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Bücherverbrennung auf dem Marburger Kämpfrasen, 10. Mai 1933

Auf dem Marburger Kämpfrasen findet eine Bücherverbrennung statt. Die Oberhessische Zeitung berichtet unter der Überschrift: Scheiterhaufen auf dem Kämpfrasen – Wider den undeutschen Geist!, dass am Vortrag, wie an allen Hochschulen im Reich, auch in Marburg Kundgebungen wider den undeutschen Geist stattgefunden haben, die mit großen Fackelzügen eingeleitet worden seien:

Auch in Marburg bewegte sich gegen 10 Uhr abends ein riesiger Fackelzug durch die Straßen der Stadt nach dem Kämpfrasen, wo bereits auf den Straßen eine unzählbare Menschenmenge sich eingefunden hatte. Auf der Mitte des Kämpfrasens war ein Scheiterhaufen errichtet, auf dem die undeutschen Schriften den Flammen übergeben wurden. Der Vorsitzende der Marburger Studentenschaft, der Student Hübner, habe zunächst erklärt, dass der alte deutsche Geist wieder hergestellt werden solle, den die November-Revolution (von 1918) hinweggefegt habe, und er habe die Teilnehmer aufgefordert, die undeutschen Schriften auf den Scheiterhaufen zu werfen und anzuzünden. Während die Flammen emporloderten, habe der Referendar Stoevesandt ausgeführt, dass die Kundgebung geboren sei aus dem Widerwillen der deutschen Jugend gegen alles Fremde, das 14 Jahre den Deutschen als höchstes Kulturziel vorgesetzt wurde. Wenn wir, die deutsche Jugend, uns als Nationalsozialisten zu dem Grundsatz bekennen, daß es besser ist, tapfer zu leiden und wenn nötig, auch zu sterben, als knechtisch zu leben, so wollen wir folgerichtig auch dem den Kampf ansagen, was undeutsch ist. Unter undeutschem Geist verstehen wir jene Art Jugenderziehung, die alles Heldische in unserer ruhmreichen Geschichte verbannte. Jene Erzeugnisse von Schriftstellern und Dichtern einer sterbenden Zeit, die dem kleinlichen Menschen ihre zersetzenden Weltanschauungen aufzwingen wollten. Jenes Theaterwesen, das glaubte, ungestraft die Ehre des deutschen Soldaten besudeln zu können und das Andenken von zwei Millionen toten Kameraden zu beschimpfen. Die Flammen, die zum Himmel jetzt emporlodern, sollen dem echten deutschen Geist zur Wiedergeburt verhelfen. Diese Feier soll ein Gelöbnis sein für die kulturelle Wiedergeburt.
Die Kundgebung habe, so berichtet die Zeitung, mit dem Absingen des Horst-Wessel-Liedes ihren Abschluss gefunden.

Eine am 11. Mai in der Oberhessischen Zeitung veröffentlichte zweiseitige Liste führt detailliert die Autoren und deren Schriften sowohl aus der wissenschaftlichen wir der „schönen“ Literatur auf, die am Vortag auf dem Kämpfrasen als „undeutsche Bücher“ auf dem Scheiterhaufen gelandet sind.1 Unter den politischen Büchern sind zum Beispiel solche von August Bebel (1840–1913), Wilhelm Cohnstaedt (1880–1937), Theodor Heuss (1884–1963), Rudolf Hilferding, Karl Liebknecht (1871–1919), Hermann Müller-Franken, Gustav Noske und Hugo Preuß. Die Liste der künstlerischen und schöngeistigen Bücher enthält unter anderem Werke von Bert Brecht, Alfred Doeblin, Kasimir Edschmid (1890–1966), Lion Feuchtwanger, Ernst Glaeser (1902–1963), George Grosz, Ernest Hemingway, Erich Kästner; Alfred Kerr (1867–1948), Egon Erwin Kisch, Heinrich und Thomas Mann, Joachim Ringelnatz, Arthur Schnitzler, Kurt Tucholsky, Fritz von Unruh, Arnold Zweig und Stefan Zweig.
(OV)


  1. Die vollständige Liste der verbrannten Werke findet sich auf: Wikipedia: Liste der 1933 verbrannten Bücher (eingesehen am 19.1.2023).
Belege
Weiterführende Informationen
Empfohlene Zitierweise
„Bücherverbrennung auf dem Marburger Kämpfrasen, 10. Mai 1933“, in: Zeitgeschichte in Hessen <https://www.lagis-hessen.de/de/subjects/idrec/sn/edb/id/1682> (Stand: 19.1.2023)
Ereignisse im April 1933 | Mai 1933 | Juni 1933
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