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Weitgehendes Berufsverbot für jüdische Richter, Anwälte und Notare in Preußen, 31. März 1933

Der am 27. März 1933 zum kommissarischen preußischen Justizminister ernannte Hanns Kerrl (1887–1941) erlässt eine Anordnung, mit der die beruflich in der Rechtspflege tätigen Personen jüdischer Abstammung zum größten Teil aus ihren Positionen entfernt werden. Dies betrifft die staatlich angestellten jüdischen Richter, denen nahezulegen sei „sofort ihr Urlaubsgesuch einzureichen“, jüdische Rechtsanwälte und die Kommissorien jüdischer Assessoren, jüdische Staatsanwälte und Beamte im Strafvollzug. Jüdische Schöffen und Geschworene seien ab sofort nicht mehr einzuberufen. Mit den Anwaltskammern und -vereinen ist der Anordnung zufolge unverzüglich zu vereinbaren, dass ab dem folgenden Tag, den 1. April, nur noch eine geringe Zahl bestimmter jüdischer Rechtsanwälte „in einer Verhältniszahl, die dem Verhältnis der jüdischen Bevölkerung zur sonstigen Bevölkerung entspricht“ weiterhin die Erlaubnis erhalten, ihre Tätigkeit auszuüben. Die Anordnung wird am Abend des 31. März mit einem Funkspruch an alle preußischen Oberlandesgerichtspräsidenten, Generalstaatsanwälte und Präsidenten der Strafvollzugsämter übermittelt.

Mit der Anordnung, die mit einer Rundverfügung vom 4. April wenige Tage später auch den Landgerichtspräsidenten und Oberstaatsanwälten zugeht und „bis auf weiteres in Kraft bleibt“, sowie weiteren Verfügungen die in den ersten Apriltagen unter anderem die Amtstätigkeit jüdischer Notare einschränkt, besteht praktisch ein weitgehendes Berufsverbot für die im Bereich der Justiz beschäftigten Juden. Die von Kerrl erlassenen Verfügungen haben weitreichende Konsequenzen, mit denen auf einen Schlag das Rechtswesen in Preußen von einem Großteil der bisher im Bereich der Rechtspflege und Rechtsprechung arbeitenden Staatsbürger jüdischer Abstammung „gesäubert“ wird. Die praktischen Auswirkungen dieses Vorgehens, dass praktisch zur selben Zeit auch in Bayern durchgeführt wird, sind gravierend. So ist wenig später zum Beispiel an den Gerichten in der mittelhessischen Universitätsstadt Marburg, wo bisher vier jüdische Notare zugelassen waren, nur noch ein jüdischer Rechtsanwalt zugelassen.
(OV/KU)

Belege
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Empfohlene Zitierweise
„Weitgehendes Berufsverbot für jüdische Richter, Anwälte und Notare in Preußen, 31. März 1933“, in: Zeitgeschichte in Hessen <https://www.lagis-hessen.de/de/subjects/idrec/sn/edb/id/1676> (Stand: 27.11.2022)
Ereignisse im Februar 1933 | März 1933 | April 1933
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