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US-Präsident John F. Kennedy zu Gast in Hessen, 25. - 26. Juni 1963

Der dritte Tag seines offiziellen Deutschland-Besuches führt den Präsidenten der Vereinigten Staaten von Amerika, John F. Kennedy (1917–1963) nach Hessen. Erwartet wird das populäre Staatsoberhaupt auf dem amerikanischen Heeresfliegerstützpunkt in Hanau-Langendiebach, in Frankfurt am Main und in Wiesbaden.

Truppenbesuch in Erlensee-Langendiebach

Kennedy trifft um 10:25 Uhr an der ersten Station seiner Hessen-Visite, auf dem Hanau Army Airfield südwestlich von Erlensee-Langendiebach ein. Hier nimmt er eine Parade von 15.000 amerikanischen Soldaten ab, unter die sich abgeordnete Kontingente der französischen, kanadischen und deutschen Streitkräfte gemischt haben. Am Morgen hatte der Präsident noch eine einstündige Unterredung mit dem Regierenden Bürgermeister von Berlin, Willy Brandt (1913–1992), geführt1 und war dann in Begleitung des amerikanischen Botschafters George C. McGhee (1912–2005) gegen 9:20 Uhr zum Landeplatz in Plittersdorf (Stadtteil des Bonner Stadtbezirks Bad Godesberg) gefahren und von dort aus mit dem Hubschrauber gestartet.

Begeisterter Empfang in Frankfurt

Pünktlich um 14 Uhr verlässt der amerikanische Präsident Hanau in Begleitung von Bundeswirtschaftsminister Ludwig Erhard und dem hessischen Ministerpräsidenten Georg August Zinn (1901–1976; SPD) Richtung Frankfurt am Main, wo ihm bereits bei der Einfahrt in die Stadt und auf dem Weg am Main entlang Richtung Römerberg Tausende von Menschen einen begeisterten Empfang bereiten. Kennedy legt einen Großteil der Strecke durch die Frankfurter Innenstadt stehend im Wagen zurück und winkt den die Straße säumenden Menschen zu.
Bei seiner Ankunft vor dem Römer (gegen 15:15 Uhr) wird der Präsident schließlich von schätzungsweise 60.000 Menschen jubelnd begrüßt. Oberbürgermeister Werner Bockelmann (1907–1968; SPD) geleitet den Staatsgast in den Kaisersaal des Rathauses und bringt in einer Begrüßungsrede zum Ausdruck, dass er glaube den Besuch Kennedys in Frankfurt so deuten zu dürfen, daß der Präsident vor allem gekommen sei, um die Wiege des neueren demokratischen Deutschlands zu besuchen. Kennedy antwortet darauf sofort unter Hinweis auf die 1848 erstmals in der Paulskirche zusammengetreten Nationalversammlung.
Ministerpräsident Zinn würdigt das amerikanische Staatsoberhaupt als Repräsentanten einer befreundeten Weltmacht und den Jubel, der den Präsidenten auf seiner bisherigen Deutschland-Reise (Kennedy war am 23. Juni auf dem Köln-Bonner Flughafen Wahn gelandet, hatte am Sonntag in Köln unter anderem an einer Messe im Dom teilgenommen und am frühen Nachmittag schließlich nach Bonn gefahren) umbrandet habe, als eine politische Willenskundgebung.
Anschließend an die Eintragung in das Goldene Buch der Stadt hält Präsident Kennedy um 16 Uhr vor dem Rathaus eine Ansprache, in der er die Leistungen im Wiederaufbau würdigt und den dauerhaften Charakter der Freundschaft zwischen Deutschland und den Vereinigten Staaten hervorhebt. Politiker kämen und gingen, aber was bleibe, sei nicht nur die Freundschaft zwischen Deutschland und den Vereinigten Staaten, sondern auch die Erkenntnis, im großen Kampf um die Freiheit zusammenzustehen, und die Verpflichtung, den Gedanken der Freiheit in die Tat umzusetzen.2 Er beendet seine vom Jubel Tausender Zuhörer begleitete Rede mit den Worten „Danke schön“ und begibt sich anschließend – wiederum begleitet von Bundeswirtschaftsminister Erhard und Ministerpräsident Zinn, sowie Oberbürgermeister Bockelmann – zu Fuß in die nahe Paulskirche.
In der Paulskirche erheben sich die Zuschauer von ihren Plätzen und applaudieren dem Präsidenten längere Zeit stehend Beifall. Unter den anwesenden Ehrengästen befinden sich zahlreiche Ministerpräsidenten der Länder, die Parlamentspräsidenten der Landesparlamente, Abgeordnete des Bundestages, so auch die Fraktionsvorsitzenden Heinrich von Brentano (1904–1964; CDU/CSU), Erich Ollenhauer (1901–1963; SPD), und Erich Mende (1916–1998; FDP), Mitglieder des Bundesrates, Vertreter der Kirchen und zahlreiche andere Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens, so zum Beispiel die höchsten Repräsentanten der deutschen Gerichte und der Universitäten.

