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Zweiter Internationaler Kongress zur Bekämpfung des Mädchenhandels in Frankfurt, 7. - 10. Oktober 1902

In Frankfurt am Main findet der 2. Internationale Kongress zur Bekämpfung des Mädchenhandels statt. Veranstalter ist das 1899 gegründete „Deutsche National-Komitee zur Bekämpfung des Mädchenhandels“, ein vielschichtig zusammengesetztes Interessenbündnis, dem neben Mitgliedern konfessioneller Sittlichkeitsvereine (zum Beispiel der Internationalen Abolitionistischen Förderation1) auch Repräsentanten der Regierung und der Polizei angehören. Hauptthema der Verhandlungen sind die von Regierungsvertretern im Juli 1902 formulierten Leitlinien zur Vereinheitlichung von polizeilichen Maßnahmen und Strafbestimmungen zwischen den an der Bekämpfung des Mädchenhandels interessierten Ländern.2 Der Umstand, das die unter kaiserlicher Schirmherrschaft durchgeführte Zusammenkunft nur auf die Reglementierung der Folgen des Mädchenhandels und der Prostitution abzielt, keineswegs aber die Ursachen dieser Probleme thematisiert, erregt das Missfallen zahlreicher teilnehmender Aktivistinnen der Frauenbewegung, die am Ende des Kongresses den Versuch starten, durch ein Amendement der in Paris getroffenen Konvention indirekt ein Verbot des Betriebs von Bordellen zu erwirken. Dieser Vorstoß wird jedoch von den anwesenden Regierungsvertretern mit dem Argument zurückgewiesen, eine solche Ergänzung sei überflüssig und die Pariser Konvention ohnehin nicht mehr zu ändern.3 Insgesamt 44 Frankfurter Frauenrechtlerinnen beteiligen sich an den Diskussionen der Tagung. Da die Veranstaltung sich unmittelbar an die 5. Generalversammlung des Bundes deutscher Frauenvereine in Wiesbaden anschließt, entschließen sich zahlreiche auswärtige Frauenrechtlerinnen ihren mit der Wiesbadener Versammlung verbundenen Aufenthalt zu verlängern, und den Verhandlungen des Mädchenhandel-Kongresses zu folgen.
(KU)


  1. Die Internationale Abolitionistische Föderation (IAF; franz. Fédération abolitionniste internationale, FAI; engl. International Abolitionist Federation, IAF) wurde 1875 als organisationale Basis der von England ausgehenden Bewegung zur Abschaffung der staatlichen Aufsicht über die Prostitution ins Leben gerufen. 1904 erfolgte die Gründung eines deutschen Zweig der IAF, der in seinen Anfangsjahren von den Frauenrechtlerinnen Anna Pappritz (1861–1939) und Katharina Scheven (1861–1922) geleitet wurde. Scheven und Pappritz gaben auch das Organ des deutschen Zweiges der IAF, den „Abolitionist“ heraus. Vgl. Wikipedia: Anna Pappritz (eingesehen am 4.10.2012).
  2. Auf Einladung des französischen Außenministers Théophile Delcassé waren im Juli 1902 Vertreter interessierter Regierungen zu einer Konferenz in Paris zusammengekommen. Delegationen aus 15 europäischen Staaten sowie aus Brasilien erarbeiteten innerhalb von zehn Tagen drei Empfehlungen für gesetzgeberische und verwaltungstechnische Maßnahmen, die sie an ihre Staatsführungen adressierten. Zu ihren Forderungen zählte dass für eine wirksame Bekämpfung des Mädchenhandels die Unterschiedlichkeit der nationalen Strafgesetzgebungen beseitigt und international angeglichen werden sollte. Vgl. Jürgen Nautz, Frauenhandel in Österreich 1918–1938 (Projektbericht) (eingesehen am 4.10.2012).
  3. Vgl. Christina Klausmann, Politik und Kultur der Frauenbewegung im Kaiserreich, S. 155.
Belege
Weiterführende Informationen
  • Deutsches National-Komitee zur Bekämpfung des Mädchenhandels (hrsg. Körperschaft): Bericht über den II. internationalen Kongress zur Bekämpfung des Mädchenhandels zu Frankfurt am Main am 8. und 9. Oktober 1902, Berlin 1903.
Hebis-Schlagwort
Frankfurt ; Frauenbewegung ; Frauenbildung ; Frauenpolitik ; Feministin
Empfohlene Zitierweise
„Zweiter Internationaler Kongress zur Bekämpfung des Mädchenhandels in Frankfurt, 7. - 10. Oktober 1902“, in: Zeitgeschichte in Hessen <https://www.lagis-hessen.de/de/subjects/idrec/sn/edb/id/3055> (Stand: 21.3.2022)
Ereignisse im September 1902 | Oktober 1902 | November 1902
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