Hessische Quellen zum Ersten Weltkrieg

Inhalt

↑ Kriegsnotizen des Soldaten August Rompf aus Dillenburg, 1914

Abschnitt 1: Vormarsch von Geerardsbergen bis vor Ypern

[43-45] [S. 43] Aus der Bahn ausgestiegen am 13.10.1914 abends um 9 ½ Uhr in Grammont¹ in Belgien.

Am 13.10.14 nachts bezogen wir das erste Notquartier in Everbeke² in Belgien. Die Nacht alle gut verbracht.

Um 7 Uhr morgens am 14.10. aufstehen. 11 Uhr Abmarsch. Unterwegs sehr starker Regen. Viele Leute werden schlapp. Nachmittags 4 Uhr Einrücken in Maeter³ (Belgien). Hier werde ich das erste Mal als Hornist zur Wache kommandiert.

[S. 44] Die Leute in Maeter sind sehr freundlich und tun ihr möglichstes. Etwa 30 kranke Leute werden heimgeschickt. Nachmittags 3 Uhr Abmarsch über Oudenarde⁴ nach Nokere⁵. Auf dem Marsch machen wieder mehrere Kameraden schlapp. Am Abend werden dieselben untersucht und auch heute am 16.10. geht wieder eine Anzahl nach Hause.

Die Leute in Nokere tun wohl freundlich, haben aber alle Lebensmittel versteckt. Unsere Inspektion ist bei einem Metzger einquartiert, aber weder Wurst noch Fleisch ist zu sehen. Nacht vom 15. zum 16. gut verbracht.

Um 7 Uhr morgens aufstehen, dann Kaffee trinken. Gegen Mittag wird bekanntgegeben, daß Ruhetag sei. Nachmittags 4 Uhr antreten des Batl. Herr Oberstleutnant hält eine Ansprache und mahnt nochmals zur größten Vorsicht den Einwohnern gegenüber. Wie Herr Oberstleutnant bekannt gibt sind bis 16.10. etwa 60 Mann vom Batallion nach Hause zurückgekehrt, da dieselben die Strapazen nicht ertragen konnten. Von nun ab werden unsere Schnürschuhe von dem Packwagen nachgefahren, damit unsere Tournister etwas erleichtert werden. Abends großartiges Abendessen. Nach dem Essen Nachtruhe.

Am 17.10. morgens 8 Uhr Abmarsch von Nokere nach Vivey St. Bavont. Ankunft ½ 12 Uhr. In Vivey St. Bavont⁶ Quartier mit Übernachtung.

Sonntag, den 18.10., morgens 9 Uhr, antreten und Abmarsch. Nach 3 stündigem Marsch 3 Stunden Pause auf freiem Felde. Währendem wird feindliche Kavallerie gemeldet. Unsere Kavallerie kommt mit dem Feinde in Berührung, doch kommt es zu keinem ernsten Gefecht. Etwa um 2 Uhr werden einige Landleute verhaftet, welche den Engländern durch eine Windmühle Zeichen von unserem Abmarsch gegeben hatten. Dieselben werden beim Rückmarsch auf Ostroosebeke⁷ mitgeführt. Um 4 Uhr Ankunft in Ostroosebeke, daselbst Quartier. Ich spiele Inspektionskoch (Rührei mit Speck und Kartoffeln, nachher Kaffee). Hat fein geschmeckt. ¼ vor 9 Uhr Schlafengehen. Einen solchen Sonntag hatte ich noch nicht erlebt. Um 5.30 rückte die Kompanie aus, um Schützengräben auszuheben. Ob dieselben wohl diese Nacht noch benutzt werden müssen? Die Schützengräben werden noch nicht bezogen.

Am 19.10., vormittags gegen 8 Uhr, Abmarsch in nordwestlicher Richtung. Unterwegs sehr viel Pausen, da der Feind gemeldet ist. Kurz nach 8 Uhr vorm. Ansprache eines kath. Priesters, welche mit einem 3fachen Hurra auf Se. Ma. unsern verehrter Kaiser endigte. Etwa um 10 Uhr werden 2 Flieger gesichtet, diese werden von unserer Inf. beschossen, aber ohne Erfolg. Etwas später wird starkes Geschützfeuer [S. 45] hörbar. Unsere Artillerie beschießt feindl. Artillerie. Wir liegen gegen 3 Uhr nachmittags noch in Reserve. Rechts von uns Infanteriefeuer. Gegen 4 Uhr nachmittags ein schaurig schönes Schauspiel: In einiger Entfernung brennt eine Windmühle, welche von den Engländern in Brand geschossen wurde. Etwa um 5 Uhr Weitermarsch. Nach einer Stunde wieder 2 ½ Stunden Pause auf freiem Felde (etwas Regen). 8 ½ Uhr Abmarsch ins Quartier nach Moorslede⁸. Die Häuser wurden sehr stark mit Militär belegt. ▶

1. Grammont, flämisch Geraardsbergen, Stadt in Ostflandern, 44 km westlich Brüssel. ↑
2. Everbeek, Ort etwa 4 km westlich Geraardsbergen ↑
3. Mater Amabilis, Ort 3 km östlich Oudenaarde. ↑
4. Oudenaarde, Stadt in den Provinz Ostflandern. ↑
5. Nokere-Kruishoutern, Ort nordwestlich Oudenaarde, Provinz Ostflandern. ↑
6. Sint-Baafs-Vijve, Ort nordwestlich Waregem. ↑
7. Oostrozebeke, Ort in Westflandern, 30 km südöstlich Gent. ↑
8. Moorslede, Ort zwischen Roeselare und Ypern. ↑