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Zeitgeschichte in Hessen - Daten · Fakten · Hintergründe

Gründung des politisch-unitaristischen „Luther-Bundes“ in Berlin, 6. Januar 1928

In Berlin wird der eine politisch-unitaristische Verfassungs- und Verwaltungsreform zur Stärkung der Reichsgewalt und eine Neugliederung des Reichsgebiets anstrebende „Bund zur Erneuerung des Reiches“ („Luther-Bund“) gegründet. Erster Vorsitzender und Namenspatron der überparteilichen Vereinigung ist der ehemalige, 1925 bis 1926 amtierende Reichskanzler Hans Luther (1879–1962).1

Unter dem Dach des Bundes engagiert sich ein breites Spektrum von Politikern aller bürgerlicher Parteien (DDP, Zentrum, DVP und SPD) sowie parteilose Konservative, Fachleute aus Verwaltung und Wirtschaft, Wissenschaftler und Publizisten. Insbesondere nationalliberale Parteigänger der DVP, aber auch groß- und schwerindustrielle Kreise üben bestimmenden Einfluss auf die Arbeit des Bundes aus.
Der Luther-Bund entfaltet im Vorfeld des Zusammentritts des Verfassungsausschusses der Länderkonferenz im Oktober 1928 eine lebhafte publizistische Tätigkeit.

Ziel: Territorial- und Verfassungsreform zur Stärkung der Reichsgewalt

In einer 1928 erschienenen Denkschrift2 konkretisieren seine Mitglieder ihre Vorstellungen einer Reichsreform, die die territoriale Neugliederung der Länder, die Beseitigung des Dualismus Deutsches Reich – Preußen sowie eine Revision des durch die Weimarer Verfassung etablierten Verhältnisses zwischen Reich und Ländern zum Inhalt hat: neben die unangetastet fortbestehenden süddeutschen Länder Bayern, Baden, Württemberg und Sachsen soll ein in Provinzen unterteiltes „norddeutsches Kernland“ treten, das aus einem Zusammenschluss Preussens mit den Ländern nördlich des Mains hervorgeht. Unter den so gebildeten neuen Territorien befindet sich nach den Vorstellung der Anhänger des Bundes auch ein Zusammenschluss von Hessen-Nassau mit dem Darmstädter Volksstaat als von einem Oberpräsidenten geführte „Reichsland-Provinz“ (vgl. dazu auch die am 18. Januar 1929 von der Frankfurter Zeitung veröffentlichten Vorschläge des hessisch-darmstädtischen Innenministers Wilhelm Leuschner (1890–1944)). Im weiteren macht sich der Bund insbesondere für die Senkung der Staatsausgaben und – im Zuge der angestrebten Rationalisierung des Reichsaufbaus – eine Erweiterung der (autoritären) Macht des Reichspräsidenten stark.

Als Nachfolger Hans Luthers treten von März 1930 bis Herbst 1931 Siegfried Graf von Roedern (1870–1954; parteilos, ab 1935 NSDAP) und anschließend der amtierte Reichswehrminister Otto Geßler (1875–1955; DDP) an die Spitze des Bundes.
(KU)


  1. Hans Luther wird fast 25 Jahre später auch den Vorsitz des 1952 von der Bundesregierung eingesetzten „Sachverständigen-Ausschusses für die Neugliederung des Bundesgebietes“ übernehmen, der sich in einem Gutachten mit der Neugliederung der Ländergrenzen nach den Erfordernissen des Grundgesetz-Artikels 29, Abs. (1) befasst. Die am 2. September 1955 zunächst den Vertretern der Bundesregierung vorgelegte Denkschrift wird später unter dem Titel „Die Neugliederung des Bundesgebietes“ veröffentlicht.
  2. Bund zur Erneuerung des Reiches (hrsg. Körperschaft): Reich und Länder: Vorschläge, Begründungen, Gesetzentwürfe, Berlin 1928.
Belege
Weiterführende Informationen
Empfohlene Zitierweise
„Gründung des politisch-unitaristischen „Luther-Bundes“ in Berlin, 6. Januar 1928“, in: Zeitgeschichte in Hessen <https://www.lagis-hessen.de/de/subjects/idrec/sn/edb/id/4814> (Stand: 6.1.2022)
Ereignisse im Dezember 1927 | Januar 1928 | Februar 1928
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