Landesgeschichtliches Informationssystem Hessen

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„Klage an der Zonengrenze“, 31. Juli 1954

Von 1945 bis 1952 ist sowohl der Personen-, als auch der Güterverkehr zwischen Vacha in Thüringen und dem hessischen Philippsthal auf der alten Reichsstraße (B 62) noch möglich. Arbeiter und Angestellte aus der Sowjetischen Besatzungszone (SBZ) und späteren DDR können ohne Probleme über die Grenzkontrollstellen (GKSt) in der Bundesrepublik ihrer Arbeit nachgehen. Oft trifft man sich auch und genießt nach der Arbeit die Freizeit zusammen. Seit Ende Mai 1952 ist dies nicht mehr möglich, zumal ab 26. Mai auch der Kleine Grenzverkehr durch die sofortige Schließung der innerdeutschen Grenze geschlossen ist. Passierscheine sind von nun an ungültig und einige Menschen können ihrer Arbeit nicht mehr nachgehen.

Wie sehr dies die Menschen sowohl im Osten, als auch im Westen Deutschlands betrifft wird anhand eines Klagegedichtes von Egon Clute-Simon deutlich, der als selbständiger Markscheider untertage tätig ist. Bis zum Ende des kleinen Grenzverkehrs geht er jeden Tag in sein Firmenbüro in Vacha (Thüringen), muss aber mit der Schließung der Grenze durch die DDR-Grenztruppen seine Arbeit aufgeben. Am 31. Juli 1954 schreibt er daher folgendes Gedicht:

Einsam sind wir und verlassen,
Keine Freude winkt uns mehr.
Glaubten wir sie mal zu fassen,
Sah'n wir traurig hinterher.
Wohlgeboren, ohne Sorgen,
Lebten früher wir im Haus.
Heute lieber als wie morgen
Möchten wir nur noch hinaus.
Unerbittlich sind die Zeiten,
Unerbittlich unser Los;
Wird der Herrgott uns geleiten
Aus dem Haus? Es wär' famos.
Wie Ihr seht, es sitz tnoch immer
Mir der Satyr im Genick;
Aber alles Leidgewimmer
Bringt kein Glück uns mehr zurück.
Es ist schwer, es zu verstehen,
Was im Herzen tobt und loht.
Friede, Freude bringt Vergehen,
Wenn es einzieht einst bei Gott.
Eilt Euch nur, Ihr lieben Freunde,
Eilt Euch, ehe es zu spät.
Lauern doch auf uns die Feinde,
Daß das Leben schnell vergeht.
Hiermit möchte ich jetzt schließen,
Warten auf ein Wiederseh'n.
Laßt euch herzlich schnell noch grüßen
Und das Leid in Freud' vergeh'n.

(Das Haus auf der Grenze, S. 57)
(MW)

Belege
Weiterführende Informationen
  • Freundliche Hinweise von Herrn Helgo Clute-Simon, Philippsthal
Empfohlene Zitierweise
„„Klage an der Zonengrenze“, 31. Juli 1954“, in: Zeitgeschichte in Hessen <https://www.lagis-hessen.de/de/subjects/idrec/sn/edb/id/4223> (Stand: 20.2.2022)
Ereignisse im Juni 1954 | Juli 1954 | August 1954
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