Zeitgeschichte in Hessen - Daten · Fakten · Hintergründe

Bericht des Wiesbadener Regierungspräsidenten über die Stimmung in der Bevölkerung, 26. Januar 1917

Der Regierungspräsident in Wiesbaden beschreibt in seinem vierteljährlichen Zeitungsbericht an den Kaiser die Stimmung der Bevölkerung, die er als „etwas gedrückt“ bezeichnet, obwohl nach wie vor ein „felsenfestes Vertrauen zur Obersten Heeresleitung“ bestehe. Trotz großer Friedenssehnsucht wolle man nur einen Frieden, „der den Opfern an Gut und Blut“ entspreche, zumal der Gedanke lebe, dass Deutschland unbesiegbar sei:

Die Stimmung der Bevölkerung ist naturgemäß infolge der langen Kriegsdauer allmählich eine etwas gedrückte geworden. Die vielen Opfer, die der Kampf aus den Reihen der Bezirkseingesessenen seither schon gefordert hat, die Knappheit der Lebensmittel und die in der letzten Zeit stattgefundenen vermehrten Einberufungen, insbesondere der ältesten Jahrgänge, haben hierzu das ihrige beigetragen. Wenngleich nun auch die immerhin geringe Zahl der Schwarzseher, die ein Erlahmen der deutschen Widerstandskraft voraussehen zu müssen glaubt, nicht abnimmt, so darf doch anerkannt werden, daß die Allgemeinheit in felsenfestem Vertrauen zur Obersten Heeresleitung und zu Heer und Flotte der Zukunft ernst, aber ruhig entgegensieht. Demgemäß steht auch die Bevölkerung treu zu Kaiser und Reich. Nirgends sind politische Strömungen beobachtet worden, die auf das Gegenteil schließen lassen. Wohl ist die Friedenssehnsucht in allen Bevölkerungsschichten groß, aber trotzdem überwiegt das Verständnis dafür, daß nur ein guter Friede für uns in Frage kommen kann, der den Opfern an Gut und Blut entspricht. Bis in die untersten Schichten hinein lebt der Gedanke, daß Deutschland unbesiegbar ist.
(OV)