Landesgeschichtliches Informationssystem Hessen

Zeitgeschichte in Hessen - Daten · Fakten · Hintergründe

Landtagswahlen in Hessen, 8. November 1970

Bei den Landtagswahlen erleidet die hessische SPD deutliche Einbußen. Ihr Stimmenanteil geht von 51,01 % auf 45,9 % zurück. In dem durch ein Wahlgesetzänderung von 96 auf 110 Mitglieder erweiterten Hessischen Landtag erhält sie 53 Mandate. Die CDU gewinnt stark und erreicht 39,7 % der Stimmen (1966: 26,35 %) und damit 46 Mandate. Die FDP, die sich auf Bundesebene mit der SPD unter Willy Brandt (1913–1992) in einer Koalition befindet, kann ihren Stimmenanteil halten. Die NDP, die 1966 noch 7,94 % der Stimmen erhalten hatte, verliert fast fünf Prozentpunkte und kommt nicht mehr in den Landtag. Damit sind erstmals seit bestehen des Landes Hessen nicht mehr vier, sondern nur noch drei Fraktionen im Landtag vertreten.1 Die erstmals zur Wahl angetretene DKP erhält 1,2 % der Stimmen.
Die Wahlbeteiligung lag bei 82,2 %.

Wahlanalyse2

Wahlbeteiligung

Die fünf Wahlkreise mit den niedrigsten Wahlbeteiligungen (33, 34, 35, 36 und 39) mit Werten zwischen 73,3 % und 76 % liegen bei dieser Wahl alle auf dem Gebiet der Stadt Frankfurt am Main. Die höchste Wahlbeteiligung erreicht mit 90,4 % der Wahlkreis 2/Kassel-Land.

Auf Ebene der Wahlbezirke werden die niedrigsten Werte in Ober-Moos (Kreis Lauterbach, 52,8 %), Breungeshain (Kreis Büdingen, 54,7 %) und Stumpertenrod (Kreis Alsfeld, 55,1 %) erzielt, während in den Gemeinden Herchenrode (Landkreis Darmstadt) und Malkes (Kreis Fulda) jeder Wahlberechtigte eine Stimme abgibt.

Wahlergebnis der SPD

Ihre höchsten Ergebnisse erzielen die Sozialdemokraten wie gewohnt im Raum Kassel, so erhält die SPD in den Wahlkreisen 2/Kassel-Land und 5/Kassel, Stadt-Ost mit 63,3 und 56,9 % ihre Bestwerte. In den beide Kassler Stadt-Wahlkreisen zusammen liegt das Ergebnis immerhin bei 50,9 %, was das beste Großstadtergebnis der Partei darstellt. Ihren niedrigsten Anteil auf Wahlkreisebene erreicht sie dagegen, wie schon bei vergangenen Landtagswahlen, in dem als CDU-Hochburg bekannten Wahlkreis 14/Fulda, Stadt und Fulda-Land-Nord mit 27,8 %.

Am besten schneidet die Partei in Markershausen (Kreis Eschwege, 94,6 %), Raubach (Kreis Erbach, 85,1 %) und Kehrenbach (Kreis Melsungen, 84 %) ab. In zwei Wahlbezirken kann sie keine einzige Stimme erzielen: In Ellnrode (Kreis Frankenberg) und Stedebach (Kreis Marburg).

Wahlergebnis der CDU

Die CDU erreicht auch bei dieser Wahl ihren höchsten Wert in ihrer traditionellen Hochburg dem Wahlkreis 14/Fulda, Stadt und Fulda-Land-Nord mit 65,3 %, wo sie im Vergleich zur letzten Wahl 7,8 Prozentpunkte zulegen kann. Ihr zweitbester Wert liegt mit 54,9 % im Wahlkreis 22/Limburg deutlich darunter. Die schlechtesten Ergebnisse erzielt die Partei dagegen in den SPD-Hochburgen Kassel-Land (Wahlkreis 2) und Kassel, Stadt-Ost (Wahlkreis 5) mit 26,2 und 28,6 %.

Bestes Ergebnis für die Christdemokraten auf Ebene der Wahlbezirke sind 100 % in der Gemeinde Stedebach (Kreis Marburg), wo alle zwanzig Wählerinnen und Wähler der Partei ihre Stimme geben.

Tiefstwerte erzielen sie dagegen in zwei Gemeinden des Kreises Eschwege: Markershausen (5,4 %) und Rodebach (6,3 %). Auf Ebene der Großstädte schneiden die Christdemokraten in Frankfurt am Main am besten ab, wo sie mit 39,7 % exakt ihr Landesergebnis erreichen.

