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Der hessische Ministerpräsident Osswald übergibt das Landesentwicklungsprogramm „Hessen '80“ an die Öffentlichkeit, 24. Juni 1970

Der Landesentwicklungsplan „Hessen '80“ wird in Wiesbaden vom amtierenden hessischen Ministerpräsidenten Albert Osswald (1919–1996; SPD) an die Öffentlichkeit übergeben. Durch das Planungswerk werden staatlich gelenkte Investitionen, Raumordnungsmaßnahmen und vorrangige gesellschaftspolitische Aufgaben in Hessen unmittelbar miteinander verknüpft.

Der Landesentwicklungsplan „Hessen '80“ soll die systematische Investitionsplanung des 1963 vorgestellten und 1965 in Kraft getretenen „Großen Hessenplans“ fortführen, in Teilen aber auch weit darüber hinausgehen. Gegenüber dem „Großen Hessenplan“ zeichnet sich das von Osswald aufgelegte Nachfolgeprogramm insbesondere durch die konsequente Integration der vorher voneinander getrennten Investitions- und Finanzplanung einerseits, und der Raumordnungs- und Landesplanung andererseits aus. Erstere obliegt bislang der Hessischen Staatskanzlei, letztere dem Hessischen Innenministerium.

Die organisatorische und methodische Zusammenfassung dieser Planungselemente im Sinne einer wirtschaftspolitischen „Globalsteuerung“ wird von der Landesregierung als Voraussetzung zur Schaffung einer integrierten Entwicklungsplanung gesehen, die zusätzlich mit übergeordneten Zielvorgaben zur Beeinflussung des gesellschaftlichen Entwicklungsprozesses verkoppelt wird (Bovermann, Landesentwicklungsplanung in Hessen, S. 345 f.). Die Reichweite der Vorausplanung des neuen Landesentwicklungsplans wird gegenüber dem „Großen Hessenplan“ beträchtlich erweitert (vgl. Bovermann, Landesentwicklungsplanung in Hessen, S. 347). Ministerpräsident Osswald hat dazu vor dem Hessischen Landtag erklärt, dass die hessische Landesregierung eine „ganz moderne Planung praktizieren“ wolle, die „nicht starr und ein für allemal festgelegt, sondern flexibel“ sei, und daher „immer wieder Korrekturen und Abstimmungen“ zulasse (zitiert nach Chronik Hessens, S. 463).

Der Entwurf des Landesentwicklungsplans „Hessen 80“ war von der hessischen Landesregierung am Mittwoch, den 10. Juni 1970, in Darmstadt abschließend beraten worden. Die Gliederung des Programms umfasst einen Gesamtzeitraum von 16 Jahren, der in vierjährige Durchführungsabschnitte unterteilt wird. Die präsentierte Entwicklungsplanung benennt in globalem Rahmen die von der Landesregierung prognostizierten Sozial-, Kultur- und Verkehrsinvestitionen für die fünf Regionen des Landes und versteht sich in erster Linie als Absichtserklärung . Die Landesregierung verzichtet bewusst darauf, mehr als eine planerische Grundsatzvereinbarung für die kommenden 16 Jahre vorzuformulieren, um sich einen größtmöglichen Bewegungsspielraum zu bewahren (Frankfurter Allgemeine Zeitung, 25.6.1970, S. 4). Osswald signalisierte ausdrücklich die Bereitschaft, den Plan in der Öffentlichkeit mit allen Bürgerinnen und Bürgern sowie den betroffenen Planungsträgern zu diskutieren. (Frankfurter Allgemeine Zeitung, 11.6.1970, S. 29)

Tatsächlich wird der „neue“ „Große Hessenplan“ besonders in den Magistraten der neun hessischen Großstädte sehr kritisch gesehen. Insbesondere die gegenüber dem aus der Ära Zinn stammenden Planungswerk wesentlich ausgeweitete Festlegung zukünftiger öffentlicher Ausgaben des Landes Hessen gibt den Großstädten Anlass zur Sorge, dass die von der neuen Planungsinitiative ausgehende Investitionslenkung zu einer Ungleichgewichtung von Städten und Landkreisen und zur vermehrten Blockade größerer Finanzaufgaben und Großprojekte in den Ballungsgebieten, insbesondere im Rhein-Main-Gebiet führen könne (Frankfurter Allgemeine Zeitung, 19.6.1970, S. 47).

Der 1950 in seinen Grundideen entworfene und ab 1951 konkretisierte und umgesetzte „Hessenplan“ war ein vom ehemaligen hessischen Ministerpräsidenten Georg August Zinn (1901–1976; SPD) ins Leben gerufenes Entwicklungsprogramm für die Bereiche Bildung, Wirtschaft, Verkehr, Wohnen, Soziales und Kultur, das in besonderer Weise von der breiten Mitarbeit und Eigeninitiative der hessischen Bürger lebte. Der Erfolg des ersten Hessenplans, dessen Startschuss mit Zinns Regierungserklärung vom 10. Januar 1951 gefallen war, führte 1965 zu einer Neuauflage unter der Bezeichnung „Großer Hessenplan“. Der „Große Hessenplan“ setzt den Schwerpunkt besonders auf den Ausbau der Infrastruktur im ländlichen Raum.

Der hessische Ministerpräsident beabsichtigt, andere Bundesländer mit „Hessen '80“ zu einem vergleichbaren Vorgehen zu ermuntern. Der modernisierte und in wichtigen Punkten stark erweiterte Landesentwicklungsplan könnte seiner Auffassung nach dazu dienen, das Modell des „kooperativen Föderalismus“ der Länder und des Bundes zu verwirklichen. 1971 erstellt der Verwaltungsexperte und Volljurist Reinhart Wettmann im Auftrag der Bundesregierung ein Gutachten, dass die Übertragbarkeit des Konzepts der integrierten Landesentwicklung auf die reform- und entwicklungspolitischen Bemühungen des Bundes überprüft (DER SPIEGEL 38/1971, S. 65).
(KU)

Belege
Weiterführende Informationen
Empfohlene Zitierweise
„Der hessische Ministerpräsident Osswald übergibt das Landesentwicklungsprogramm „Hessen '80“ an die Öffentlichkeit, 24. Juni 1970“, in: Zeitgeschichte in Hessen <https://www.lagis-hessen.de/de/subjects/idrec/sn/edb/id/202> (Stand: 26.11.2022)
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