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Einweihung der neuen Synagoge in Bad Nauheim, 3. Oktober 1929

Die neue Synagoge in der Karlstraße in Bad Nauheim wird feierlich eingeweiht. Die geschmückten Thorarollen werden in einer feierlichen Prozession in die Synagoge getragen.

Nach dem Willen der israelitischen Gemeinde (die im Jahr des Machtantritts der Nationalsozialisten 1933 noch 300 Mitglieder zählt) und des ausführenden Architekten entstand das Gebäude im Stil der „Neuen Sachlichkeit“ (Bauhausstil) „ohne falschen Schmuck, ohne zwecklose Form“ und in formaler „Echtheit und Sachlichkeit“. Dabei galt ein besonderes Augenmerk der deutlichen optischen Unterscheidung zu den zahlreichen protestantischen Kirchen in der Umgebung, indem man auf unterbrochene Fensterreihen verzichtete. Der Grundstein für die neuerbaute Synagoge wurde vor genau einem Jahr, am 3. Oktober 1928 gelegt. Mit dem neuen Gebäude trägt die Gemeinde ihrer in den 1920er Jahren wachsenden Mitgliederzahl und nicht zuletzt dem Umstand Rechnung, dass Bad Nauheim sich als Kurstadt bei orthodoxen Juden aus ganz Europa großer Beliebtheit erfreut.1 Vor Ausbruch des Ersten Weltkrieges verwirklichte man vor diesem Hintergrund bereits die Einrichtung einer jüdischen Kinderheilstätte und mehrerer israelitischer Männer- und Frauenkurheime.

Das neue jüdische Gotteshaus in Bad Nauheim, das einen nahe gelegenen Vorgängerbau (ebenfalls in der Karlstraße) ablöst, ist eine der letzten Synagogen in Deutschland, die vor der nationalsozialistischen Machtübernahme und dem Holocaust errichtet wird. Sie übersteht die Reichspogromnacht und wird im Frühjahr 1939 an die Stadt Bad Nauheim verkauft. Während des Krieges nutzt man sie zweckentfremdet als Depotgebäude.

Nach Kriegsende wird die Synagoge mit Mitteln der Stadt als jüdisches Gotteshaus wiederhergestellt. Bereits am 27. April 1945 findet in ihr erstmals seit 1938 ein Gottesdienst statt. Bad Nauheim ist zu diesem Zeitpunkt erneut Aufenthalts- und Wohnort von zeitweise bis zu tausend jüdischen Personen die aus den Kreisen der amerikanischen Besatzungssoldaten, der Displaced Persons (vor allem Zwangsarbeiter aus Osteuropa) und KZ-Überlebenden stammen.2
(OV/KU)


  1. Der Bau der neuen Synagoge wurde durch die großzügige finanzielle Unterstützung eines jüdischen Kurgastes aus München, Albert Kaufmann, gefördert. Er stellte ein zinsloses Darlehen in Höhe von 40.000 Goldmark zur Verfügung.
  2. Stephan Kolb, Die Synagoge / Jüdische Gemeinde Bad Nauheim: Synagoge der Jüdischen Gemeinde Bad Nauheim (offizielle Homepage) (eingesehen am 3.10.2013).
Belege
Weiterführende Informationen
Empfohlene Zitierweise
„Einweihung der neuen Synagoge in Bad Nauheim, 3. Oktober 1929“, in: Zeitgeschichte in Hessen <https://www.lagis-hessen.de/de/subjects/idrec/sn/edb/id/3615> (Stand: 3.10.2022)
Ereignisse im September 1929 | Oktober 1929 | November 1929
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