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Zeitgeschichte in Hessen - Daten · Fakten · Hintergründe

Erste Promotion einer Frau an der Universität Gießen, 8. Dezember 1904

Mit der Russin Wera Krilitschewsky-Tubandt (1881–1944) erhält an der Universität Gießen erstmals eine Frau nach regulärem Studium den Doktorgrad.

Die im ukrainischen Odessa als Tochter einer jüdischen Kaufmannsfamilie geborene Wera Krilitschewsky hatte sich zum Wintersemester 1899/1900 an der Universität Halle-Wittenberg für das Studium der Chemie eingeschrieben und absolviert im Februar 1902 in diesem Fach erfolgreich das Staatsexamen. Aufgrund der an der Universität Halle bestehenden Regelungen zum Promotionsverfahren – es wurden nur Männer zugelassen – wechselte sie anschließend an die Universität Gießen. Ihre Promotion erhält die Bewertung magna cum laude („mit großem Lob“, sehr gut). Wera Krilitschewsky vollendet damit eine zu dieser Zeit für Frauen ungewöhnlich hohe akademische Ausbildung, die ihr nicht zuletzt durch die Unterstützung ihrer Eltern Fanny und Abraham Krilitschewsky ermöglicht wird.

Bereits während ihres Studiums in Halle lernt sie Carl Tubandt (1878–1942) kennen, den sie im September 1904 heiratet. Carl Tubandt wirkt von 1903 bis 1908 als Assistent am Chemischen Institut der Universität Halle, wo er 1904 zum Dr. phil. promoviert wurde. Hier habilitiert er sich 1907 und arbeitet im Jahr darauf für mehre Monate im Labor des Begründers der physikalische Chemie und späteren Nobelpreisträgers (1920) Walther Nernst (1864–1941). Wera, die sich 1904 vor ihrer Heirat christlich taufen lässt, bringt 1905 und 1907 die Töchter Wera und Katharina zur Welt.

Carl Tubandt wird 1915 zum planmäßigen außerordentlichen Professor und erhält 1921 eine ordentliche Professur. 1931 bestellt man ihn zum Direktor des von ihm geschaffenen Instituts für Physikalische Chemie an der Universität Halle. 1937 entlässt ihn die Universität aufgrund der Bestimmungen von § 6 des am 7. April 1933 erlassenen „Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums“ („Berufsbeamtengesetz“, BBG)1. Grund ist Weras jüdische Herkunft. Das Ehepaar verlässt daraufhin Halle und zieht zu den Töchtern nach Berlin. Carl, der nach dem Machtantritt der Nationalsozialisten förderndes Mitglied der SS wird und Verbänden der Nationalsozialistischen Wohlfahrt und dem Reichsluftschutzbund beitritt, stirbt 1942. Wera tötet sich zwei Jahre später selbst, als sie in ein Konzentrationslager gebracht werden wollen.
(OV/KU)


  1. „Zur Vereinfachung der Verwaltung können Beamte in den Ruhestand versetzt werden, auch wenn sie noch nicht dienstunfähig sind. Wenn Beamte aus diesem Grunde in den Ruhestand versetzt werden, so dürfen ihre Stellen nicht wieder besetzt werden.“
Belege
Weiterführende Informationen
Empfohlene Zitierweise
„Erste Promotion einer Frau an der Universität Gießen, 8. Dezember 1904“, in: Zeitgeschichte in Hessen <https://www.lagis-hessen.de/de/subjects/idrec/sn/edb/id/316> (Stand: 26.11.2022)
Ereignisse im November 1904 | Dezember 1904 | Januar 1905
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