Landesgeschichtliches Informationssystem Hessen

Zeitgeschichte in Hessen - Daten · Fakten · Hintergründe

Berichte über Verfolgungen und Diskriminierungen von Juden in Hessen, September 1935

Der Deutschland-Bericht des SPD Exilvorstands (Sopade) in Prag für den Monat September 1935 schildert ausführlich Meldungen über Terror gegen Juden, die aus dem ganzen Reich eingehen. Nach den Nürnberger Gesetzen hätten sich, so der Bericht einleitend, die Methoden der Judenverfolgung nicht geändert und die Willkür herrsche nach wie vor. Einzelaktionen seien nach wie vor an der Tagesordnung.

Aus Hessen werden folgende Berichte wiedergegeben: Der Kampf gegen die Juden werde mit allen Mitteln fortgesetzt. Jetzt werde auch die Hitlerjugend in diesen gehässigen Kampf eingespannt. Die Kinder werden auf ein Lastauto geladen und schreien im Sprechchor: „Juda verrecke“. Oder sie marschieren durch Straßen, in denen Juden wohnen und singen „Wenn das Judenblut vom Messer rinnt, dann geht’s noch mal so gut“, oder andere das „Kampflied“: „Köpfe rollen, Juden heulen“.
Kaufmannslehrlinge würden für den Berufskampf im Maschinenschreiben ausgebildet, indem sie unendlich oft Zettel mit folgendem Inhalt schreiben müssen: „Haltet die Anlagen und die Bäder frei von jüdischem Ungeziefer, denn es ist schlimmer als die Wanzen“. Natürlich müssen die Zettel auch verbreitet werden und diese Verbreitung bereitet dann die bekannten Ausschreitungen vor. Die so angestachelten Rowdy-Instinkte toben sich aber nur an den proletarischen Juden aus, an die gutgekleideten, wohlhabenden Juden getraut man sich nicht heran. Denen wird höchstens einmal ein halblautes Schimpfwort nachgerufen, wenn sie außer Hörweite sind.
Aus Frankfurt wird berichtet, dort sei ein Streit um den „Stürmer“1 und dessen Vertrieb entstanden. Nachdem der „Stürmer“ in einer Ausgabe den Faksimileabdruck einer Rechnung des jüdischen Schuhhauses Speyer an die Stadt Frankfurt am Main für Schuhe für Wohlfahrtsempfänger veröffentlicht hatte, habe der Frankfurter Oberbürgermeister Friedrich Krebs (1894–1961) verlangt, diese Ausgabe des Stürmer in Frankfurt zu verbieten, was der Polizeipräsident Adolf Beckerle (1902–1976) jedoch abgelehnt habe. Die Forderung von Krebs, das öffentliche Anschlagen des Stürmers zu verbieten, sei von Gauleiter Jakob Sprenger (1884–1945) abgelehnt worden. Jetzt habe der Oberbürgermeister den Zeitungen eine Richtigstellung zukommen lassen und die städtischen Behörden angewiesen, die Aushängekästen [des Stürmers] von den städtischen Plätzen zu entfernen.


  1. „Der Stürmer“ war eine 1923 von Julius Streicher (1885–1946) gegründete und bis Februar 1945 erscheinende radikal antisemitische und nationalsozialistische Wochenzeitung, die vor allem seit 1933 erhebliche Verbreitung fand.
Belege
  • S. 1033-
Empfohlene Zitierweise
„Berichte über Verfolgungen und Diskriminierungen von Juden in Hessen, September 1935“, in: Zeitgeschichte in Hessen <https://www.lagis-hessen.de/de/subjects/idrec/sn/edb/id/4835> (Stand: 31.8.2017)
Ereignisse im August 1935 | September 1935 | Oktober 1935
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