Hessische Quellen zum Ersten Weltkrieg

Inhalt

↑ Jakob Ebersmann, Berichte aus der Heimat in den Dieburger Feldbriefen, 1915-1917

Abschnitt 62: Stiftungsfest des Männervereins, Herbstarbeiten

◀ [Nr. 62] Feldbrief vom 19. November 1916

Am 5. November beging der katholische Männer- und Arbeiter-Verein sein 25 jähriges Stiftungsfest. In Friedenszeiten hätte man sich die Feier ohne Anteilnahme der übrigen Dieburger Vereine, ohne festlichen Umzug, rauschende Musik und wehende Fahnen kaum denken können. Diesmal war von alledem nichts zu merken. Dem Ernst der Zeit entsprechend fand die Feier in einfacher, aber würdiger Weise statt. Am Morgen war feierliches Levitenamt, bei dem die Fahnenträger mit der Vereinsfahne im Chor der Kirche Ausstellung genommen hatten. In der Festpredigt betonte ich, daß der Verein seit seinem Bestehen seinen Statuten, für das religiöse, sittliche und wirtschaftliche Wohl der Mitglieder zu sorgen, treu geblieben ist. Während des Hochamtes gingen die Mitglieder gemeinschaftlich zur Hl. Kommunion. Einige ältere Herren, die nicht so lange nüchtern bleiben konnten, hatten schon in der Frühmesse das Hl. Abendmahl empfangen. Nachmittags 4 Uhr fand in der Wirtschaft von Peter Kunkel eine Vereinsversammlung statt. Herr Abg. Uebel¹ eröffnete dieselbe mit einem Rückblick auf die verflossenen 25 Jahre. Dann ergriff Herr Rechtsanwalt Nuß von Worms das Wort, um in formvollendeter und von patriotischer Begeisterung getragener Rede auf die Ideale der Männervereine hinzuweisen und das "Durchhalten" zu empfehlen. Im Anschluß daran machte ich auf die ungleiche Lebenshaltung während des Krieges in der Stadt und auf dem Lande aufmerksam und unterstrich die vaterländische Pflicht, sich gegenseitig zu unterstützen. Der Vorsitzende schloß darauf die Versammlung mit einem herzlichen Dankeswort für die Redner. Auf ein Huldigungstelegramm an den hochwüurdigsten Herrn Bischof traf eine gnädigst gehaltene Drahtantwort ein, die den Glückwunsch und Segen des Oberhirten zum Stiftungsfeste übermittelte.

Montag, 6. November, war in der Pfarrkirche ein Seelenamt für die verstorbenen und gefallenen Mitglieder des Vereins. Der Besuch war gut und eine größere Anzahl empfingen noch einmal die Hl. Kommunion.

Im Felde werden jetzt die letzten Herbstarbeiten ausgeführt. Sie ziehen sich zwar etwas mehr hinaus als sonst, da nicht viele Arbeitskräfte zur Verfügung stehen; es wird aber alles Nötige doch getan. Die Felder, die mit Korn angebaut werden müssen, sind größtenteils bestellt. Die Stoppelrüben sind eingebracht. Und viele Äcker sind zum Brachliegen über Winter gepflügt. Nun ist dafür gesorgt, daß die Winterfeuchtigkeit und die Luft in den Boden eindringen und ihre befruchtenden Wirkungen ausüben können.

Um den Kriegern des 18. Armeekorps eine Weihnachtsfreude zu bereiten, werden jetzt schon Liebesgaben gesammelt. Von Dieburg gingen durch das rote Kreuz der Sammelstelle in Frankfurt bereits vier Kisten Wein zu. Das ist für einen Ort, der keinen Weinbau treibt, schon eine ansehnliche Spende.

Durch Verleihung des eisernen Kreuzes wurden ausgezeichnet: Pionier Jakob Löbig und Gefreiter August Wölfelschneider. Vizefeldwebel Josef Moll wurde zum Leutnant befördert. ▶

1. Philipp Uebel (1864-1929), Zentrumsabgeordneter im Hessischen Landtag (2. Kammer) für den Stimmbezirk Dieburg 1911-1918. ↑