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Grabdenkmäler

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Johann Scherff 1577, Büdingen-Großendorf

Büdingen-Großendorf · Gem. Büdingen · Wetteraukreis | Historisches Ortslexikon
Standort | Merkmale | Beschreibung | Inschrift | Nachweise | Zitierweise
Standort

Standort:

Büdingen-Großendorf

Heutiger Aufbewahrungsort:

Büdingen, Schloßmuseum [Stand 1972].

Der Stein war mit sichtbarer Schriftseite in die Umfassungsmauer des Friedhofs zu Büdingen-Großendorf nordöstlich der Remigius-Kirche eingelassen und wurde 1964 von den Eheleuten Azzola der Mauer entnommen.

Merkmale

Datierung:

31. März 1577

Typ:

Grab-Scheibenkreuzstein

Material:

roter Sandstein

Erhaltung:

erhalten

Größe:

35.5 x 41 cm (B x H)

Beschreibung

Beschreibung:

Weitere Maße: Dicke 11,5; Scheibendurchmesser 35; Dicke der Scheibe 1,9; Reliefdicke des Kreuzes 0,9; Kreuz: Längsbalken 34,5 lang und 3,4 breit; Querbalken 34 lang und 3,4 breit; Spitzfläche links oben 6,5 lang; Zweispitz rechts oben 6,5 lang; Spitzfläche links unten 7,5 lang und Winkel rechts unten 11,5 lang.

Die Rückseite des Steines zeigt lediglich eine Inschrift. Als wir [die Eheleute Azzola] im Jahr 1964 den Stein der Mauer entnahmen und seine Vorderseite zugänglich wurde, erwies er sich aufgrund seines Scheibenkreuzes als Grab-Scheibenkreuzstein und nicht als Grab-Kreuzstein. Vor die rechteckige Stele ist die Scheibe und vor die Scheibe das längsorientierte, achsensymmetrische Kreuz mit seinen bemerkenswert schmalen Balken gestellt. Das Kreuz selbst steht erhöht auf einem Hügel, von dem jedoch nur wenig erhalten ist, da Schaft und Fuß des Steines fehlen.

In Übereinstimmung mit dem Büdinger Scheibenkreuz-Grabstein Trach sind auch hier den vier Sektoren der Scheibe Handwerkszeichen zugeordnet. Hierzu lassen sich folgende Deutungen erarbeiten: Das Zeichen links unten zeigt die mittelalterliche Form einer Spitzfläche, ein Werkzeug, das hier auf seiner linken Seite eine Schneide, rechts hingegen eine Spitze aufweist, demnach als eine Kombination einer Fläche mit einem Zweispitz aufgefaßt werden darf. Das darüber angeordnete Zeichen links oben stellt aufgrund seiner verlängerten Schneide eine jüngere Form der Spitzfläche dar. Rechts oben ist ein Zweispitz, rechts unten ein Winkel wiedergegeben. Auch der Winkel dient im ausgehenden Mittelalter wie z. B. bei dem Friedberger Scheibenkreuz-Grabstein aus dem Jahr 1433 häufig als Handwerkszeichen der Steinmetzen.

Bei der Draufsicht von oben zeigt der Stein bemerkenswerte Schäden, die beweisen, daß er lange im Freien aufrecht stand und als Grabmal diente. Hingegen sind die beiden Seitenflächen einschließlich ihrer Scharrur gut erhalten. Die eine der beiden Seitenflächen trägt ein Steinmetzzeichen.

Geschlecht, Alter, Familienstand:

männliche Person(en) · Kind(er)

Stand:

Handwerker · Bürger

Dargestellte Personen:

Johann Scherff, Sohn des Büdinger Steinmetzen Jost Scherff (sonst auch Scherpf oder Scharpf), gestorben am 31. März 1577.

Das auf einer Seitenfläche des Steines dargestellte Steinmetzzeichen trifft man im Raum Büdingen-Friedberg mehrfach an, obgleich die bisherigen Beobachtungen wohl noch nicht erschöpfend sind. An erster Stelle, da am ältesten, wäre die „Neue Kirche" der Ronneburg bei Büdingen zu nennen, die Graf Heinrich zu Ysenburg-Büdingen-Ronneburg im Jahr 1570 über dem oberen Tor der Burg errichten ließ. Hierbei tritt das hier zur Diskussion stehende Steinmetzzeichen an fünf verschiedenen Fenster- und Türgewänden auf. Wenige Jahre später besagt eine Baurechnung, daß „im Jahr 1573 bei Errichtung des neuen Küchenbaues (Backhausbau) die Büdinger Steinmetzmeister Peter Scharfenstein und Jost Scharf auf der Ronneburg mitwirkten" (Niess, Peter: Die Ronneburg, Büdingen 1954, S. 39). 1574 ist der Türsturz an der Hofseite des Ysenburgischen Hauses der Burg in Staden datiert, wobei zwischen den beiden Ziffern 5 und 7 - mehr zur 7 hin - das gleiche Steinmetzzeichen erneut auftaucht. Auch die linke Säule des Stadener Burgtores trägt dieses Zeichen. Eine schöne Arbeit stellt der Türsturz am Büdinger Stadtknechtshaus aus dem Jahr 1597 dar. Ebenfalls datiert (1603) und mit dem nun schon bekannten Steinmetzzeichen sind die beiden Wappensteine versehen, die in Ilbenstadt die beiden Torbögen des unteren Torhauses bekrönen. Schließlich findet sich das Zeichen auch am Portal der kleinen Kirche zu Ossenheim bei Friedberg, wobei die Bauinschrift „BEIDE BAVMEISDER 1608 HANS GEIER HENNRICH HAMEL" den Steinmetzen leider nicht nennt.

