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Zweite Ausstellung der Darmstädter Künstlerkolonie, 16. Juli 1904

Durch einen Vertrag mit dem Keramiker Jakob Julius Scharvogel (1854–1938) wird die von Großherzog Ernst Ludwig (1868–1937) angeregte „Großherzogliche Keramische Manufaktur“ in Darmstadt begründet. Sie erhält einen Neubau an der Stadtgrenze nach Eberstadt.

Jakob Julius Scharvogel, seit 1883 Fabrikingenieur und stellvertretender Direktor der Mosaikfabrik „Villeroy & Boch“ in Mettlach und ab 1885 Leiter der Vertriebszentrale des Unternehmens für Mitteldeutschland mit Sitz in Leipzig gründete 1898 die „Münchner Kunsttöpferei“ in der bayerischen Landeshauptstadt und produzierte mit Unterstützung einiger Jugendstil-Künstler aus dem Umfeld der ebenfalls in München ansässigen „Vereinigten Werkstätten für Kunst im Handwerk“ ein reiches Sortiment von Vasen, Krügen, Fliesen, Leuchten und Lampen. Eine Besonderheit war die von Scharvogel angewandte Technik, bei der mit Hilfe von Metalloxyden im sogenannten Scharffeuer-Verfahren die Töpferkunst eine besonders hochwertige und farbenprächtig glasierte Oberfläche erhielt. Dieses „Scharffeuer-Steinzeug“ wurde schnell unter dem Namen „Scharvogel-Steinzeug“ bekannt und fand bereits 1901 auch seinen Weg nach Darmstadt.

Bei der Eröffnungsausstellung der dortigen Künstlerkolonie auf der Mathildenhöhe waren Scharvogel-Produkte im Haus von Joseph Maria Olbrich (1867–1908) zu sehen, sowie in den von ihm erbauten Jugendstilvillen „Haus Glückert“ (von Julius Glückert) und „Haus Habich“ (von Ludwig Habich). Der zuvor für Scharvogel tätige Paul Haustein (1880–1944) wurde 1903/04 in die Künstlerkolonie berufen, entwickelte dort Möbel und Ausstattungen für die Künstler- und Ausstellungshäuser und brachte Objekte seines vormaligen Arbeitgebers ein. Damit war der „Fabrikant-Kunsttöpfereibesitzer“, wie sich Scharvogel selbst nannte, in Darmstadt zum Begriff, und Großherzog Ernst Ludwig erwog bald, den Wahlmünchner mit der Leitung einer neu zu gründenden Keramikmanufaktur zu betrauen. Scharvogel legte im April 1904 ein Unternehmenskonzept vor, in dem drei Produktionsschwerpunkte vorgesehen wurden: Gartenschmuck, Bau-Terracotta und Innendekorationen.

Die Großherzogliche Keramische Manufaktur nimmt im April 1906 den Betrieb auf und baut in der Folgezeit vor allem den Bereich der Kachel- und Fliesenproduktion aus, die vielfach auf positive Resonanz stoßen und bald einen Schwerpunkt des Angebots bilden. Allerdings erweist sich die Manufaktur nach einigen Jahren als wirtschaftlicher Misserfolg. Scharvogel verlässt daraufhin 1913 das Unternehmen „aus gesundheitlichen Gründen“. Versuche, unter neuer Leitung zu wirtschaftlichem Erfolg zu gelangen, scheitern. 1931 wird die „Großherzogliche Keramische Manufaktur“ geschlossen.
(KU)

Belege
  • Eckhart G. Franz (Hrsg.), Die Chronik Hessens, Dortmund 1991, S. 295
  • HeBIS Wolfgang Beeh (Hrsg.)/Brigitte Rechberg (Bearb.), Ein Dokument Deutscher Kunst: Darmstadt 1901–1971 [Mathildenhöhe, 22.10.1976-30.01.1977 / Ausstellungsgesellschaft „Ein Dokument Deutscher Kunst“], Teil 5: Die Stadt der Künstlerkolonie Darmstadt 1900–1914. Künstlerkolonie Mathildenhöhe 1899–1914. Die Buchkunst der Darmstädter Künstlerkolonie. Mathildenhöhe, Darmstadt 1976, S. 74 ff.
Weiterführende Informationen
Empfohlene Zitierweise
„Zweite Ausstellung der Darmstädter Künstlerkolonie, 16. Juli 1904“, in: Zeitgeschichte in Hessen <https://www.lagis-hessen.de/de/subjects/idrec/sn/edb/id/310> (Stand: 16.7.2023)
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