Landesgeschichtliches Informationssystem Hessen

Hessische Quellen zum Ersten Weltkrieg


Inhalt

  1. Kurze militärische Ausbildung in Koblenz, 1917
  2. Versetzung in das Kriegsgefangenenlager Dietkirchen
  3. Kriegsalltag in Limburg, 1917

Abbildungen

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Das Kriegsgefangenenlager Dietkirchen bei Limburg

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Französische Kriegsgefangene in der Kantine des Kriegsgefangenenlagers bei Dietkirchen, um 1916

↑ Friedrich Glum, Erinnerungen an die Tätigkeit im Kriegsgefangenenlager bei Limburg, 1917

Abschnitt 2: Versetzung in das Kriegsgefangenenlager Dietkirchen

[145-146] Ich wurde dann, als meine Ausbildung vollendet war, zu einem großen Gefangenenlager in der Nähe von Limburg versetzt. Hier hatte ich in den ersten Tagen insofern eine schreckliche Zeit, als es mir zwar erlaubt war, im Hotel in Limburg zu wohnen, aber in der Postprüfstelle des Lagers in einer Baracke mit zwei anderen Soldaten arbeiten mußte, die die Pakete für die im Lager gestorbenen französischen Gefangenen durchzusehen hatten. Alle Pakete mußten, bevor sie den Gefangenen ausgehändigt wurden, daraufhin geprüft werden, ob sie irgendwelche Nachrichten enthielten, die Rückschlüsse auf die Stationierung der verschiedenen Truppenteile zuließen. Der Kommandant der Briefprüfstelle des Lagers war vor kurzem belobigt worden, weil seine Arbeit wichtige Rückschlüsse über den Aufmarsch des Feindes an der Front zu machen erlaubt hatte. In der Bude, in der ich mich befand, war es nun so, daß die Pakete, die meist ölsardinen, Dosen mit Pfirsichen, Corned Beef, Annanas usw. enthielten, nie ihr Ziel erreichten, weil die Empfänger gestorben waren. Infolgedessen hatten meine beiden Genossen, von denen der eine ein Lebensmittelhändler in Köln war, keine Skrupel, aus den Paketen einiges von diesen Kostbarkeiten zu stibitzen, und forderten mich auf, das Gleiche zu tun. Ich konnte mich dem, um nicht unangenehm aufzufallen, nicht entziehen und muß zu meiner Schande [S. 146] gestehen, daß ich wohl auch einige wenige Büchsen geöffnet und den Inhalt verzehrt habe. Glücklicherweise wurde bei einer Meldung der Gefreite in der Schreibstube der Postprüfstelle, der im Grunde den ganzen Laden schmiß, ein Münchener Rechtsanwalt namens Maron, auf mich aufmerksam und erlöste mich aus der unerfreulichen Umgebung, indem er mich in der Schreibstube beschäftigte.


Personen: Maron, Rechtsanwalt · Glum, Friedrich
Orte: Dietkirchen · Limburg · Köln · München
Sachbegriffe: Kriegsgefangene · Kriegsgefangenenlager · Hotels · Franzosen · Postprüfstellen · Lebensmittel · Gefangenenpost · Unterschlagungen · Fotografien
Empfohlene Zitierweise: „Friedrich Glum, Erinnerungen an die Tätigkeit im Kriegsgefangenenlager bei Limburg, 1917, Abschnitt 15: Versetzung in das Kriegsgefangenenlager Dietkirchen“, in: Hessische Quellen zum Ersten Weltkrieg <https://www.lagis-hessen.de/de/purl/resolve/subject/qhg/id/72-2> (aufgerufen am 16.04.2024)