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Freispruch für pazifistischen Arzt in Frankfurt, 20. Oktober 1989

Das Landgericht in Frankfurt am Main spricht den Arzt Peter Augst, der am 31. August 1984 bei einer Podiumsdiskussion zur Aufstellung atomarer Waffensysteme in Europa (sogenannte Nachrüstungsdebatte aufgrund des Doppelbeschlusses der NATO vom 12. Dezember 1979) in der Frankfurter Friedrich-Ebert-Schule gegenüber einem anwesenden Jugendoffizier die Ansicht geäußert hatte, jeder Soldat sei ein „potentieller Mörder“1 endgültig vom Vorwurf der Beleidigung frei. Vorangegangen waren mehrere Revisionsverhandlungen.

Augst hatte sich in seiner Eigenschaft als Vertreter des Vereins IPPNW Deutschland (Internationale Ärzte für die Verhütung des Atomkrieges, Ärzte in sozialer Verantwortung e. V., deutsche Sektion der Organisation International Physicians for the Prevention of Nuclear War) geäußert. Der angesprochene Jugendoffizier der Bundeswehr und das Bundesverteidigungsministerium stellten auf Augst Aussage hin Strafantrag wegen Beleidigung und Volksverhetzung.

Die Aussage „Soldaten sind Mörder“ findet sich in einer Glosse, die der deutsche Schriftsteller Kurt Tucholsky (1890–1935) 1931 in der Zeitschrift „Die Weltbühne“ veröffentlichte. 1932 wurde daraufhin der verantwortliche Redakteur der Zeitschrift, Carl von Ossietzky (1889–1938), wegen „Beleidigung der Reichswehr“ angeklagt, jedoch mit der Begründung, dass mit dem weithin als Verunglimpfung verstandenen Passus keine konkreten Personen gemeint gewesen seien und eine unbestimmte Gesamtheit nicht beleidigt werden könne, freigesprochen.2
(KU)


  1. „Jeder Soldat ist ein potentieller Mörder – auch Sie, Herr W[itt]. Bei der Bundeswehr gibt es einen Drill zum Morden über 15 Monate lang, besonders in den ersten drei Monaten.“
  2. „Das Gericht hat die Überzeugung gewonnen, daß in dem Artikel keine bestimmte Anzahl von Personen gemeint wäre und es hat auch nicht feststellen können, daß gerade die Angehörigen der Reichswehr, die am Weltkrieg teilgenommen haben, gemeint seien.“ Vgl. Morgenausgabe des Berliner Tageblattes, vom 2. Juli 1932. Carl von Ossietzky verbüsste allerdings unabhängig von dieser Anklage wegen „Verrats militärischer Geheimnisse“ zum Zeitpunkt seiner Verhandlung eine 18-monatige Freiheitsstrafe.
Belege
Weiterführende Informationen
Empfohlene Zitierweise
„Freispruch für pazifistischen Arzt in Frankfurt, 20. Oktober 1989“, in: Zeitgeschichte in Hessen <https://www.lagis-hessen.de/de/subjects/idrec/sn/edb/id/1569> (Stand: 20.10.2022)
Ereignisse im September 1989 | Oktober 1989 | November 1989
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