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Scheitern des Volksbegehrens „Briefwahl auch in Hessen“, 16. Oktober 1966

Das Volksbegehren „Briefwahl auch in Hessen“ scheitert. Hessen bleibt damit vorerst das einzige Bundesland, das die Briefwahl nur bei Wahlen zum Deutschen Bundestag kennt.

Unbeeindruckt von dem Umstand, das sich bereits alle anderen Bundesländer dafür entschieden haben, ihren Bürgern im Falle der Abwesenheit am Wahltag die briefliche Abstimmung auch bei der Landtagswahl zu gestatten, hatte die hessische SPD das Verfahren im Sommer bereits zum neunten Mal abgelehnt, da die Partei den Standpunkt vertritt, dass das Wahlgeheimnis bei der Briefwahl nicht gesichert sei. Stattdessen solle jeder Wähler der am Tag der Wahl zum sechsten Hessischen Landtag am 6. November verhindert ist, Gebrauch von der bereits zur vorangegangenen Landtagswahl 1962 (per Wahlgesetz vom 12. Juli 1962) eingeführten „Vorauswahl“ machen, mit der bereits 21 Tage vor dem eigentlichen Wahltermin in einem der 2.687 Vorauswahllokale die Stimme für die Landtagswahl hinterlegt werden kann.

An der Abstimmung zum Volksbegehren beteiligten sich gerade einmal 6,9 Prozent der wahlberechtigten Bürgerinnen und Bürger. Damit liegt die Beteiligung an dem Volksbegehren fast auf selber Höhe wie der prozentuale Anteil der hessischen Briefwähler bei der Wahl zum deutschen Bundestag im vorangegangenen Jahr (6,7 Prozent). Die Eintragungslisten waren während der festgesetzten Eintragungsfristen vom 3. bis zum 16. Oktober 1966 zu den üblichen Dienstzeiten der Amtsstellen sowie zusätzlich an besonders festgesetzten Stunden an Samstagen und Sonntagen zur Eintragung bereitgehalten worden.1 Während der laufenden Abstimmungsfrist warben prominente Bürger Hessens für die von den bürgerlichen Parteien geforderte Zulassung der Briefwahl, unter ihnen der ehemalige Staatssekretär im Auswärtigen Amt und erste Vorsitzende der Kommission der europäischen Wirtschaftsgemeinschaft Walter Hallstein (1901–1982).

Nach Mitteilung des hessischen Innenministeriums vom 19. Oktober haben sich insgesamt 237.446 Befürworter der Briefwahl in den 48 hessischen Stadt- und Landkreisen in die Listen eingetragen. Für einen Erfolg des Volksbegehrens wären jedoch die Unterschriften von mindestens 690.263 Bürgern oder 20 Prozent der Wahlberechtigten der Landtagswahl 1962 erforderlich gewesen.

Bereits im Januar 1966 hatte die hessische CDU eine Unterschriftensammlung gestartet, mit der der Volksentscheid über die Briefwahl in Hessen erreicht werden sollte.2

Eine nicht in Verbindung mit der Bundestagswahl stehende, „inner-hessische“ Briefwahl wird schließlich erstmals bei der Volksabstimmung zur Herabsetzung des Wahlalters am 8. März 1970 durchgeführt.
(KU)


  1. Entsprechend den Bestimmungen des Gesetzes über Volksbegehren und Volksentscheid vom 16. Mai 1950.
  2. Vgl. Frankfurter Allgemeine Zeitung, 13.1.1966, S. 11: Zweimal Volksentscheid.
Belege
Weiterführende Informationen
Empfohlene Zitierweise
„Scheitern des Volksbegehrens „Briefwahl auch in Hessen“, 16. Oktober 1966“, in: Zeitgeschichte in Hessen <https://www.lagis-hessen.de/de/subjects/idrec/sn/edb/id/1224> (Stand: 26.11.2022)
Ereignisse im September 1966 | Oktober 1966 | November 1966
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