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Probleme der Lebensmittelversorgung im Regierungsbezirk Wiesbaden, 26. Januar 1917

Nach dem Bericht des Regierungspräsidenten in Wiesbaden bestehen im Berichtszeitraum große Versorgungsprobleme vor allem bei Milch und Fetten sowie bei Kartoffeln, während sich die Versorgung mit Brotgetreide, Mehl und Fleisch etwas verbessert hat:

Die Versorgung der Bevölkerung mit Brotgetreide und Mehl zu festen billigen Preisen ist in Stadt und Land dank der vorsorglichen, vortrefflichen Maßnahmen der Reichsgetreidestelle zur allgemeinen Zufriedenheit gesichert.
Auch die Fleischversorgung scheint nach Überwindung der vielen Schwierigkeiten mit Beginn des Jahres 1917 in ein ruhigeres Fahrwasser hineingesteuert zu sein. Der Anteil des einzelnen ist zwar knapp, er ist aber da. Auch hat die öffentliche Bewirtschaftung des Fleisches, und die Reichsfleischkarte in allen Kreisen der Bevölkerung die Überzeugung hineingetragen, wie die Staatsregierung alles daran zu setzen sich bemüht, um einer gerechten Verteilung der Lebensmittel die Bahn frei zu machen. Die Stimmung hat sich gerade auf diesem Gebiete seit dem Frühjahr ganz erheblich gebessert.
Auf kaum zu überwindende Hindernisse stößt die gleichmäßige Versorgung der Bevölkerung mit den im Regierungsbezirk sehr knapp vorhandenen Mengen an Milch und Fett. Die hier zur praktischen Lösung gestellte Aufgabe ist unendlich schwierig geworden. Indessen fängt man in den großen Städten wenigstens an, auch auf diesem Gebiete anzuerkennen, daß die Behörden den guten Willen haben, aus dem Lande an Milch und Butter alles herauszuholen, was nur irgend möglich ist. Größere Städte – wie Frankfurt a.M. – haben auch begonnen, sich durch Einstellen zahlreicher Milchkühe selbst zu helfen. Der Aufruf zur freiwilligen Abgabe von Speck und Schmalz zugunsten der Arbeiter der Rüstungsindustrie hat allenthalben ein erfreuliches Echo gefunden. Die Spenden tragen dazu bei. die Fettnot bei den Leuten, die sie zur Zeit am wenigsten spüren sollten, einigermaßen zu lindern.
Ein Unglücksstern scheint dagegen über der Kartoffelversorgung zu schweben. Ihre Behandlung durch die Reichskartoffelstelle hatte, nachdem aus den harten Lehren, welche Winter und Frühjahr 1916 gebracht, die Erfahrungen gezogen und verwertet waren, im Spätsommer 1916 gerade angefangen etwas Zutrauen zu finden, als die schlechte Ernte des Herbstes den Zweiflern wiederum die Bahn freigab. Zur Zeit bemühe ich mich, allenthalben Verständnis für den bitteren Zwang einer Sparsamkeit im Kartoffelverbrauch zu erwecken, wie eine solche, soweit ich mich erinnern kann, noch niemals da war, und gleichzeitig das Saatgut unbedingt sicherstellen zu lassen.

(OV)

Belege
Weiterführende Informationen
Empfohlene Zitierweise
„Probleme der Lebensmittelversorgung im Regierungsbezirk Wiesbaden, 26. Januar 1917“, in: Zeitgeschichte in Hessen <https://www.lagis-hessen.de/de/subjects/idrec/sn/edb/id/3141> (Stand: 26.1.2022)
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