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Die Dichterin Agnes Miegel erhält den Goethepreis der Stadt Frankfurt, 30. August 1940

Die Schriftstellerin, Journalistin und Balladendichterin Agnes Miegel (1879–1964) erhält den Goethepreis der Stadt Frankfurt am Main. Oberbürgermeister Friedrich Krebs (1894–1961) ehrt die Dichterin in seiner Festansprache für ihre Heimatdichtung, mit der sie ausdauernd das „großdeutsche Volksgefühl“ und den „preußischen Lebensraum“ beschwor und „stets für die Wiedergeburt deutscher Art gewirkt hat“.1

Die „unersetzliche“ Heimatdichterin

Agnes Miegel war eine von 88 deutschen Schriftstellerinnen und Schriftstellern, die am 26. Oktober 1933 das „Gelöbnis treuester Gefolgschaft für Adolf Hitler“ unterzeichneten. 1939 nahm sie die Ehrennadel der Hitlerjugend entgegen, 1940 tritt sie in die NSDAP ein. Miegel wurde 1944 in die vom Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda, Joseph Goebbels und Hitler zusammengestellte, 36 Seiten umfassende Liste der „Gottbegnadeten“ aufgenommen, in der 1.041 Künstler aufgeführt sind. Ihr Name findet sich dort auf der Sonderliste „Unersetzliche Künstler“ unter den nach Meinung der nationalsozialistischen Führung sechs wichtigsten Schriftstellerinnen und Schriftstellern. Aufgrund des ihr über diese Liste zugebilligten Status war Miegel als „überragendes nationales Kapital“ vollständig von der Kriegsdienstpflicht ausgenommen, die in der Endphase des Zweiten Weltkriegs zahllose Künstler zum Einsatz bei der Wehrmacht oder an der „Heimatfront“ in den Rüstungsbetrieben zwang.2

Umstrittene Stütze des NS-Regimes

Miegels tatsächliche Haltung gegenüber dem nationalsozialistischen Regime ist heute (2012) umstritten. Während die um das literarische Andenken an die Dichterin bemühte „Agnes-Miegel-Gesellschaft“ in Bad Nenndorf3 Agnes Miegel trotz ihrer Parteimitgliedschaft eine „weitgehend unpolitische Haltung“ zuspricht und ihre Werke und Korrespondenzen als „frei von Rassismus und Antisemitismus“ und der „Herabsetzung politisch Andersdenkender“ betrachtet4, stößt das Wirken der 1933 als Vorstandsmitglied in die Preußische Akademie der Künste (Abteilung Deutschen Akademie der Dichtung) aufgenommenen gebürtigen Königsbergerin anderswo seit einigen Jahren auf kritische Ablehnung. In einer ganzen Anzahl von Städten, die nach Kriegsende Straßen nach Agnes Miegel benannten, bestehen aufgrund der ideologischen Nähe der Künstlerin zum Nationalsozialismus und ihrem offenen Bekenntnis zu Hitler Bestrebungen, diese umzubenennen, so zum Beispiel in Sankt Augustin (Rhein-Sieg-Kreis in Nordrhein-Westfalen) und Hildesheim, Göttingen, Hannover, Sarstedt (alle Niedersachsen), Erlangen (Mittelfranken) und Münster (Westfalen). Gleiches gilt für Schulen in Wilhelmshaven, in Düsseldorf und Osnabrück.5
(KU)


  1. Hanna Christiansen, Luise Berthold, in: Kai Köhler u. a. (Hrsg.), Germanistik und Kunstwissenschaften im „Dritten Reich“. Marburger Entwicklungen 1920–1950, München 2005, S. 201-211, hier S. 205.
  2. Vgl. Wikipedia: Gottbegnadeten-Liste (eingesehen am 10.9.2012).
  3. Die 1969 ins Leben gerufene Agnes-Miegel-Gesellschaft verfolgt das Ziel, mit Lesungen, Gedenkveranstaltungen und Tagungen „das Gesamtwerk der Dichterin in seiner literarischen Qualität in den Mittelpunkt des Interesses zu rücken“. Sie bemüht sich ferner auch um Instandhaltung und Pflege des 1971 von ihr erworbenen Agnes-Miegel-Hauses in Bad Nenndorf. Die als gemeinnützig eingetragene Vereinigung hat es sich gemäß ihrer Satzung zur Aufgabe gemacht, „das Andenken der Dichterin zu bewahren und in der Öffentlichkeit lebendig zu erhalten, die Bedeutung ihres Werkes herauszustellen, es zu deuten und Maßnahmen durchzuführen, die diese Aufgabe erfüllen helfen“. Der Hauptteil aus Agnes Miegels Nachlass wurde 1974 dem Deutschen Literatur-Archiv in Marbach übergeben. Daneben baut die Agnes-Miegel-Gesellschaft seit 1989 ein eigenes Archiv mit Autografen der Dichterin und Dokumenten zu ihrem Leben auf. Vgl. Agnes Miegel Gesellschaft e.V., www.agnes-miegel-gesellschaft.de: Wir über uns (eingesehen am 10.9.2012).
  4. Vgl. KulTours [private Website von Detlef Suhr]: Kultours-Zeitgeschichte: Wissenswertes über Agnes Miegel (1879–1964): Stellungnahme und Gutachten der Agnes-Miegel-Gesellschaft in Bad Nenndorf: Die Dichterin Agnes Miegel während des Kaiserreiches, in der Weimarer Republik, unter der NS-Herrschaft und in der Bundesrepublik Deutschland (eingesehen am 10.9.2012).
  5. Vgl. Wikipedia: Agnes Miegel (eingesehen am 10.9.2012).
Belege
Weiterführende Informationen
Hebis-Schlagwort
Miegel, Agnes ; Geschichte 1933-1945
Empfohlene Zitierweise
„Die Dichterin Agnes Miegel erhält den Goethepreis der Stadt Frankfurt, 30. August 1940“, in: Zeitgeschichte in Hessen <https://www.lagis-hessen.de/de/subjects/idrec/sn/edb/id/4837> (Stand: 7.4.2021)
Ereignisse im Juli 1940 | August 1940 | September 1940
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