Hessische Quellen zum Ersten Weltkrieg

Inhalt

↑ Wilhelm Egly, Kriegstagebuch eines Soldaten aus Friedberg, 1916-1917

Abschnitt 12: II. Nach der Schlacht

◀ [56-57] 8. Juli 1916.
Gerade haben wir unseren kleinen Unterstand tiefer ausgehoben, etwas gemütlicher eingerichtet und wasserdicht abgedeckt, als der Ablösungsbefehl eintrifft.
Wie immer, wenn wir marschieren müssen, verwandelt ein Gewitterregen alle Wege augenblicklich in Schlamm und Sumpf und bleibt kniehoch in den Schützen- und Laufgräben stehen.

9. Juli 1916.
Stumm zieht die Kolonne durch die Nacht. Nur das klatschende Stapfen der Pferde vernimmt das gespannt [S. 57] lauschende Ohr. Ueber die Höhe bei Kolonie Pustomyty marschieren wir hinunter ins Dorf, wo die Gefallenen vom vierundzwanzigsten ruhen.
Die Gewehre und Munition werden von den Fahrzeugen heruntergeholt und in den von Husaren und einer Maschinengewehr-Abteilung dünnbesetzten Graben geschleppt.
Mit der kühlen Luft, die den nahenden Morgen wittern läßt, sauge ich süßlichen Verwesungsgeruch ein.
„Hier liegen noch Leichen," sage ich zu einem Husaren.
„Ja, zwanzig Russen in der Totenschlucht vor uns," antwortet er, „wir konnten sie noch nicht beerdigen."
Die armen Muschiks vom vierundzwanzigsten waren also alle elend zugrunde gegangen! Wir kriechen in derselben Nacht noch durch das Drahtverhau, Spaten in der Hand und Taschentücher um Mund und Nase gebunden. Wenn wir auch kein Grab schaufeln können, so werfen wir doch eine Schicht Erde über die kreuzweise liegenden, fürchterlich stinkenden Leichen. Als es hell wird, kriechen wir schaudernd zurück aus der — Totenschlucht.
Wie damals vor drei Wochen blicke ich hinunter ins Tal. Wie hat sich Pustomyty verändert! Nicht ein Haus steht mehr! Nur schwarze Brandstellen liegen inmitten einer üppigen Vegetation. ▶