In Büdingen wird Jost Scherff mehrfach urkundlich erwähnt. So wohnt 1592 ein Jost Scharpf in der Neuenstadt. Im gleichen Jahr mauert Jost Scherpf den Ziegelofen auf der Ziegelhütte für 11 Gulden, desgleichen das „under Stockwerk (...) underm Ziegl baw“ für 16 Gulden. 1596 erhält Jost Scherpff einen Hauszins von der Herberge zum Schwan in Höhe von 12 Gulden. Von besonderem Interesse ist eine urkundliche Erwähnung aus dem Jahr 1597: In den Stadtrechnungen dieses Jahres werden „Uncosten Uff das Stadtknechts Haus“ aufgeführt, darunter “Item Jost Scherpfen von dem Stein unnd Mauerwerckh zu machen 34 Gulden“ sowie “Item Jost Scherpfen macht Herdt und Ofenloch, samt einer steinern seueln, 4 Gulden“ (Alle Angaben Hans-Velten Heuson, Büdingen).

Aus dieser Urkunde läßt sich durch Kombination des Steinmetzzeichens auf dem Grabstein mit seiner Inschrift und dem gehäuften Auftreten des Steinmetzzeichens in Büdingen, auf der Ronneburg, in Ossenheim und in Ilbenstadt zweifelsfrei schließen, daß Jost Scherff Steinmetz war und er den Grab-Scheibenkreuzstein für seinen in jungen Jahren ledig verstorbenen Sohn im Jahr 1577 selbst anfertigte. Damit tritt der seltene Fall ein, daß ein namenloses Steinmetzzeichen einem bestimmten, namentlich bekannten Meister zugeordnet werden kann: Jost Scherff der einzige, bisher zugleich namentlich bekannte Verfertiger von Scheibenkreuz-Grabsteinen des 16. Jahrhunderts in Hessen. Der Scheibenkreuz-Grabstein Trach dürfte gleichfalls von Jost Scherff angefertigt worden sein.

Inschrift

Umschrift:

Anno 77 den 31 /

märtzij Ist In gott /

verschieden Joha(n) /

Jost Scherffen e /

liiger Son dem

Übersetzung:

Im Jahr (15)77 den 31. März ist in Gott verschieden Johann, Jost Scherffs ehelicher Sohn, dem (Gott gnade).

Schrift:

Fraktur

Nachweise

Literatur:

  • Azzola, Juliane und Friedrich Karl: Mittelalterliche Scheibenkreuz-Grabsteine in Hessen (= Hessische Forschungen zur geschichtlichen Landes- und Volkskunde Heft 10), Kassel 1972, S. 52-55 (Text) und 169-175 (Abb.)
  • Azzola, Friedrich Karl: Mittelalterliche Scheibenkreuz-Grabsteine in Stadt und Kreis Büdingen, in: Büdinger Geschichtsblätter 7 (1970/71), S. 11-28

Personen:

Scherff, Jost · Schar(p)f, Jost · Scharfenstein, Peter · Geier, Hans · Hamel, Henrich

Orte:

Ilbenstadt · Ossenheim · Ronneburg · Staden

Sachbegriffe:

Kreuze · Handwerkszeichen · Zweispitze · Winkel · Spitzflächen · Steinmetzzeichen · Kinder · Steinmetze

Bearbeitung:

Azzola, Juliane und Friedrich Karl: Mittelalterliche Scheibenkreuz-Grabsteine in Hessen (= Hessische Forschungen zur geschichtlichen Landes- und Volkskunde Heft 10), Kassel 1972 [danach Andreas Schmidt, HLGL]

Zitierweise
„Johann Scherff 1577, Büdingen-Großendorf“, in: Grabdenkmäler <https://www.lagis-hessen.de/de/subjects/idrec/sn/gdm/id/727> (Stand: 10.5.2007)