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Eröffnung des 53. Kommunallandtages des Regierungsbezirks Kassel, 4. Mai 1925

In Kassel tritt der – im Vergleich zum vorhergehenden Kommunallandtag – personell fast unveränderte 53. Kommunallandtag des Regierungsbezirkes Kassel zusammen und wird vom Landtagskommissar der preußischen Staatsregierung, dem Oberpräsidenten der Provinz Hessen-Nassau Dr. Rudolf Schwander (1868–1950) eröffnet. Er führt unter anderem aus:

Sehr geehrte Damen und Herren!
Sie treten heute zum 53. Kommunallandtage des Regierungsbezirks Cassel zusammen. Es gereicht mir zur Ehre, Sie beim Beginne Ihrer Verhandlungen namens der Preußischen Staatsregierung zu begrüßen.
Zuvörderst lassen Sie mich zweier Ereignisse gedenken, dir für das ganze deutsche Volk von großer Bedeutung sind. Der bisherige Reichspräsident Ebert ist aus dem Leben geschieden, nachdem er 7 Jahre der höchste Beamte des deutschen Reichs gewesen ist, allseitig wegen seiner ruhigen, einsichtsvollen und klugen Leitung der Geschäfte anerkannt und verehrt. An seine Stelle tritt der General-Feldmarschall von Hindenburg. Möge es ihm, dem wir alle als dem erwählten Oberhaupte des deutschen Volkes Verehrung entgegenbringen, vergönnt sein, seines hohen Amtes zum Segen von Volk und Reich zu walten.
War Ihre vorjährige Tagung noch beherrscht von den unheilvollen Folgen der Inflation und von der Ungewißheit, ob die neue Stabilisierung des Geldmarktes Stand halten würde unter der schwierigen Wirtschaftslage, in die der Versailler Vertrag das Deutsche Reich gebracht hatte, so können wir heute mit etwas größerem Vertrauen in die Zukunft blicken. Die Einführung der Rentenmark und später die der Reichsmark hat sich behauptet. Die Beziehungen zu den alliierten Mächten sind, wenn auch unter schwersten Opfern des deutschen Volkes, etwas bestimmter wie früher geregelt, das wirtschaftliche Leben ist für alle Erwerbszweige in eine stetigere und, wenn auch nur recht langsam, aufsteigende Entwickelung gekommen.
Ich bedaure es aber lebhaft, hinzufügen zu müssen, daß für einen sehr wesentlichen Erwerbsstand des Bezirks, die Landwirtschaft, diese Entwickelung stark durch unabwendbare Naturereignisse unterbrochen ist, indem fortdauernde Niederschläge im Spätsommer und Herbst 1924 die auf dem Felde stehende Gutes versprechende Ernte vernichteten, in den Flüssen Hochwasser und Überschwemmungen erzeugten und in deren Gefolge große Viehverluste durch Massenerkrankungen an Leberegeln hervorriefen.
Dankbar gedenke ich der Hilfe, die die Staatsregierung den in ihrer Existenz gefährdeten Landwirten gewährte und mit der sie ihnen durch Hergabe von Darlehen die Beschaffung von Saatgut und den Wiederankauf von Vieh ermöglichte, dankbar gedenke ich aber auch des Eintretens der Landesverwaltung, die die Bürgschaft für diese Darlehen zusammen mit den Landkreisen übernahm.
Entsprechend der größeren Ruhe und Ordnung, die in die wirtschaftliche Entwickelung eingezogen, ist es möglich geworden, den Haushalt des Landesverbandes im Jahre 1924 mit größerem Erfolge durchzuführen als man vor einem Jahr erwartete, nicht zum wenigsten infolge größerer Überweisungen aus den Anteilen an Reichssteuern, und den Haushaltsplan für das Jahr 1925, der Ihnen zur Beschlußfassung vorgelegt wird, besser auszustatten. Es ist aber auch nötig, wieder größere Mittel aufzuwenden, um die in langer Kriegs- und Nachkriegszeit unter dem Zwange der Verhältnisse vernachlässigten Landstraßen und Landwege wiederherzustellen und um ihnen dem stark vermehrten Kraftwagenverkehr gegenüber eine größere Haltbarkeit zu verleihen.
Daneben werden die Forderungen, welche die verstärkte Wohlfahrtspflege und die Fürsorgepflichtverordnung an den Landesverband stellen, im Haushaltsplan Berücksichtigung finden. Schließlich soll auch einer größeren Anzahl von Beamtengruppen die von ihnen schon seit langer Zeit gewünschte Besserstellung zuteil werden. Das alles sind Aufgaben, deren Erfüllung von jeher, jetzt aber in erhöhtem Umfange, gern und freudig von dem Landesverbande übernommen ist und sicher auch weiter übernommen werden wird. Trotzdem ist, wie ich noch hervorheben muß, strengste Sparsamkeit und Beschränkung auf das dringendst Nötige am Platze, weil den Kommunalverbänden nach den im Anfange dieses Jahres aufgestellten Grundsätzen der Zentralbehörden die Erlangung von Anleihen und namentlich Auslandsanleihen sehr erschwert ist, weil diese zur Zeit noch unter drückenden Zins- und Tilgungsbedingungen ausgegeben werden und weil deshalb jede Ausgabe vermieden werden muß, die nicht zur Erhaltung der Einrichtungen und Anstalten des Bezirksverbandes dringend nötig ist.
Wenn bei der Landeskreditkasse in den Jahren 1923/24 ein Fall vorgekommen ist, der durch übermäßige Kreditgewährung an ein einzelnen gewerbliches Unternehmen in der Öffentlichkeit Mißstimmung hervorruft, so bedaure ich dies mit allen Mitgliedern der Landesverwaltung, kann aber andererseits aus dem bisherigen Ergebnis der Untersuchungen feststellen, daß die Verwaltung nach Kräften und nicht ohne Erfolg bemüht war und noch bemüht ist, finanzielle Schäden von der Landeskreditkasse fernzuhalten und der Wiederkehr ähnlicher Fälle vorzubeugen. Es wird Aufgabe des Kommunallandtages sein, die Maßnahmen der Verwaltung nachzuprüfen.
Mit dem Wunsche, daß alle Mitglieder des Landtages von dem Gedanken beseelt und geleitet sein möchten, in Einmütigkeit für das Wohl des Bezirksverbandes besorgt zu sein, erkläre ich den 53. Kommunallandtag des Bezirksverbandes Cassel für eröffnet.
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Als Alterspräsident wirkt der 71-Jährige Dr. Eduard Harnier (Hessische Arbeitsgemeinschaft), zum Vorsitzenden des Kommunallandtages wird erneut Alexander von Keudell (Hessische Arbeitsgemeinschaft) gewählt, zu seinem Stellvertreter wiederum Dr. Georg Antoni (Zentrum). Mit Minna Bernst (SPD) aus Kassel wirkt erstmals – sechseinhalb Jahre nach Einführung des Frauenwahlrechtes in Deutschland und immerhin vier Jahre, nachdem im Wiesbadener Kommunallandtag die ersten weiblichen Abgeordneten tätig wurden – eine Frau im Parlament des Regierungsbezirkes Kassel mit.

