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Explosion eines Sprengkörpers in Hanauer Schule, 11. November 1964

Bei der Explosion eines Sprengkörpers auf dem Hof der Tümpelgartenschule in Hanau werden 55 Kinder zum Teil schwer verletzt.

Zuvor hatte der elfjährige Rudolf Pospiech auf dem Weg zur Schule ein goldfarbenes, etwa 75 Millimeter langes und 250 Gramm schweres Geschoss gefunden und mitgenommen. Am Ende der Unterrichtspause ließ er den Explosivkörper auf dem Schulhof fallen. Er und drei andere Kinder werden bei der Explosion der Patrone schwer verletzt. Rudolf gibt später an, er habe geglaubt, es handele sich um einen Feuerwerkskörper. Anfangs gehen die Schulleitung und die Behörden von insgesamt 49 verletzten Kindern aus. Diese Zahl erhöht sich jedoch später, nachdem auch scheinbar unverletzt gebliebene Kinder im Krankenhaus gründlich untersucht werden. In den folgenden Tagen werden schwere Vorwürfe gegen die US-Armee erhoben, nachdem diese den Diebstahl von Munition zunächst verschwieg, und am Tag nach dem Unglück erklärt, der Sprengkörper stamme nicht aus amerikanischen Beständen.

Wie genau das Munitionsstück auf den Schulweg von Rudolf Pospiech gelangt ist, bleibt zunächst im Dunkeln. Der Kriminalpolizei gelingt es schließlich nach einigen Tagen, zwei 14 und 15 Jahre alte Volksschüler zu ermitteln, die Anfang Oktober aus einem Munitionsdepot der US-Armee am Stadtrand von Hanau eine Kiste mit hochexplosiven Geschossen entwendet haben. Mit einer Zange rissen die Halbwüchsigen ein Loch in die Umzäunung des Munitionsdepots und nahmen eine Kiste mit Patronen an sich. Beim Spielen mit der Kiste fallen einige Geschosse heraus, die von den Jungen aufgesammelt werden. Im Anschluss an die Ermittlungen startet eine Suche nach Explosionskörpern, an der sich zwei Hundertschaften der Hessischen Bereitschaftspolizei, mehrere Sprengstoffspezialisten aus Dieburg und Kassel sowie Kriminalbeamte beteiligen.1

Am Freitag, den 27. November werden alle Hanauer Schulen und ein Kindergarten geschlossen, nachdem am vorhergehenden Donnerstagabend eine anonyme Drohung in der Wohnung des Hanauer Oberbürgermeisters Herbert Dröse (1908–1979; SPD) und in einer Zeitungsredaktion eingehen. Der Anrufer kündigt an, das am folgenden Tag „eine Hanauer Schule in die Luft fliegen“ werde. Für Hinweise, die zur Ergreifung des anonymen Anrufers führen, wird einen Belohnung in Höhe von 2.000 DM ausgesetzt. Im Nachgang des Explosionsunglücks ist dies nicht die einzige Drohung eines „Trittbrettfahrers“: im Dezember und Januar 1964/65 tauchen mehrere anonyme Schreiben auf. Bombendrohungen sorgen für Schulausfälle (so zum Beispiel am 2. Dezember 1964 in Steinheim am Main) und erhöhte Alarmbereitschaft der Behörden.
(KU)


  1. Alle bei der Explosion im November 1964 betroffenen Kinder erholen sich bis 1965 von ihren Verletzungen und werden Mitte März 1965 auf eine sechswöchige Erholungsreise geschickt. Ein Jahr später, im März 1966 erhalten die verletzten Kinder Schmerzensgelder zwischen 800 und 8.000 DM.
Belege
Empfohlene Zitierweise
„Explosion eines Sprengkörpers in Hanauer Schule, 11. November 1964“, in: Zeitgeschichte in Hessen <https://www.lagis-hessen.de/de/subjects/idrec/sn/edb/id/1196> (Stand: 26.11.2022)
Ereignisse im Oktober 1964 | November 1964 | Dezember 1964
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