Aufruf zur Errichtung einer atlantischen Gesellschaftsordnung

Die nun folgende europapolitische Grundsatzrede des Präsidenten, in der er eine atlantische Abwehr mit echter europäischer Beteiligung ankündigt, auch in wirtschaftlicher Hinsicht die Bedeutung der Zusammenarbeit, aber auch der Eigenständigkeit und Eigenverantwortung der europäischen Staaten betont, und es als Verpflichtung aller Nationen des atlantischen Bündnisses beschreibt, eine neue Gesellschaftsordnung auf der Basis von Freiheit und Recht zu gründen, wird von den rund 1.000 Gästen einmütig mit Beifall beschieden.3
Gegen 17:35 Uhr steuert der Fahrzeugtross des Präsidenten in Richtung Frankfurter Stadion, von wo aus Kennedy und eine Anzahl deutscher und amerikanischer Begleiter um 18:05 Uhr in Helikoptern zum Flug nach Wiesbaden abheben.

Empfang im Kurhaus in Wiesbaden

Dort landet die Delegation um 18:20 Uhr auf dem östlichen Rasen des General von Steuben Hotels. Anschließend zieht sich der Präsident zusammen mit Noch-Vizekanzler Erhard, der designierter Nachfolger von Bundeskanzler Konrad Adenauer ist, bis 19 Uhr zu Gesprächen zurück, bevor man (mit etwa fünfzehnminütiger Verspätung gegenüber dem Zeitplan) gemeinsam mit zahlreichen Teilnehmern der Delegation die wartende Fahrzeugkolonne besteigt, die sich Richtung Kurhaus bewegt, wo Ministerpräsident Zinn um 19:45 Uhr einen Empfang zu Ehren des Staatsgastes gibt. Auf dem Weg dorthin säumen abermals Zehntausende von Schaulustigen die Straßen. Kennedy trägt sich im Kurhaus in das Goldene Buch der Stadt ein und hält eine kurze Rede, in der er für die Einladung dankt und seine Genugtuung über das harmonische Zusammenleben der Hessen mit etwa 160.000 hier lebenden US-Amerikanern zum Ausdruck bringt. Der Präsident kehrt gegen 20:20 Uhr gemeinsam mit Erhard zurück ins Hotel, wo sich der deutsche Politiker von Kennedy verabschiedet. Am darauf folgenden Morgen des 26. Juni wird Kennedy kurz nach 8:00 Uhr vom Oberkommandierenden der United States Air Forces in Europe (USAFE) im Hotel abgeholt und zur Wiesbaden Air Base in Erbenheim gebracht. Unmittelbar im Anschluss an seine Ankunft auf dem Stützpunkt (gegen 8:30 Uhr) wird Kennedy vom hessischen Ministerpräsidenten Zinn verabschiedet. Um 8:45 Uhr startet die Air Force One in Richtung Berlin.
(KU)


  1. Vgl. Frankfurter Allgemeine Zeitung, 26.6.1963, S. 1.
  2. Frankfurter Allgemeine Zeitung, 26.6.1963, S. 1. Der komplette Wortlaut der Rede findet sich in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, 26.6.1963, S. 5.
  3. Die vollständige Rede findet sich online unter: John F. Kennedy: „Address in the Assembly Hall at the Paulskirche in Frankfurt.,“ June 25, 1963. Online by Gerhard Peters and John T. Woolley, The American Presidency Project. http://www.presidency.ucsb.edu/ws/?pid=9303 (eingesehen am 12.2.2013).
Belege
  • Frankfurter Allgemeine Zeitung, 26.6.1963, S. 2: Der Oberbefehlshaber
  • Frankfurter Allgemeine Zeitung, 26.6.1963, S. 4: Der Präsident: Ich sehe nur Freunde – über den Besuch des Präsidenten in Hanau und Frankfurt berichtet Bernd Naumann
  • Frankfurter Allgemeine Zeitung, 26.6.1963, S. 1: Kennedy ruft Europa zur Einigkeit mit Amerika: Der Präsident in der Paulskirche / Absage an jeden Spaltungsversuch im Westen / Gerstenmaier Die Wiedervereinigung bleibt das Ziel.
Weiterführende Informationen
Hebis-Schlagwort
Frankfurt am Main ; Kennedy, John F. ; Staatsbesuch ; Geschichte 1963
Empfohlene Zitierweise
„US-Präsident John F. Kennedy zu Gast in Hessen, 25. - 26. Juni 1963“, in: Zeitgeschichte in Hessen <https://www.lagis-hessen.de/de/subjects/idrec/sn/edb/id/4921> (Stand: 27.11.2022)
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