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Fertigstellung des Lehrateliers auf der Darmstädter Mathildenhöhe, 1. Januar 1907

Auf der Mathildenhöhe in der Haupt- und Residenzstadt Darmstadt werden mit dem heutigen Tag die von Großherzog Ernst Ludwig (1868–1937) initiierten „Lehr-Ateliers für angewandte Kunst“ (die spätere Werkkunstschule) der 1899 gegründeten Künstlerkolonie in Betrieb genommen.

Ein wichtiger Aspekt der Einrichtung der Lehr-Ateliers ist der häufige Wechsel der auf der Mathildenhöhe ansässigen Künstler. Mit Ausnahme des österreichischen Designers und Architekten Joseph Maria Olbrich (1867–1908) verlassen alle Bewohner die Künstlerkolonie nach relativ kurzer Zeit wegen attraktiverer Angebote oder wegen Unstimmigkeiten mit Mäzenaten und Gruppenmitgliedern.

Aus diesem Grund werden seit dem Vorjahr vornehmlich Mitglieder mit Lehrerfahrung in die Künstlerkolonie aufgenommen. Sie sollen in den neu eingerichteten Lehr-Ateliers „ihre Schüler und Schülerinnen unter Berücksichtigung ihrer Veranlagung und ihrer Ziele [...]“ heranbilden „zu selbständigem Schaffen im Gebiet der angewandten Kunst und der Plastik“.1

Vier neue Mitglieder der Kolonie, Albin Müller (1871–1941), Friedrich Wilhelm Kleukens (1878–1956), Ernst Riegel (1871–1939) und Heinrich Jobst (1874–1943), unterrichten in den Hauptfächern Raumkunst und Möbelbau, Flächenkunst, Klein- bzw. Edelmetallkunst und Plastik. Dazu kommen das Zeichnen und das Modellieren nach dem lebenden Modell als sogenannte „Hilfsfächer“.2 Einer der an den Lehr-Ateliers während der Jahre ihres Bestehens als Lehrer tätigen Künstler ist auch der deutsche Maler und spätere Darmstädter Stadtverordnete und NS-Kunstpolitiker Adolf Beyer (1869–1953).

Nicht alle Künstler sind mit dem Lehrmodell einverstanden

Joseph Maria Olbrich lässt sich jedoch unter dem Vorwand einer zu großen Arbeitsbelastung von der Beteiligung am Lehrbetrieb freistellen. Er steht dem Projekt des verschulten Unterrichtsbetriebs mit starrem Lehrplan kritisch gegenüber und sieht allein in der bisher praktizierten, auf den Einzelnen eingehenden Atelierarbeit einen Weg, „den Charakter seiner Schüler zu bilden, ihr soziales Verantwortungsbewusstsein zu wecken und sie ‚für das Leben stark und nützlich‘ zu machen“.3

1908 beteiligen sich die Lehr-Ateliers für angewandte Kunst mit einem eigenen Raum an der Hessischen Landesausstellung für Freie und Angewandte Kunst auf der Mathildenhöhe (23. Mai bis Ende Oktober 1908). 1910 sinkt die Zahl der Schülerinnen und Schüler so deutlich, dass die Lehr-Ateliers im Frühjahr 1911 geschlossen werden.
(KU)


  1. Deutsche Kunst und Dekoration Bd. 19, Oktober 1906-März 1907, S. 379.
  2. Vgl. ebd., S. 379 f.
  3. Hochschule Darmstadt Fachbereich Gestaltung, Industrie-Design & Kommunikations-Design (Homepage): Fachbereich: Geschichte und Profil, URL: http://www.fbg.h-da.de/fachbereich/ (eingesehen am 21.5.2016).
Belege
Weiterführende Informationen
Empfohlene Zitierweise
„Fertigstellung des Lehrateliers auf der Darmstädter Mathildenhöhe, 1. Januar 1907“, in: Zeitgeschichte in Hessen <https://www.lagis-hessen.de/de/subjects/idrec/sn/edb/id/345> (Stand: 1.1.2023)
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