Wahlergebnis der FDP

Höchstwerte können die Freien Demokraten durchgehend in den Großstädten verbuchen, so liegen vier ihrer fünf erfolgreichsten Wahlkreise auf Frankfurter Stadtgebiet (34, 36, 38 und 39, Werte zwischen 19,1 und 16,5 %) und unter ihren zehn erfolgreichsten liegen beide Darmstädter Wahlkreise (49 und 50, 15,3 und 16 %) sowie der Westen Kassels (Wahlkreis 4, 15,2 %). Tiefstwerte erzielen sie dagegen in den CDU-Hochburgen Limburg (Wahlkreis 22) und Fulda (Wahlkreis 14, Stadt und Norden des Landkreises) mit 4,6 und 4,8 %.

Bestwerte auf Gemeindeebene erzielt die Partei wie gewohnt im Kreis Frankenberg, dort erreichen sie fünf ihrer zehn besten Ergebnisse. Bestmarke sind dabei 58,2 % in Kirchlotheim. Ebenfalls über die Hälfte aller gültigen Stimmen können sie in Neuswarts (Kreis Fulda) mit 56,8 % erzielen. Auf der Gegenseite stehen 66 Gemeinden ohne einen einzigen FDP-Wähler. Davon liegen allein 18 im Kreis Fulda und 13 im Kreis Hünfeld.

Wahlergebnis der NPD

Die NPD verlor bei dieser Wahl, ebenso wie bei den Landtagswahlen in Hamburg und Niedersachsen im Sommer dieses Jahres deutlich. Nur im Wahlkreis 21/Alsfeld und Gießen-Land-Ost erreicht sie mit einem Wert von 6,4 mehr als 5 % der Stimmen. Allein in diesem Wahlkreis beträgt der Stimmenverlust 5,6 Prozentpunkte. Am schlechtesten schneidet die Partei im der SPD-Hochburg Kassel-Land mit 1,4 % ab.

Auf Gemeindeebene kann sie in Algenroth (Untertaunuskreis, 45,9 %), Leimbach (41,7 %) und Gungelshausen (beide Kreis Ziegenhain, 39,1 %) beachtliche Bestmarken erreichen. Dagegen erhält sie in 81 Gemeinden keine einzige Stimme, darunter allein 13 im Kreis Fulda.

Sonstige bemerkenswerte Ergebnisse

Die DKP erreicht in der früheren KPD-Hochburg Ueberau (Kreis Dieburg, 1950: 42,1 %) stattliche 22,1 %.

Gewählte Abgeordnete

SPD

Croll, Willi (1924–2018; Oberinspektor; Hofgeismar; Wahlkreis 1: Hofgeismar und Wolfhagen; 55,5 %)

Franke, August (1920–1997; Landrat; Haldorf; Wahlkreis 9: Fritzlar-Homberg; 54,2 %)

Hemfler, Karl (1915–1995; Staatsminister; Eschwege; Wahlkreis 7: Eschwege und Rotenburg-Ost; 56,3 %)

Koch, Wilhelm (1922–1977; Gewerkschaftssekretär; Kassel; Wahlkreis 5: Kassel-Stadt-Ost; 56,9 %)

Krollmann, Hans (1929–2016; Staatssekretär; Kassel; Wahlkreis 4: Kassel-Stadt-West; 44,4 %)

Neusel, Hans (1914–1999; Bürgermeister; Obervellmar; Wahlkreis 2: Kassel-Land; 63,3 %)

Platte, Ludwig (1914–1975; Verwaltungsangestellter; Treysa; Wahlkreis 10: Frankenberg und Ziegenhain; 44,2 %)

Stöckl, Radko (1924–1984; Oberstudiendirektor; Melsungen; Wahlkreis 6: Melsungen und Witzenhausen; 55,3 %)

Weber, Hans-Otto (1926–2014; Oberschulrat; Korbach; Wahlkreis 3: Waldeck; 43,4 %)3

Zerbe, Edwin (1916–1992; Landrat; Bad Hersfeld; Wahlkreis 8: Hersfeld und Rotenburg West; 53,2 %)

CDU

Böhm, Wilfried (geb. 1934; Dipl.-Volkswirt; Melsungen; Landesliste, Platz 18)4

Lengemann, Jochen (geb. 1938; Richter; Kassel; Landesliste, Platz 31)5

Lucas, Dr. Rudolf (1916–1980; Oberregierungsrat; Kassel; Landesliste, Platz 9)6

Meister, Dietrich (1927–2014; Zollobersekretär; Schwebda; Landesliste, Platz 39)7

