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Ausrufung der Rheinischen Republik im französisch besetzten Rheinland, 1. Juni 1919

Der ehemalige Düsseldorfer Staatsanwalt und Hauptmann der Reserve Dr. Adam Dorten (1880–1963) ruft in Wiesbaden eine unabhängige Rheinische Republik innerhalb des Deutschen Reichs aus, die neben der preußischen Rheinprovinz auch Rheinhessen, Alt-Nassau, Birkenfeld und die bayerische Rheinpfalz einschließen soll. Unterstützt wird das Vorhaben, mit dem eine Loslösung nicht nur vom Deutschen Reich, sondern insbesondere auch von Preußen verwirklicht werden soll, von der französischen Besatzungsmacht. Die Proklamation eines unabhängigen Rheinlandes wird in den von der Gründung betroffenen, französisch besetzten Landesteilen durch Plakate mit der Überschrift „An das rheinische Volk!“ bekanntgemacht. Die in Wiesbaden ansässigen Mitglieder fast aller demokratischen Parteien sprechen sich gegen die von Dorten beabsichtigten Pläne aus. Eine Ausnahme bilden jedoch zahlreiche Anhänger der Zentrumspartei, bei denen die Bildung einer von Preußen unabhängigen Rheinrepublik Zustimmung findet. Bereits im November 1918, zeitlich unmittelbar zusammenfallend mit dem zwischen dem Deutschen Reich und den beiden Westmächten Frankreich und Großbritannien vereinbarten Waffenstillstand von Compiègne und der Ausrufung der Republik in Berlin, begann die „Kölnische Volkszeitung“ als Sprachrohr der katholischen Zentrumspartei, eine öffentliche Kampagne für die Gründung einer Rheinischen Republik als teilautonomen Gliedstaat des Reiches gestartet. Ein wichtiger Beweggrund für das Interesse an einer Loslösung ist dabei der Gedanke, durch die Gründung einer weitgehend unabhängigen Rheinrepublik der möglichen Annexion des Rheinlandes durch Frankreich zuvorkommen zu können.1 Gleichzeitig besteht jedoch auch Furcht vor einer preußischen Oberherrschaft unter möglicherweise bald sozialistischer Führung. Diese Angst wird durch die seit der Zeit des Kulturkampfes bestehenden antipreußischen Ressentiments („Los von Berlin!“) verstärkt.

In den auf die Proklamation folgenden Tagen finden mehrere Treffen zu Verhandlungen mit dem französischen Oberadministrateur im Bezirk Wiesbaden, Oberst Pineau, statt, der sowohl Politiker und Verwaltungsbeamte des regierungstreuen Lagers als auch Vertreter aus den Reihen der Separatisten empfängt. Der von Dorten und seinen Mitstreitern angeführte Putschversuch scheitert nach nur vier Tagen kläglich, da sich in den rheinischen Städten eine von breiten Teilen der Bevölkerung getragene Streikbewegung formiert (Generalstreik in Wiesbaden und Mainz am 2. Juni 1919). Adam Dorten und seine Anhänger können sich mit französischer Unterstützung am 4. Juni noch Zugang zum Regierungsgebäude in Wiesbaden verschaffen, müssen die ihnen zugewiesenen Räume jedoch bereits am selben Tag wieder räumen.
(KU)


  1. Ein weiterführender und von Dorten als Legitimation seines Putschversuches angeführter Gedanke ist dabei, dass das autonome Rheinland als „Friedensrepublik“ der Versöhnung zwischen Deutschland und Frankreich dienen soll. Vgl. Erwin Bischof, Rheinischer Separatismus 1918–1924: Hans Adam Dortens Rheinstaatbestrebungen, Bern 1969, S. 63; Marius Munz, „Wiesbaden est boche, et le restera.“ Die alliierte Besetzung Wiesbadens nach dem Ersten Weltkrieg 1918–1930, Norderstedt 2014, S. 108.
Belege
Weiterführende Informationen
Hebis-Klassifikation
261081, Besatzungstruppe
Empfohlene Zitierweise
„Ausrufung der Rheinischen Republik im französisch besetzten Rheinland, 1. Juni 1919“, in: Zeitgeschichte in Hessen <https://www.lagis-hessen.de/de/subjects/idrec/sn/edb/id/511> (Stand: 1.6.2022)
Ereignisse im Mai 1919 | Juni 1919 | Juli 1919
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