Zeitgeschichte in Hessen - Daten · Fakten · Hintergründe

Massive Verschlechterung der Tariflöhne in den Betrieben, März 1935

Der SPD-Exilvorstandes (Sopade) beschäftigt sich im Deutschland-Bericht für den März 1935, der am 12. April 1935 in Prag herausgegeben wird, unter anderem ausführlich mit der aktuellen Entwicklung der Löhne im Reich. Auf der Grundlage des Gesetzes zur Ordnung der nationalen Arbeit vom 20. Januar 1934, das bezeichnenderweise viele Kann-Vorschriften enthält, sowie aufgrund der dazu gehörenden Ordnungen stellt der Bericht fest, dass die Arbeitsverhältnisse jetzt zumeist durch Betriebsordnungen oder Einzelarbeitsverträge festgelegt werden, statt sie für Arbeitsbezirke oder Branchen zu regeln. Obwohl die im Gesetz geschaffenen Treuhänder der Arbeit erst im April 1934 ihre Arbeit aufgenommen hätten, sei schon jetzt deutlich, in welchem Grade sie tatsächlich für den Lohnabbau tätig seien. Aus einem Nachtrag zur Tarifordnung, den der Treuhänder für Hessen am 14. November 1934 für das Gaststättengewerbe erlassen habe, ergebe sich gegenüber der Ordnung vom 31. Juli 1934 zum Beispiel, dass ein Oberkellner oder Barmeister bei acht Stunden Arbeitszeit bisher 208 RM erhalten habe, jetzt aber nur noch 176 RM (- 15,4 %). Ein älterer Hoteldiener erhalte jetzt 80 RM statt früher 100 RM (- 20 %) und eine Alleinköchin verdiene jetzt 100 RM, bisher aber 125 RM (- 20 %). Auch im Molkereigewerbe in Hessen seien die Lohnsätze durch die Treuhänder zum Teil in drastischer Weise gekürzt worden und lägen jetzt 14,3 % bis 43,2 % (bei Fach- oder Hilfsarbeiter unter 20 Jahren) unter den bisherigen Löhnen. Im Städten bis zu 50.000 Einwohnern dürften die Treuhänder allgemeine Abschläge von 15 % vornehmen, in Städte von 10.000-50.000 Einwohnern bis zu 20 % und in ländlichen Gemeinden bis zu 25 %.

Insgesamt zeige sich, dass die Arbeiter nicht nur massive Lohneinbußen hinnehmen müssen, sondern dass die Lohnsätze von den Treuhändern oft schon nur kurzer Zeit erneut herabgesetzt würden.
(OV)