Hessische Quellen zum Ersten Weltkrieg

Inhalt

↑ Percy Graf von Bernstorff, Zeitungsberichte des Regierungspräsidenten in Kassel an den Kaiser, 1917-1918

Abschnitt 2: Bericht vom 25. Januar 1917 (2)

◀ [950-951] Zunächst galt es, die Folgen etwa eintretender Arbeitslosigkeit zu mildem, durch Gründung von Kreditanstalten und dergl. Zum Glück war die Besorgnis unbegründet. Die Fabriken Kassels (Lokomotiv-, Waggonbau, Herstellung von Segeltuchfabrikaten), die Tuchfabriken Hersfelds, die Kleineisenindustrie des Kreises Schmalkalden erhielten bald so große Kriegsaufträge, daß sie noch mehr Arbeiter, insbesondere auch Frauen einstellen konnten. Nur die Arbeiter der Gold- [und] Silberwarenverfertigung und der Juwelenindustrie in Hanau waren nicht so leicht anderweitig unterzubringen; ein Teil fand in der Pulverfabrik bei Hanau Beschäftigung. Mit dem fortschreitenden Einziehen zum Heeresdienst ist auch hier von einer Arbeitslosigkeit kaum mehr die Rede. [S. 951]

Da der Bezirk von den Kriegsoperationen weit entfernt lag, wurde er mehrfach ausersehen, abgeschobene Ausländer und Flüchtlinge aus den Grenzprovinzen aufzunehmen. So waren in den ersten zehn Tagen nach Eintritt der Mobilmachung etwa 8-10.000 Italiener aus dem Rheinland zu beherbergen, die nach wenigen Tagen in ihre Heimat befördert werden konnten. Bald darauf wurden etwa 15.000 Einwohner der Stadt Metz hierher gewiesen, die annähernd zwei Monate, bis Mitte Oktober, blieben. Ihnen folgten Mitte November etwa 12.000 junge, wehrpflichtige Schlesier, die allerdings nur längstens drei Wochen zu beherbergen waren. Alle diese Leute wurden von den Landräten und Magistraten der größeren Städte mit Umsicht untergebracht und von der Bevölkerung willig aufgenommen, obgleich sie in der Mehrzahl nach sehr kurzer Anmeldung, zum Teil ganz plötzlich ankamen. Freilich bei längerer Dauer wurden auch stellenweise Klagen über das Verhalten der Flüchtlinge laut. ▶