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Friedenspreis des Deutschen Buchhandels an Albert Schweitzer, 16. September 1951

Im Rahmen der Frankfurter Buchmesse wird der erstmals vergebene Friedenspreis des Deutschen Buchhandels an den Arzt und Theologen Albert Schweitzer (1875–1965) verliehen. Die Preisverleihung findet in der „bis auf den letzten Platz gefüllten“ Frankfurter Paulskirche statt. Die Laudatio hält Bundespräsident Theodor Heuss (1884–1963).

Die Jury begründet ihre Entscheidung folgendermaßen:

Dank und Ehre wird dadurch bezeugt, dem mutigen und tapferen Vorkämpfer für das friedliche Werk an den Armen und Schwachen, dem Manne, der in einem langen, mühe- und opfervollen, erfolgreichen Leben in Wort und Tat für die Ziele eines edlen Menschentums wirkte, in Zeiten, in denen die Menschen und Völker durch Zwiespalt, Haß und Kriege sich an den Rand des Abgrundes brachten.

Der Preisträger bezeichnet in seiner Rede den Preis in erster Linie als eine Ermutigung zum Festhalten am humanitären Geist in einem Augenblick, da in der Welt alles durch die Angst beherrscht werde und das Schicksal der Menschheit durch die Anhäufung technisch-wissenschaftlicher Machtfülle auf dem Spiel stehe:

Und wir können nichts anderes, als unsere Hoffnung darauf setzen, daß der Geist der Humanität, dessen wir bedürfen, in unserer Zeit wieder aufkomme.
Aber verlangen wir nicht etwas Unmögliches. Wie soll der Geist, der die Kraft verloren hat, sie wieder finden? Und doch ist Aussicht, daß er sie wieder findet. Es geht etwas vor in unserer Zeit, was uns dies erhoffen läßt. Der Geist der Humanität ist nicht tot. Er lebt in der Verborgenheit, und er hat es überwunden, daß er ohne Welterkenntnis sein muß. Es ist ihm klargeworden, daß er sich aus nichts anderem zu begründen hat als aus dem Wesen des Menschen, und damit hat er eine Selbständigkeit gewonnen, die eine Stärke ist. Und weiter ist er zu der Erkenntnis fortgeschritten, daß dieses Mitempfinden erst seine wahre Weite und Tiefe hat und damit erst die wahre Lebenskraft, wenn es sich nicht nur auf den Mitmenschen, sondern auf alles Lebendige, das in unseren Bereich tritt, bezieht. Er braucht keine andere Lebens- und Welterkenntnis mehr als die, daß alles, was ist, Leben ist und daß wir allem, was ist, als Leben, als einem höchsten unersetzlichen Wert Ehrfurcht entgegenbringen müssen.
Keine Naturwissenschaft kann der Humanitätsgesinnung diese einfachste Erkenntnis nehmen, denn sie ist letzten Endes die, bei der jede Naturwissenschaft, als der eigentlichen und einfachsten, haltmacht, daß alles, was ist, belebt ist. Und so bereitet sich in den Stürmen dieser Zeit vor, daß die Humanitätsgesinnung, die das Wesen unserer Kultur ausmachte, wieder erstehen wird und daß diese Humanitätsgesinnung uns aus der Not, in der wir uns befinden, herausführen kann.

Den mit der Auszeichnung verbundenen Geldbetrag in Höhe von 10.000 DM will Schweitzer „notleidenden Schriftstellern und Heimatvertriebenen“ spenden. Er erklärte, dass er von der großen Summe „überwältigt“ sei. „Er nehme die Ehrung des Preises, aber nicht die Geldsumme an. Solange die Not in Deutschland so groß sei, erlaube ihm sein Gewissen nicht, dort Geld für sein Werk anzunehmen.“ (Frankfurter Allgemeine Zeitung, 27.8.1951, S. 4).

Zugleich mit der Friedenspreis-Verleihung, die in Anwesenheit von Vertretern der Regierung, der Wissenschaft, der Kirchen und der diplomatischen und konsularischen Corps stattfindet, wurde dem Frankfurter Oberbürgermeister Walter Kolb (1902–1956; SPD) für seine Verdienste um die Messestadt eine Plakette des deutschen Buchhandels verliehen.

Für Albert Schweitzer war dies indes nicht der erste Preis, der ihm in Frankfurt verliehen wurde. 23 Jahre zuvor, am 28. August 1928 wurde ihm der Goethe-Preis der Stadt verliehen.
(LV)

Belege
Weiterführende Informationen
Empfohlene Zitierweise
„Friedenspreis des Deutschen Buchhandels an Albert Schweitzer, 16. September 1951“, in: Zeitgeschichte in Hessen <https://www.lagis-hessen.de/de/subjects/idrec/sn/edb/id/5354> (Stand: 2.10.2020)
Ereignisse im August 1951 | September 1951 | Oktober 1951
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