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Einweihung des neuen Empfangsgebäudes auf dem Flughafen Gießen-Wieseck, 27. September 1927

Auf dem Flughafen Gießen wird das von der städtischen Luftverkehrs A.G. Oberhessen-Lahngau in Auftrag gegebene Empfangsgebäude feierlich eingeweiht. Damit erhält der bereits 1925 erbaute Gießener Zivilflughafen zwei Jahre nach seiner Eröffnung ein modernes Terminal, das unter seinem Dach neben der Flughafenverwaltung und der Flugverkehrsleitung auch die Polizeiflugwache und Schlafplätze für Passagiere vereinigt. Als besondere Attraktion wird bereits bei der Planung des zweistöckigen Gebäudes im Erdgeschoss ein Restaurant-Café berücksichtigt, das sich sowohl bei Fluggästen als auch bei dem Personal der Fluggesellschaften großer Beliebtheit erfreut, und bis zum 1. Mai 1934 von der Flughafen-Aktiengesellschaft Oberhessen-Lahngau (kurz: „Oblag“, ein 1925 ins Leben gerufenes gemeinschaftliches Projekt der Stadt Gießen und der Provinz Oberhessen) betrieben wird. Anschließend übernimmt das Ehepaar Pfeil den Café- und Restaurantbetrieb und ergänzt das bislang auf Kaffee und Kuchen ausgerichtete Angebot um warme Speisen. Das gastronomische Angebot findet derart guten Anklang, dass sich 1935 angesichts der Winterschließung des Cafés die den Flughafen frequentierenden Piloten bei der „Oblag“ beschweren und die Eheleute Pfeil fortan auch in der Wintermonaten ihr Lokal für den Publikumsverkehr öffnen.1 Am 27. November 1935 veranlasst die Bauleitung Gießen die sofortige Schließung des Flughafencafés. Der zivile Flugbetrieb wird gegen Ende des Jahres völlig eingestellt und ab 1. Januar 1936 ist es Zivilpersonen streng verboten, den mittlerweile zur militärischen Anlage umfunktionierten Flughafen zu betreten. Bis Kriegsende dient der Flughafen und seine Gebäude als Heimathorst für Teile des 1938 aufgestellten Kampfgeschwaders 55 der Luftwaffe, das mit Kampfeinsätzen unter anderem am Westfeldzug und an der Luftschlacht um England teilnimmt. Nach Kriegsende beherbergt der Bau die Leitstelle des am 15. Juni 1945 in Gießen eingerichteten 56th Quartermaster (QM) Base Depot und damit eine „Speerspitze“ der logistischen Versorgung der amerikanischen Streitkräfte. Noch bis in die 1990er Jahre hinein wird das ehemalige Empfangsgebäude von der amerikanischen Militärpolizei genutzt.

Das im Bauhaus-Stil der 1920er Jahre errichtete Empfangsgebäude steht erhöht auf einem terrassenartigen Sockel, der bis 1935 als Café-Terrasse genutzt wird. Ausgesprochen modern und funktional konzipiert, setzt sich der Baukörper aus mehreren isolierten, kubischen Elementen zusammen, was ihm eine klare Gliederung verleiht. Eine lang gezogene, frontal platzierte und auf die Mittelachse des Empfangsgebäudes ausgerichtete Freitreppe führt zum Rollfeld.
Das ehemalige Empfangsgebäude und Restaurant des Verkehrslandeplatzes in Gießen-Wieseck steht heute unter Denkmalschutz nach dem Hessischen Denkmalschutzgesetz und ist in der auf Basis dieses Gesetzes erstellten Hessischen Denkmalliste des Landesamtes für Denkmalpflege Hessen unter der Nummer 61816 als Kulturdenkmal ausgewiesen. Das Gebäude ist heute aufgrund des baulichen Zustand nicht zugänglich und liegt innerhalb des zur Zeit noch umsperrten Geländes des ehemaligen US-Depots Gießen, dessen nicht mehr genutzte Teile von der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (BIMA) verwaltet werden.
(KU)


  1. Vgl. Giessener-Allgemeine.de, Artikel vom 1.8.2011: Als Gießen an die „Spitze der Luftfahrt“ wollte (Stand: 20.6.2012)
Belege
Weiterführende Informationen
Empfohlene Zitierweise
„Einweihung des neuen Empfangsgebäudes auf dem Flughafen Gießen-Wieseck, 27. September 1927“, in: Zeitgeschichte in Hessen <https://www.lagis-hessen.de/de/subjects/idrec/sn/edb/id/4511> (Stand: 27.9.2021)
Ereignisse im August 1927 | September 1927 | Oktober 1927
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