In seiner Ansprache nach der Wahl zum Vorsitzenden des 53. Kommunallandtages führt Keudell unter anderem aus:

Meine Damen und Herren! Indem ich das Amt des 1. Vorsitzenden des Kommunallandtages übernehme, danke ich Ihnen für das Vertrauen, das Sie mir durch die Wahl entgegengebracht haben. Ich werde mich bemühen, dieses Vertrauen zu rechtfertigen und bitte Sie um Ihre Unterstützung.
Meine Damen und Herren! Wenn auch Se. Exzellenz, der Herr Oberpräsident, in seiner Ansprache bereits der Ereignisse gedacht hat, die uns in den letzten Monaten tief bewegt haben, so halte ich es doch für meine Pflicht, daß auch wir hier im Kommunallandtage zu dem Wechsel in der Person des 1. Präsidenten unseres Reiches Stellung nehmen, und es liegt mir am Herzen, hierbei gerade in dieser Zeit, wo die Wogen des Wahlkampfes, der hinter uns liegt, noch kaum abgeebbt haben, und wo die Gegensätze der Parteien scharf aufeinandergeplatzt sind, hier Worte zu finden, denen Sie alle zustimmen können.
Meine Damen und Herren! In diesem Sinne lassen Sie mich unserer tiefen, menschlichen Teilnahme an dem Tode, des ersten Reichspräsidenten Ausdruck geben. Herr Reichspräsident Ebert hat in schwerer Zeit das Deutsche Reich würdig vertreten und durch die kluge und taktvolle Art, in der er sein hohes Amt geführt hat, sich bis in die Reihen der gegnerischen Parteien Hochachtung und Wertschätzung erworben. An seine Stelle tritt der Mann, dessen Name schon in schwerster Zeit für uns Deutsche Trost und Hilfe bedeutete, dessen Verdienste um das deutsche Volk der Geschichte angehören, der feste deutsche Mann, dem auch seine Gegner das Zeugnis eines starken, aufrechten Charakters sowie des schlichten Heldentums nicht versagen können.
Lassen Sie mich der Hoffnung Ausdruck geben, daß es dem neuen Reichspräsidenten Hindenburg vergönnt sein möge, das deutsche Reichsschiff mit kluger und sicherer Hand zu steuern und einer besseren Zukunft entgegenzuführen. Möchte es ihm auch gelingen, die Gegensätze in unserem Volke zu versöhnen, damit die einzige Waffe, die uns der Welt gegenüber noch geblieben ist, die Einheit der Nation, auch in ihrer ganzen Kraft zur Geltung kommen kann. Das Vaterland über der Partei, diese Losung Hindenburgs sei auch unsere Losung (Zuruf: „aber auch bei allen“.) Wenn wir ihr folgen werden, wird Deutschland wieder die Stellung in der Welt einnehmen, auf die es nach seiner Größe und nach seiner Geschichte gerechten Anspruch hat.
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Der 53. Kommunallandtag des Regierungsbezirks Kassel wird in vier öffentlichen Sitzungen bis zum 9. Mai 1925 tagen.

