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Geheimer Bericht über die Lage an den Hochschulen, 5. Februar 1940

Die „Meldungen aus dem Reich“ des Sicherheitshauptamts der SS vom 4. Februar 1940 geben einen geheimen Bericht über die Lage an der Hochschulen im ersten Trimester 1940. Dabei wird hervorgehoben, dass sich die Wiedereröffnung sämtlicher Hochschulen nach allen bisherigen Meldungen und Berichten günstig ausgewirkt hat. An allen Hochschulen wird der Lehr- und Forschungsbetrieb als gesichert angesehen. Durch Freistellung einer Reihe von Dozenten und Assistenten vom Wehrdienst ist ein geordneter und geregelter Hochschulbetrieb gewährleistet. Lediglich aus sechs Universitäten, darunter aus Gießen, werde gemeldet, daß die Zahl der dortigen Dozenten, vor allem aber der Assistenten noch etwas zu schwach sei.

Die Wiedereröffnung der im Wintersemester 1939/40 geschlossenen Hochschulen erweise sich auch zahlenmäßig als richtig. Die Zahl der Studierenden sei an einigen Universitäten, darunter in Marburg, in diesem Trimester gegenüber dem Vorkriegssemester nur wenig zurückgegangen, in Marburg sei sogar die im Erlass des Reichserziehungsministeriums festgesetzte Höchstzahl – in den einzelnen Fakultäten darf die Zahl der Studierenden gegenüber dem Wintersemester 1938/39 nicht um mehr als 30 % zunehmen – überschritten worden. Der allgemeine Kohlenmangel habe den Lehrbetrieb an den Hochschulen nicht grundlegend beschränken können. Nur vereinzelt mußten Hochschulen wie die in Jena, in Berlin, in Frankfurt/M., in Kiel und in Leipzig vorübergehend ihren Betrieb aussetzen bezw. einschränken. Aus den Studentenzahlen ergebe sich auch, dass der größte Teil der Studierenden Mediziner seien, die mehr als die Hälfte der Eingeschriebenen ausmachen. Der Bericht bringt dafür zahlenmäßige Beispiele, nach denen etwa in Gießen am 25. Januar 1940 unter den 450 Studenten der Universität 380 Medizinstudenten waren. Der Bericht folgert daraus, daß das Medizinstudium nur bei einem Bruchteil aus innerer Neigung ergriffen sein könne.

Die Zahlen würden an den Universitäten außerdem zum Anlass genommen, die schwierige Lage hinsichtlich des Nachwuchses auf den Geistes- und überhaupt kulturwissenschaftlichen Gebieten zu erörtern. Der Bericht führt dazu das Beispiel der Universität Gießen an: Wie kraß in einigen Hochschulen des Reiches das Verhältnis zwischen Medizinischem Studium und dem der Kulturwissenschaften ist, meldet Gießen, wo gegen Ende Januar [1940] von etwa 450 Studenten 380 auf die Mediziner, 40 auf die Tiermediziner und nur etwa 30 Studenten auf alle übrigen Fakultäten entfielen. Erschwerend kommt nach Ansicht von Universitätskreise das geringe Wissens- und Leistungsniveau der Abiturienten vor allem in den geisteswissenschaftlichen Fächern hinzu, worüber unter Dozenten viel gesprochen wird. Vielfach sei auf Grund des schlechten Wissensstandes ersprießliche wissenschaftliche Arbeit in den Seminaren in Frage gestellt.
(OV)

Belege
Empfohlene Zitierweise
„Geheimer Bericht über die Lage an den Hochschulen, 5. Februar 1940“, in: Zeitgeschichte in Hessen <https://www.lagis-hessen.de/de/subjects/idrec/sn/edb/id/4681> (Stand: 5.2.2021)
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