, und den burgern iren schaden keren, den er yn getan hat nach gift der anlazbryfe, wile myne herren den lantgrafen Iohan vorgenant uber sich genomen hant und ire anlazbryfe daz besagent.
Auch als myn herre von Mentze claget, daz die von Engelgis und andere dorffere myner herren der lantgrafen in sines stiftes geholtze, daz da heißet die Gemeyne Marke, mit gewalt faren und daz verbauwen, daz er und sin stift gefurstet han und in gewere herbracht, sprechen ich vor eyn recht, daz myne herren die lantgrafen mynen herren von Mentze und sinen stift alslange darinne sollen lazen sitzen ungehindert, bit sie yme daz anegewinent mit gerichte als recht ist.
Auch als mine herren die lantgrafen clagent, daz die von Friczelar in der von Egilgis marke und sondirholtz hauwent, darinne sie keyn recht hant, sprechen ich vor eyn recht, ist daz also, so sollent die von Friczelar in der von Engilgis marke und sonderholtze numme hauwen.
Auch als myn herre von Mentze claget, daz myne herren die lantgrafen und die iren mit irer offgerachten bener yme mit gewalt geczogen sin off die Unroder vor sine stat Friczlar und yme und sime stifte daselbis frevelich sin warte nydergebrochen und sin halsgerichte, galgen und redere abegehauwen und sinen burgern ire fruchte genomen und die in ire slozze gefurt und anders großen schaden getan, also als er mit yn in eynir rechten su^ene sitzet und sie yme und sime stifte verbonden sint, lant, lude und gut zu schirmen, und ir auch unbesorget was, und heischet des wandil; wann nu^e in meyner egenanten herren anlazbryfen stet geschriben, daz her Steben von Alsfelt und ich macht haben sollen, umbe die Unrodere zu Fritzelar umbe offleute, schaden und toden, die davone irgangen sint, mit fruntschaff ane iren wißen zu scheiden, so sprechen ich vor eyne fruntschaft, daz myne herren die lantgraffen sollen mynen herren von Mentz und sinen stift alslange an den Unrodern, dem gerichte, galgen und redirn und warten ungehindert lazen sitzen, bit si^e yme und sime stifte dieselben stu^ecke anegewynnent mit gerichte, als recht ist, und den frevil und schaden keren, als bescheidenlich ist.

Sprache des Originaltextes

deutsch

Nachweise

Ausstellungsort

Aschaffenburg (Regbz. Unterfranken/Bayern)

Aussteller

Mainz, Stift St. Viktor, Pröbste, Nikolaus

Empfänger

Mainz, Erzbischöfe, Gerlach von Nassau · Hessen, Landgrafen, Heinrich II. · Hessen, Landgrafen, Otto der Schütz

Siegler

Mainz, Stift St. Viktor, Pröbste, Nikolaus

Weitere Personen

Stephan, Pfarrer in Alsfeld · Falkenberg, Johann [II.] von · Bickenbach, Philipp von, Deutschmeister · Linne, Johann von

Weitere Orte

Niederklein, Gericht · Hofgeismar · Geismar · Reinhardswald · Trendelburg · Falkenberg, Burg · Kirchhain · Haldessen, Burg · Neustadt · Giffendorf · Holzhausen, Gericht · Itterburg · Wolfhagen · Naumburg · Biedenkopf · Amöneburg · Fritzlar, Bürger · Rodenhausen · Großenglis · Battenberg/Eder · Frankenberg

Sachbegriffe

Pröbste · Obermänner · Schiedsrichter · Pfarrer · Pfarrkirchen · Ratleute · Ritter · Knechte · Weistümer · Sühnebriefe · Bürger · Geistliche · Dörfer · Besitzstreitigkeiten · Wälder, Nutzungsrechte an · Straßen, Sicherheit auf · Burgen, als Ausgangspunkt für Straftaten · Deutscher Orden · Gerichte, Verkauf von · Lehen, Verkauf von · Verkäufe, unrechtmäßige · Amtmänner · Burgfrieden, verweigern von · Bürgermeister · Mord, Sühne für · Städte, neue · Halsgerichte · Galgen · Folterinstrumente

Textgrundlage

Stückangaben, Regest

Reg. Erzb. Mainz 2.1

Original

Demandt, Quellen Fritzlar

Zitierweise
Landgrafen-Regesten online Nr. 11612 <https://www.lagis-hessen.de/de/subjects/idrec/sn/lgr/id/11612> (Stand: 28.03.2024)