Landesgeschichtliches Informationssystem Hessen

Zeitgeschichte in Hessen - Daten · Fakten · Hintergründe

Verurteilung des Frankfurter Immobilienspekulanten Jürgen Schneider, 23. Dezember 1997

Der Frankfurter Immobilienspekulant Jürgen Schneider (geb. 1934), der durch die spektakuläre Pleite seines Unternehmens, betrügerisch erworbene Millionenkredite und sein monatelang erfolgreiches Untertauchen im Ausland für Aufsehen gesorgt hatte, wird vom Landgericht Frankfurt am Main wegen Betrugs und Kreditbetrugs zu sechs Jahren und neun Monaten Haft verurteilt. Schneider, der sich gegen Ende des Verfahrens geständig zeigte, darf das Weihnachtsfest jedoch zu Hause verbringen, nachdem das Landgericht den Haftbefehl aufgehoben hat.

Schneiders Immobilienkonzern war im April 1994 zusammengebrochen. Gegen ihn bestanden zum damaligen Zeitpunkt Forderungen in Höhe von insgesamt 6,7 Milliarden DM, davon allein 5,4 Milliarden DM Bankschulden. Damit ist Jürgen Schneider hauptverantwortlich für den bislang größten deutschen Immobilienskandal der Nachkriegszeit. Er selbst war mit seiner Frau Claudia Schneider-Granzow und einer unterschlagenen Summe von 245 Millionen DM kurz zuvor untergetaucht, die deutschen Ermittlungsbehörden verfolgten seine Spuren zunächst erfolglos in zahlreiche Länder. Schließlich war Schneider am 18. Mai 1995 in Florida verhaftet worden, wo er nach Ermittlungen der US-Justiz bereits seit acht Monaten lebte. Die amerikanischen Behörden lieferten den Immobilienspekulanten im Februar 1996 nach Deutschland aus. In der Urteilsbegründung stellt der Richter den Vaterkomplex des heute 63 Jahre alten Angeklagten und die daraus entspringende Gier nach Anerkennung den zahlreichen Manipulationen und Fälschungen bei den Kreditanträgen gegenüber. In seiner „Sammelleidenschaft“, die der Richter als „glaubhafte Obsession“ bewertet, habe der Immobilienkaufmanns historische Gebäude zu teuer gekauft, über das Maß hinaus aufwendig restauriert und zu schlechten Konditionen vermietet. Mit bemerkenswertem Geschick sei es ihm gelungen, seine Verhandlungspartner einzuwickeln und gezielt zu hintergehen. Die Verstrickungen Schneiders in betrügerische Geschäfte stehe als „Parabel auf unsere Gesellschaft“, „in der mehr Schein als Sein zähle“, und der allerdings mindestens genauso der „schier unglaubliche Leichtsinn und die Pflichtvergessenheit“ der Banken ins Auge falle, die Schneider die Türen eingerannt hätten.
(KU)

Belege
  • Frankfurter Allgemeine Zeitung, 24.12.1997, S. 41: Andächtiger Jürgen Schneider will nicht mehr als lächeln: „Stille Freude“ nach dem Urteil und der Haftentlassung am Tag vor Heiligabend / Wermutstropfen von Staatsanwaltschaft
  • Frankfurter Allgemeine Zeitung, 24.12.1997, S. 1: Sechs Jahre und neun Monate für Schneider Kritik des Gerichts an den Banken: Haftbefehl aufgehoben / „Ein durch und durch schlichter Mann“ / Urteil nach 41 Verhandlungstagen
Weiterführende Informationen
Hebis-Schlagwort
Schneider, Jürgen ; Immobilienmakler
Empfohlene Zitierweise
„Verurteilung des Frankfurter Immobilienspekulanten Jürgen Schneider, 23. Dezember 1997“, in: Zeitgeschichte in Hessen <https://www.lagis-hessen.de/de/subjects/idrec/sn/edb/id/2725> (Stand: 23.12.2021)
Ereignisse im November 1997 | Dezember 1997 | Januar 1998
Mo.Di.Mi.Do.Fr.Sa.So.Mo.Di.Mi.Do.Fr.Sa.So.Mo.Di.Mi.Do.Fr.Sa.So.Mo.Di.Mi.Do.Fr.Sa.So.Mo.Di.Mi.
1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31