Zusammensetzung des 53. Kommunallandtages des Regierungsbezirks Kassel

Sitzverteilung

Sozialistische Arbeitsgemeinschaft 21
Hessische Arbeitsgemeinschaft 20
Zentrum 7
DDP 4

Sozialistische Arbeitsgemeinschaft

Bernst, Minna (1880–1965; Ehefrau; Kassel; Wahlbezirk Kassel-Stadt)
Braunholz, Johannes (1884–1966; Parteisekretär; Eschwege; Wahlbezirk Eschwege)
Brunner, Heinrich (1877–1956; Lehrer; Oberzwehren; Wahlbezirk Fritzlar)
Euler, Karl Lukas (1877–1928; Schlosser; Großkrotzenburg; Wahlbezirk Hanau-Land)
Häring, Georg Ulrich (1885–1973); Landesrat; Kassel; Kreis Kassel-Stadt
Hildwein, Joseph (1877–1947; Lehrer; Hanau; Wahlbezirk Hanau-Stadt)
Höner, Karl (1877–1969; Kaufmann; Hofgeismar; Wahlbezirk Hofgeismar)
Jordan, August (1864–1938; Verwaltungsdirektor; Kassel; Wahlbezirk Kassel-Stadt)
Klehm, Friedrich (1880–1960); Heizer; Niedermittlau; Kreis Gelnhausen
Küch, Konrad (1881–1948); Bürgermeister, Schreinermeister; Hönebach; Kreis Rotenburg
Meier, Jakob (geb. 1880); Eisenbahnbeamter; Oberzwehren; Kreis Kassel-Land
Pappenheim, Ludwig (1887–1934; Schriftleiter; Schmalkalden; Wahlbezirk Schmalkalden)
Persch, Ludwig (1873–1947; Buchdrucker; Melsungen; Wahlbezirk Melsungen)
Ramm, Otto (1875–1957; Parteisekretär; Rinteln; Wahlbezirk Grafschaft Schaumburg)
Rehbein, Karl (1885–1956; Verbands-Angestellter; Hanau; Wahlbezirk Hanau-Stadt)
Sautter, Hans (1877–1961); Stadtrat, Professor; Kassel; Kreis Kassel-Stadt
Schnabrich, Michael (1880–1939); Parteisekretär; Hersfeld; Kreis Hersfeld
Schröder, Robert (geb. 1882); Glaser; Rommershausen; Kreis Ziegenhain
Selbert, Adam (1893–1965); Buchdrucker; Niederzwehren; Kreis Kassel-Land
Stein XII., Philipp (1859–1926); Weißbindermeister; Hochstadt; Kreis Hanau-Land
Thöne, Georg (1867–1945; Landrat; Witzenhausen; Wahlbezirk Witzenhausen)

