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Bericht über die Stimmung in der SA, November - Dezember 1934

Der Exil-Vorstand der SPD gibt in seinem Deutschland-Bericht für die Monate November / Dezember 1934 Nachrichten über die Stimmung in der SA ein halbes Jahr nach der Aktion gegen die SA-Führung im sogenannten Röhm-Putsch am 30. Juni 1934 wieder:
Wir haben zuletzt im Anschluß an die Ereignisse vom 30. Juni über die nationalsozialistischen Wehrverbände berichtet. In der letzten Zeit hat sich gezeigt, daß diese Ereignisse doch tiefere Spuren hinterlassen haben. In den ersten Monaten nach dem 30. Juni war zu beobachten, daß das Ansehen Hitlers eher gestärkt als geschwächt war. Seitdem hat sich aber immer mehr herausgestellt, daß der 30. Juni und seine Folgeerscheinungen: die Säuberung und Kaltstellung der SA. doch der Mehrzahl der „alten Kämpfer“ die Freude am Geschäft verdorben und sie schwer deprimiert und unsicher gemacht haben. Alle allgemeinen politischen Erscheinungen, die bei den Hitler-Anhängern Unsicherheit und Mißtrauen erzeugen, fallen bei den SA-Männern auf besonders fruchtbaren Boden.
Aus einem Reisebericht: In Hamburg, Lübeck und Kassel sprach ich Genossen, die gezwungenermaßen der SA angehören. Sie behaupten, daß die Verdrossenheit, der Unmut, die Meckerei außerordentlich groß wäre, vor allem in den Marinestürmen. Kreis- und Gauleiter der NSDAP, aber nicht die höheren Führer der SA., sind Gegenstand unzähliger Gerüchte über Schlemmereien, Sexualorgien, Korruption usw.
[...] Man sucht sich vom Dienst zu drücken so gut man kann, ja legt es oft bewußt darauf an, hinausgeworfen zu werden. Es behagt den in Stellungen befindlichen Angestellten, Arbeitern usw. nicht, nach der Tagesarbeit noch die halbe Nacht draußen herumgetrieben zu werden. Die hauptamtlichen Führer, die sonst nichts zu tun haben, sind die Veranlasser eines zu großen Dienstplanes. In den Städten sind diese Leute meist ehemalige, verkrachte Akademiker. In kleineren Orten, wo eine Fabrik oder ein Gut ist, stellt die neue Militär-Parteihierarchie meist unverändert ein Abbild der sozialen Hierarchie dar.
[...] In Lübeck und Kassel sagten mir SA-Leute, daß im Falle einer Revolution oder auch eines Krieges die SA wie dürrer Zunder auseinanderfallen würde. Niemand wolle kämpfen, es wäre keine Begeisterung da. Alle würden versuchen, sich zu verkrümeln.
(OV)

Belege
Empfohlene Zitierweise
„Bericht über die Stimmung in der SA, November - Dezember 1934“, in: Zeitgeschichte in Hessen <https://www.lagis-hessen.de/de/subjects/idrec/sn/edb/id/3907> (Stand: 3.9.2020)
Ereignisse im Oktober 1934 | November 1934 | Dezember 1934
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