Landesgeschichtliches Informationssystem Hessen

Hessische Quellen zum Ersten Weltkrieg

↑ Ernst Hofsommer, Bericht eines Frankfurter Lehrers über einen Sturmangriff in der Sommeschlacht, 1916

Abschnitt 1: Die Frontlage in Péronne während der Sommeschlacht

[1-2] Vor Maisonnette

In der Zitadelle von Péronne lag meine 4. Kompagnie. Die 1. Kompagnie war in Kellern untergebracht. Wir bildeten die Reserve der Brigade ....1 Draußen tobte die Riesenschlacht. Die Geschütze brüllten, rasten, spien Tod, Verderben, verbreiteten Verwüstung und Vernichtung ringsumher. Ein Blick auf die alte, vorher wohl so freundliche Stadt ließ jeden erschauern. Eingestürzte Häuser, verkohltes Gebälk, halbe Dächer, Giebelfetzen, zertrümmerte Fensterscheiben, auf den Straßen kein Mensch, nur einige tote Pferde, umgestürzte Habe, herumliegende, als nutzlos von den fliehenden Zivilbewohnern weggeworfene Gepäckstücke, Kleider, Gebrauchsgegenstände, Lebensmittel, alles, alles durcheinander. Kirchen und Stadthaus, die hohen Häuser am Markt wurden ständig noch und ganz wahllos beschossen. Mit allen, den schwersten Kalibern. Die ganze Stadt blutete schon aus Tausenden von Wunden. Aber immer noch sausten die schweren Eisenvögel heran und faßten mit ihren Krallen ganze Vorderfronten und Häuser und rissen sie nieder.

Trotz der Beschießung der ganzen Stadt, des ganzen Geländes, der deutschen Batterien längs des Sommeufers hielt es uns nicht in unseren sicheren Kasematten. Wir traten aus den Wall und blickten gen Süden über den mit schmutzigem Wasser gefüllten Stadtgraben der alten Festung, blickten auf das im Sonnenlicht trotz Pulverdampfes noch hell und glänzend erstrahlende Silberband der Somme, die dieser gewaltigsten Schlacht den Namen [S. 2] gegeben, sahen hinüber auf das brennende, stark beschossene Dorf Biaches2, das ein Regiment unserer Division heute wiedernehmen sollte. Am Ufer der Somme Sumpfgelände mit hohem Schilf. Am diesseitigen standen, im Schilf verborgen, deutsche Feldgeschütze. Durchs ganze Gelände verteilt waren Haubitzen, Mörser, Langrohrgeschütze. Nach dem ersten Überraschungserfolg der Franzosen war es unserer Leitung bereits gelungen, ein Gleichgewicht an Artillerie dem Feinde entgegenzusetzen, heute galt es schon, dem Feinde wieder einige Vorteile im Angriff zu entreißen.


  1. Die genaue Bezeichnung der Brigade ist im Druck aus Gründen der militärischen Geheimhaltung weggelassen.
  2. Ort auf dem westlichen Sommeufer bei Péronne.

Personen: Hofsommer, Ernst
Orte: Péronne · Maisonette · Somme · Biaches
Sachbegriffe: Sommeschlacht · Kompanien · Brigaden · Geschütze · Zerstörungen · Pferde · Haubitzen · Mörser · Langrohrgeschütze · Franzosen · Angriffe · Fotografien
Empfohlene Zitierweise: „Ernst Hofsommer, Bericht eines Frankfurter Lehrers über einen Sturmangriff in der Sommeschlacht, 1916, Abschnitt 2: Die Frontlage in Péronne während der Sommeschlacht“, in: Hessische Quellen zum Ersten Weltkrieg <https://www.lagis-hessen.de/de/purl/resolve/subject/qhg/id/87-1> (aufgerufen am 19.04.2024)