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Landgericht Darmstadt weist Klage gegen Ausgliederung der EDV bei Opel zurück, 6. Mai 1986

Das Landgericht Darmstadt weist eine Klage der Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat der Adam Opel AG, Rüsselsheim zurück, die eine Beendigung bzw. Rückgängigmachung der Ausgliederung der Datenverarbeitung aus dem Unternehmen gefordert hatten. Hintergrund ist der auf Veranlassung von General Motors (GM) gefasste Vorstandsbeschluss, die gesamte Datenerfassung und -verarbeitung des Unternehmens Opel auf eine weitere, neu erworbene Tochtergesellschaft des amerikanischen Konzerns („Electronic Data Systems“ – EDS) zu übertragen.

Rationalisierungserfolg durch Ausgliederung

Der international tätige amerikanische Automobilbauer GM verspricht sich von der fortschreitenden, länderübergreifenden Vereinheitlichung der elektronischen Datenverarbeitung und den dadurch erzielten konzernweiten Synergieeffekten Rationalisierungserfolge in Höhe von 100 bis 200 Millionen Dollar jährlich. Das Landgericht sieht in der Ausgliederung keine Verletzung der Organzuständigkeiten des Aufsichtsrats und begründet sein Urteil (Nr. 14 0 328/85 vom 6. Mai 1986) sinngemäß mit der Ansicht, dass es sich bei der verhandelten unternehmenspolitischen Entscheidung um eine gewöhnliche Maßnahme der Geschäftsführung handele. Die Klage sei der Sache nach als zulässig, aber unbegründet abzuweisen.

Der kontrollierenden Überwachung durch den Aufsichtsrat entzogen

Besondere Brisanz erhält das Urteil angesichts der Tatsache, das die Arbeitgebervertreter insbesondere darauf hinweisen, dass eine sichere Kontrolle der in die EDV eingegebenen Informationen nicht mehr möglich ist, weil die im selbständigen Tochterunternehmen EDS mit diesen Daten befassten Personen weder gesellschaftsrechtlich noch arbeitsrechtlich gegenüber Opel weisungsgebunden sind.1 Der stellvertretende Opel-Aufsichtsratsvorsitzende und IG-Metall-Justitiar Michael Kittner kündigt daraufhin am 16. Mai 1986 in Frankfurt an, dass die Arbeitnehmervertreter im Opel-Aufsichtsrat weiter gerichtlich gegen die Ausgliederung vorgehen werden. Das Landgericht verkenne völlig die mit einer Übertragung der Datenverarbeitung in Verbindung stehenden technischen Sachzwänge, wenn es die Ausgliederung als eine Maßnahme betrachte, die die Verantwortlichkeit des Vorstandes nicht berühre. Kittner gibt sich überzeugt: „In Wirklichkeit werden mit der Ausgliederung dem Vorstand wesentliche Teile seiner Leistungsmacht entzogen. Genau dies wollen wir jedoch verhindern.“2

Anfang 1988 scheitert jedoch die erneute Klage der Arbeitgebervertreter vor dem Oberlandesgericht (OLG) in Frankfurt. Nach Ansicht des 24. Zivilsenats des OLG sei es nicht zulässig, dass einzelne Mitglieder des Aufsichtsrats einer Aktiengesellschaft einen Mehrheitsbeschluss des Aufsichtsrats nicht vor Gericht anfechten, sofern dieser Beschluss korrekt herbeigeführt worden ist. Schließlich weist 1989 auch der Bundesgerichtshof (BGH) als letzte Instanz die gegen das Urteil des OLG Frankfurt eingelegte Revision aufgrund fehlender Aktivlegitimation der klagenden Aufsichtsratsmitglieder ab. Das Überwachungsrecht, dessen Beeinträchtigung von der „Arbeitgeberbank“ des Opel-Aufsichtsrats als Rechtsverletzung eingebracht werde, stehe nicht einzelnen Aufsichtsratsmitgliedern sondern nur dem Aufsichtsrat insgesamt als Kollegialorgan zu.3
(KU)


  1. Vgl. Stefan Rothweiler, Der Informationsfluss vom beherrschten zum herrschenden Unternehmen im Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht, S. 87 f., Anm. 318.
  2. Frankfurter Allgemeine Zeitung, 17.5.1986, S. 16.
  3. Vgl. Thomas Raab, Negatorischer Rechtsschutz des Betriebsrats gegen mitbestimmungswidrige Maßnahmen des Arbeitgebers, S. 138 f.
Belege
Empfohlene Zitierweise
„Landgericht Darmstadt weist Klage gegen Ausgliederung der EDV bei Opel zurück, 6. Mai 1986“, in: Zeitgeschichte in Hessen <https://www.lagis-hessen.de/de/subjects/idrec/sn/edb/id/4816> (Stand: 3.7.2020)
Ereignisse im April 1986 | Mai 1986 | Juni 1986
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