Runtsch, Wilhelm (1921–1977; Oberregierungsrat; Gießen; Landesliste, Platz 32)8

von Zworowsky, Wolfgang (1924–2015; Oberschulrat; Korbach; Landesliste, Platz 12)9

FDP

Brans, Dr. Werner (1929–2007; Oberstudienrat; Wetzlar; Landesliste, Platz 5)10

Dockhorn, Otto (1921–2004; Lehrer; Kassel; Landesliste, Platz 8)11

Kohl, Heinrich (1912–1984; Landrat; Frankenberg; Landesliste, Platz 2)12

Krüger, Ulrich (1942–2016; Architekt; Bad Homburg vor der Höhe; Landesliste, Platz 6)13

Stein, Hermann (1919–1995; Geschäftsführer; Gießen-Kleinlinden; Landesliste: Platz 3)14
(OV)


  1. SPD, CDU und FDP (1946 als LDP) waren bis zu dieser Wahl immer im Landtag vertreten. Vierte Partei im Landtag war 1946–1950 die KPD, 1950–1966 der GB/BHE (1966 als GDP) und 1966–1970 die NPD.
  2. Erarbeitet auf Grundlage von Informationen des Hessischen Statistischen Landesamtes.
  3. Weber legte sein Mandat am 28. Februar 1974 nieder. Für ihn rückte Ernst Schmadel (geb. 1938; Lehrer; Korbach) nach.
  4. Böhm hatte im Wahlkreis 6/Melsungen und Witzenhausen kandidiert und war dort Radko Stöckl (SPD) unterlegen.
  5. Lengemann hatte im Wahlkreis 5/Kassel-Stadt-Ost kandidiert und war dort Wilhelm Koch (SPD) unterlegen.
  6. Lucas hatte im Wahlkreis 4/Kassel-Stadt-West kandidiert und war dort Hans Krollmann (SPD) unterlegen.
  7. Meister hatte im Wahlkreis 7/Eschwege und Rotenburg-Ost kandidiert und war dort Karl Hemfler (SPD) unterlegen.
  8. Runtsch hatte im Wahlkreis 19/Gießen-Stadt kandidiert und war dort Dr. Vera Rüdiger (SPD) unterlegen.
  9. Von Zworowsky hatte im Wahlkreis 3/Waldeck kandidiert und war dort Hans-Otto Weber (SPD) unterlegen.
  10. Brans hatte im Wahlkreis 17/Wetzlar-Nord kandidiert und dort 11,2 % der Stimmen erlangt. Das Mandat ging an Dr. Werner Best (SPD).
  11. Dockhorn hatte im Wahlkreis 4/Kassel-Stadt-West kandidiert und dort 15,3 % der Stimmen geholt. Das Mandat ging an Hans Krollmann (SPD). Er legte sein Mandat am 25. Januar 1973 nieder. Für ihn rückte am 29. Januar 1973 Heinz-Walter Kleinschmidt (geb. 1943; Student; Hofgeismar; Landesliste, Platz 13) nach.
  12. Kohl hatte im Wahlkreis 10/Frankenberg und Ziegenhain kandidiert und dort 11,9 % der Stimmen geholt. Das Mandat ging an Ludwig Platte (SPD). Er legte sein Mandat am 17. Dezember 1970 nieder, nachdem er zum Staatssekretär im hessischen Innenministerium ernannt worden war. Für ihn rückte Otto Wilke (geb. 1937; Elektromeister; Adorf/Kreis Waldeck; Landesliste, Platz 12) nach.
  13. Krüger hatte im Wahlkreis 18/Oberlahnkreis und Wetzlar-Süd kandidiert und dort 8,9 % der Stimmen erlangt. Das Mandat ging an Jürgen Klocksin (SPD).
  14. Stein hatte im Wahlkreis 19/Gießen-Stadt kandidiert und dort 14,5 % der Stimmen erlangt. Das Mandat ging an Dr. Vera Rüdiger (SPD).
Belege
Weiterführende Informationen
Empfohlene Zitierweise
„Landtagswahlen in Hessen, 8. November 1970“, in: Zeitgeschichte in Hessen <https://www.lagis-hessen.de/de/subjects/idrec/sn/edb/id/1288> (Stand: 8.11.2022)
Ereignisse im Oktober 1970 | November 1970 | Dezember 1970
So.Mo.Di.Mi.Do.Fr.Sa.So.Mo.Di.Mi.Do.Fr.Sa.So.Mo.Di.Mi.Do.Fr.Sa.So.Mo.Di.Mi.Do.Fr.Sa.So.Mo.
1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30