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Georg-Büchner-Preis an Hermann Lenz, 27. Oktober 1978

Der Georg-Büchner-Preis wird an den Schriftsteller Hermann Lenz (1913–1998) verliehen. Die Preisverleihung, bisher stets in Darmstadt abgehalten, findet dieses Jahr erstmals in Bonn statt. Grund dafür ist eine Einladung der Regierungsstadt an die Deutsche Akademie für Sprache und Dichtung, die den Büchner-Preis jährlich im Rahmen ihrer Herbsttagung vergibt. Anlässlich der in Bonn laufenden Ausstellung „Der Georg-Büchner-Preis 1951–1978“, wurde die Akademie eingeladen, die Herbsttagung aus Darmstadt nach Bonn zu verlagern.1

Der Preisträger Hermann Lenz ist 1913 geboren, nach dem Zweiten Weltkrieg schrieb er erste Gedichte und Prosatexte, die allerdings wenig beachtet blieben.2 Erst als Suhrkamp-Verleger Siegfried Unseld (1924–2002) 1973 auf Lenz aufmerksam gemacht wurde, und seine Gedichte im Suhrkamp-Verlag publizierte, startete Hermann Lenz' erfolgreiche Schriftstellerkarriere.3

Die Urkunde des Büchner-Preises, die gemeinsam mit einem Preisgeld in Höhe von 20.000 DM verliehen wird, bezeichnet Lenz' Werk als „ausgezeichnet durch scharfe Wahrnehmung und treue Erinnerung sowohl unscheinbarer als entsetzlicher Erfahrungen, durch eine hohe Kunst genauer Beschreibung und durch ein Ethos der Aufrichtigkeit.4 In seiner Lobrede auf den Preisträger fasst der Politikwissenschaftler Dolf Sternberger (1907–1989) dessen verzögerten, aber verdienten Erfolg als deutscher Schriftsteller zusammen: „Heute gilt der Preis einem Schriftsteller von 65 Jahren, der ein ansehnliches Werk aufzuweisen hat, einige Gedichte, vor allem Prosa von der Art der Erzählung und des Romans. Das eine und das andere Stück aus dieser Reihe ist zur Zeit seines ersten Erscheinens als merkwürdig oder als bedeutend erkannt worden. Mein Eindruck ist, dass Hermann Lenz stetig fortgeschritten ist in seiner Kunst, mit einer Konsequenz und Unbeirrtheit, die Bewunderung verdient (...), und dass er jetzt eben auf der Höhe seiner Möglichkeiten angelangt ist.5

Die Veranstaltung der Herbsttagung in Bonn statt in Darmstadt stößt in der hessischen Öffentlichkeit auf einige Kritik. Schon im Vorfeld werden viele Stimmen laut, die der Meinung sind, „dass die Verleihung des Büchner-Preises ein traditionelles Darmstädter Ereignis ist, das nicht nach Bonn gehört. Um die Preisverleihung mit der Ausstellung zu verknüpfen, könne ebensogut die Ausstellung nach Darmstadt verlegt werden.6 Gerhard Pfeffermann, CDU-Stadtverordneter, fordert in einem Schreiben den Darmstädter Oberbürgermeister Heinz Sabais (1922–1981) auf, die Verlegung der Herbsttagung zu unterbinden, da „dem jährlichen Beitrag der Stadt Darmstadt zum Büchner-Preis in Höhe von 10 000 Mark liege eine Satzung zugrunde, in der Darmstadt zum Ort der Verleihung bestimmt und eine Ausnahme von dieser Regelung nicht vorgesehen sei“.7 Oberbürgermeister Sabais, dem eine „mangelnde Identifikation mit der Heimatstadt Georg Büchners8 vorgeworfen wird, bezeichnet es als „unhöflich und provinziell9, der Einladung nach Bonn nicht nachzukommen und verweist auf die Autonomie der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung.10

Dem Streit um den Ausrichtungsort zugrunde liegt neben der finanziellen Bindung an die Stadt Darmstadt die Geschichte des Georg-Büchner-Preises an sich. Dieser wurde 1923 von der Regierung Hessens gestiftet, um herausragende hessische Persönlichkeiten aus den Bereich der Kunst, Musik, des Filmes und der Literatur zu ehren. Seit 1951 wird der Büchner-Preis als Literaturpreis von der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung verliehen, weshalb er keinen hessischen Bezug mehr aufweisen muss. Der Festakt findet jedoch trotzdem traditionell in Darmstadt statt, dem Geburtsort Georg Büchners und dem Gründungsort der Akademie.11
(NT)


  1. Frankfurter Allgemeine Zeitung, 28.7.1978, S. 23: Büchnerpreis für Hermann Lenz.
  2. Suhrkamp/Insel-Verlag: Autoren: Hermann Lenz.
  3. Frankfurter Allgemeine Zeitung, 30.10.1978, S. 23: Der Hessische Landbote als Psychogramm.
  4. Deutsche Akademie für Sprache und Dichtung: Auszeichnungen: Georg-Büchner Preis: Hermann Lenz: Urkundentext.
  5. Deutsche Akademie für Sprache und Dichtung: Auszeichnungen: Georg-Büchner Preis: Hermann Lenz: Laudatio.
  6. Frankfurter Allgemeine Zeitung, 22.4.1978, S. 56: Büchner-Preis dieses Jahr in Bonn.
  7. Frankfurter Allgemeine Zeitung, 8.5.1978, S. 26: „Mangelnde Identifikation“ Sabais mit Büchners Heimat.
  8. Frankfurter Allgemeine Zeitung, 8.5.1978, S. 26: „Mangelnde Identifikation“ Sabais mit Büchners Heimat.
  9. Frankfurter Allgemeine Zeitung, 22.4.1978, S. 56: Büchner-Preis dieses Jahr in Bonn.
  10. Frankfurter Allgemeine Zeitung, 8.5.1978, S. 26: „Mangelnde Identifikation“ Sabais mit Büchners Heimat.
  11. Deutsche Akademie für Sprache und Dichtung: Auszeichnungen: Georg-Büchner Preis.
Belege
Weiterführende Informationen
Empfohlene Zitierweise
„Georg-Büchner-Preis an Hermann Lenz, 27. Oktober 1978“, in: Zeitgeschichte in Hessen <https://www.lagis-hessen.de/de/subjects/idrec/sn/edb/id/5549> (Stand: 6.11.2020)
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