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Räumung des Edertals für die Talsperre beginnt, Sommer 1908

Im Sommer 1909 wird den Bericher Landwirten, die noch nicht außerhalb ihres angestammten und inmitten der zur Überflutung freigegebenen Fläche des Edertals liegenden Heimatdorfes ansässig geworden sind, von der Fürstlichen Domänenkammer Waldeck eine Übersiedlung in die waldeckische bei Arolsen gelegene Domäne Büllinghausen vorgeschlagen. Der Ankauf der Domäne wird am 15. März 1910 beschlossen und für einen Preis von 245.000 Mark vollzogen. Aufgeteilt wird das Siedlungsgebiet in 17 Besitzungen unterschiedlicher Größe, die sich zwischen 5-70 Morgen belaufen. Die Anlegung der neuen Ortschaften erfolgt zügig, wie das Beispiel Neu-Berich, das innerhalb von neun Monate fertiggestellt wird, zeigt.1 Die verlassenen Häuser werden zunächst für die Unterbringung der mitunter aus dem Ausland kommenden Arbeiter der Talsperre genutzt, die Felder von Alt-Berich noch zwei Jahre nach dem Umzug der Bericher Bewohner von diesen bestellt.2 Diejenigen Dorfbewohner, die in den neu angelegten Ortschaften keine Möglichkeit der Ansiedlung finden, weichen auf andere Ortschaften aus, die sich teilweise in weiterer Entfernung befinden.3

Die Errichtungsarbeiten für die Dörfer Neu-Bringhausen und Neu-Asel am Seeufer beginnen in den Jahren 1912/1913.4 Die Planung dieser neuen Ortschaften erfolgt unter Aspekten des Heimatschutzes: Die Dörfer sollten nicht nur ihrem äußeren Erscheinungsbild nach, sondern sich auch strukturell in ihrem Grundriss an den bestehenden regional vorherrschenden Dorftypen orientieren. Zudem wird versucht, eine lockere und offen wirkende Bebauung umzusetzen, die man durch vorgelagerte Gärten oder geschwungene Straßenlinien zu erreichen anstrebt. Ein harmonisches Gesamtbild der Dorfanlage und die Verschmelzung des Dorfes mit der umgebenden Landschaft treten als planungsleitende Komponenten hervor.5 Die ersten Ansiedlungen an den ausgewählten Orten erfolgt im Sommer 1908.6 Dabei wird versucht, Baubestandteile der alten Häuser zu erhalten und in die neuen Dörfer und dortig neu angelegten Bauten zu transferieren. Dies hat nicht nur wirtschaftliche Aspekte, verbindet sich doch durch die Integration des Baumaterials aus den zur Sprengung und Flutung der Vernichtung preisgegebenen Lebens- und Arbeitsstätten, nun über das Material der Häuser in den Neubauten die Vertraute mit einer neuen Lebensumgebung.7 Teilweise werden verkaufte Häuser auch in anderen Ortschaften der Umgebung wieder aufgebaut, wie die Schule von Asel in Ober-Werbe.8 Die Ruhestätten der Toten werden ebenfalls an zwei Orten sichtbar: Neben der Umbettung der alten Gräber und der Versiegelung dieser auf den alten Friedhofsplätzen mit an einigen wasserarmen Tagen nach der Überflutung zum Vorschein kommenden Betonplatten, erfolgen die ersten Neuanlegungen 1908 direkt an den neuen Siedlungsplätzen, auf einem neuen Friedhofsareal.9 Die Verabschiedungen der Dorfbewohner von ihren Heimatorten- und der vertrauten Landschaft finden in den einzelnen Ortschaften Ostern 1913 mit Gottesdiensten und Abschiedsfesten statt.10
(FW)


  1. Vgl. Völker, Talsperre, S. 17.
  2. Vgl. Schreff, Berich, S. 17.
  3. Vgl. Münch, Bringhausen, S. 11.
  4. Vgl. Jakobi, Heimatschutz in Waldeck, S. 88; Völker, Talsperre, S. 20.
  5. Vgl. Jakobi, Heimatschutz in Waldeck, S. 91-96.
  6. Vgl. Völkel, Talsperre, S. 16.
  7. Vgl. Schäfer/Kienert, 850 Jahre Vöhl, S. 130; Schreff, Berich, S. 19; Münch, Bringhausen, S. 79.
  8. Vgl. Schreff, Berich, S. 17; Augustin, Jubiläum 75 Jahre Edersee, S. 21.
  9. Vgl. Münch, Bringhausen, S. 78; Schäfer/Kienert, 850 Jahre Vöhl, S. 130; Frankfurter Allgemeine Zeitung, vom 28.11.1953, S. 14, Versunkene Dörfer in Sicht; Henning, Edertal, S. 19.
  10. Vgl. beispielsweise Münch, Bringhausen, S. 37; Augustin, Jubiläum 75 Jahre Edersee, S. 34f.
Belege
Empfohlene Zitierweise
„Räumung des Edertals für die Talsperre beginnt, Sommer 1908“, in: Zeitgeschichte in Hessen <https://www.lagis-hessen.de/de/subjects/idrec/sn/edb/id/5235> (Stand: 27.11.2022)
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