Hessische Arbeitsgemeinschaft

Becker, Dr. Franz (1888–1955; Oberstudienrat; Kassel; Wahlbezirk Kassel-Stadt)
Becker, Dr. Max (1888–1960); Rechtsanwalt; Hersfeld; Kreis Hersfeld
Böhmer, Johannes (1879–1955; Sattlermeister; Witzenhausen; Wahlbezirk Witzenhausen)
Brill, Otto (1884–1934; Rechtsanwalt; Kassel; Wahlbezirk Kassel-Stadt)
Felde, Karl (1867–1925; Kaufmann; Schmalkalden; Wahlbezirk Schmalkalden)
Fenner II., Johannes (1875–1957; Landwirt; Obergrenzebach; Wahlbezirk Ziegenhain)
Hammerstein, Adolf Freiherr von (1868–1939; Ministerial-Direktor a.D.; Wormsthal; Wahlbezirk Grafschaft Schaumburg)
Harnier, Dr. Eduard (1854–1936; Rechtsanwalt, Geheimer Justizrat; Kassel; Wahlbezirk Kassel-Stadt)
Hartwig, Fritz (1884–1962); Gutsbesitzer; Thalitter; Kreis Frankenberg
Hülbig, Fritz (1866–1934; Landwirt; Rotenburg an der Fulda; Wahlbezirk Rotenburg)
Keudell, Alexander von (1861–1939; Landrat a.D.; Schloss Wolfsbrunnen; Wahlbezirk Eschwege)
Kreiß, Karl (1866–1945; Bürodirektor; Kassel; Wahlbezirk Kassel-Stadt)
Küchenthal, Dr. Paul (geb. 1875; Studiendirektor; Gelnhausen; Wahlbezirk Gelnhausen)
Landgrebe, Christian (1876–1956; Mühlenbesitzer; Obervellmar; Wahlbezirk Kassel-Land)
Lind, Heinrich (1878–1941); Bürgermeister; Niederissigheim; Kreis Hanau-Land
Mink, Johannes (1868–1931); Landwirt; Wolfshausen; Kreis Marburg
Murawski, Fritz (1879–1935; Hafnermeister; Hanau; Wahlbezirk Hanau-Stadt)
Uslar, Adolf von (1877–1960); Landrat; Wolfhagen; Kreis Wolfhagen
Wissemann, D. Georg (1854–1925; Superintendent; Hofgeismar; Wahlbezirk Hofgeismar)
Wollenhaupt, Martin (geb. 1870); Katasterdirektor; Fritzlar; Kreis Fritzlar

Zentrum

Antoni, Dr. Georg (1862–1945; Oberbürgermeister; Fulda; Wahlbezirk Fulda)
Breitenbach, Konrad (1883–1960); Darlehnskassen-Rechner; Großenlüder; Kreis Fulda
Linker, Wilhelm (1868–1963); Bürgermeister; Neustadt; Kreis Kirchhain
Ludwig, Walter (1882–1945; Landrat; Hünfeld; Wahlbezirk Hünfeld)
Savigny, Dr. Karl von (1855–1928; Geh. Reg.-Rat; Hof Trages; Wahlbezirk Gelnhausen)
Steinbeck, Peter (1887–1945; Gewerkschafts-Sekretär; Fulda; Wahlbezirk Fulda)
Wehner, Josef (1856–1942); Kaufmann; Poppenhausen; Kreis Gersfeld

Demokraten

Appel, Karl Friedrich (1868–1935; ordentlicher Lyzeallehrer und Direktor der Musikakademie; Hanau; Wahlbezirk Hanau-Stadt)
Klingelhöfer, Heinrich (1860–1933); Mühlenbesitzer, Landwirt; Niederwetter (Aumühle); Kreis Marburg
Schroeder, Dr. Theodor (1860–1951); Präsident der Landesversicherungsanstalt Hessen-Nassau; Kassel; Kreis Kassel-Stadt
Seibert, Wilhelm (1871–1944; Rektor; Niederzwehren; Wahlbezirk Kassel-Land)
(LV)


  1. Verhandlungen des Kommunallandtags für den Regierungsbezirk Cassel, Bd. 53 (1925), Sp. 1 f.
  2. Ebd., Sp. 4.
Belege
Weiterführende Informationen
Empfohlene Zitierweise
„Eröffnung des 53. Kommunallandtages des Regierungsbezirks Kassel, 4. Mai 1925“, in: Zeitgeschichte in Hessen <https://www.lagis-hessen.de/de/subjects/idrec/sn/edb/id/5386> (Stand: 4.5.2023)
Ereignisse im April 1925 | Mai 1925 | Juni 1925
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