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Einweihung der neuen Westend-Synagoge in Frankfurt, 28. September 1910

In Anwesenheit des Wiesbadener Regierungspräsidenten Karl Wilhelm von Meister (1863–1935) und des Frankfurter Oberbürgermeisters Franz Adickes (1846–1915) wird die neuerbaute Westend-Synagoge der jüdischen Gemeinde in Frankfurt am Main eingeweiht. Der Gemeindevorsitzende Justizrat Dr. Julius Blau (1861–1939) eröffnet die festliche Einweihung mit einer Ansprache, in der er betont, dass die Israelitische Gemeinde die Aufgabe habe, ihrer liberalen Ausrichtung entsprechend sowohl den reformerischen als aber auch den konservativ-orthodoxen Strömungen gerecht zu werden. Ferner stelle sich das Judentum in Frankfurt dem Anspruch, den Menschen zu dienen und seine Mitglieder „zur reinsten Vaterlandsliebe und zur treuen Erfüllung der Bürgerpflichten [zu] erziehen, getreu der Parole ‚Treudeutsch und jüdisch allezeit!‘“.1

Das in der Freiherr-vom-Stein-Straße (Nr. 30-32) direkt an der Einmündung zur Altkönigstraße gelegene Gebäude, mit dessen Bau im September 1908 begonnen worden war, besitzt eine imposante gestaltete Fassade, deren Entwurf sich an die Jugendstilarchitektur anlehnt, aber auch Elemente der ägyptisch-assyrischen Baukunst und deren Formensprache enthält. Der kuppelüberwölbte Zentralbau der Synagoge umschließt einen Gottesdienstraum, der Platz für mehr als 1.000 Gläubige bietet.

Entstanden ist die nunmehr vierte große Synagoge in der Mainmetropole (und zweitgrößte in der Stadt nach der Synagoge der orthodoxen Austrittsgemeinde in der Friedberger Landstraße) nach Plänen des aus Liechtenstein stammenden Architekten Franz Roeckle (1879–1953). Ihre Baukosten belaufen sich auf eine Summe von rund 850.000 Goldmark. Zu ihrer Finanzierung wurde am 23. Januar 1910 an der Frankfurter Börse erstmalig ein „jüdisches“ Papier zum Handel zugelassen, und zwar zu 4 % verzinste Schuldverschreibungen im Gesamtwert von drei Millionen Mark der Israelitischen Gemeinde in Frankfurt, die gemeinschaftlich durch die Bankhäuser Lazard Speyer-Ellissen und die Deutsche Effecten- und Wechsel-Bank gezeichnet und platziert wurden.

Auf Kritik stößt der Umstand, dass für die Synagoge kein Standort an einem freien Platz gefunden worden ist, sondern das Bauwerk stattdessen in einer vorhandenen Baulücke im Frankfurter Westend seine Heimat gefunden hat.
(KU)


  1. Zitiert nach Frankfurter Allgemeine Zeitung, 17.9.1960, S. 51.
Belege
Weiterführende Informationen
Empfohlene Zitierweise
„Einweihung der neuen Westend-Synagoge in Frankfurt, 28. September 1910“, in: Zeitgeschichte in Hessen <https://www.lagis-hessen.de/de/subjects/idrec/sn/edb/id/401> (Stand: 28.9.2022)
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