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Bildung von Bauernräten im hessischen Umland, Mitte November 1918

Nach der Gründung von Arbeiter- und Soldatenräten als Ergebnis der revolutionären Umstürze Anfang November 1918, bilden sich nach und nach auch in den ländlichen Regionen Hessens sogenannte Bauernräte als deren ländliches Äquivalent. Ziel der Bauernräte stellt vorrangig die Sicherung einer selbstständigen Interessenvertretung der Arbeiter im landwirtschaftlichen Sektor dar. Zu einer Bildung von Bauernräten (oft auch ein Zusammenschluss aus Bürger- und Bauernräten oder Arbeiter- und Bauernräten) kommt es unter anderem in Gießen, Darmstadt, Alsfeld und Herborn, es finden sich unzählige Berichte über die Bildung von Bauernräten in Dörfern, Vororten, Gemeinden und Landkreisen.1

Ihre Forderungen beziehen sich dabei vor allem auf Fragen der Nahrungsmittelproduktion und deren Preise sowie der Organisation und Verbreitung landwirtschaftlicher Erzeugnisse. Über Interessen und Arbeit der Bauernräte gibt auch die Oberhessische Volkszeitung in einem Artikel über den Gießener Kreisbauernrat Aufschluss: „In Gießen hatte sich am 12. November ein vorläufiger Kreisbauernrat gebildet. Nachdem nun in fast allen Gemeinden des Kreises Bauernräte gewählt sind, war die Möglichkeit gegeben, den Kreisbauernrat endgültig zu konstituieren. (...) Hauptaufgabe jedes einzelnen in dieser schweren Zeit ist es, dazu beizutragen, dass in erster Linie die Ernährung der Bevölkerung sichergestellt wird und Ruhe und Ordnung aufrecht erhalten bleibt. Die Landwirtschaft hat also große Pflichten zu erfüllen ihr müssen aber auch Rechte zugebilligt werden. Die Bauern müssen wissen, was mit den von ihnen abgelieferten Erzeugnissen geschieht und müssen Einfluss haben auf die Preisgestaltung der landwirtschaftlichen Erzeugnisse. Deswegen ist der Zusammenschluss der ländlichen Bevölkerung dringend notwendig gewesen um Hand in Hand mit den Arbeiter- und Soldatenräten diese Fragen zu regeln.2

Im Gegensatz zu den Soldaten- und Arbeiterräten stellen die Bauernräte in Hessen eine reine Vertretungsinstanz der hessischen Bauern dar und verfolgen keine dezidiert revolutionären, sozialistischen Ziele. Es soll lediglich das Mitspracherecht gesichert werden, von umfangreichen Forderungen nach Umsturz wird abgesehen, die Bildung von Bauernräte ist also eher eine Reaktionshandlung der Landwirte auf die vorausgegangenen Gründungen von Arbeiter- und Soldatenräten in den hessischen Städten.3
(NT)


  1. Zum Beispiel Herborner Tageblatt, 14.11.1918: Bildet Bauernräte!; Wiesbadener Zeitung, Morgen-Augabe, 16.11.1918: Aus den Vororten; Oberhessische Volkszeitung, Neue Tageszeitung, 21.11.1918: Aus der Heimat.
  2. Oberhessische Volkszeitung, Neue Tageszeitung, 3.12.1918: Aus der Heimat.
  3. Vgl. Haren, Volksstaat Hessen, S. 137-141.
Belege
Weiterführende Informationen
Empfohlene Zitierweise
„Bildung von Bauernräten im hessischen Umland, Mitte November 1918“, in: Zeitgeschichte in Hessen <https://www.lagis-hessen.de/de/subjects/idrec/sn/edb/id/5449> (Stand: 18.10.2021)
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