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Nationalsozialist Heinrich Müller übernimmt Polizeigewalt im Volksstaat Hessen, 6. März 1933

Der NSDAP-Landtagsabgeordnete Dr. Heinrich Müller (1896–1945) übernimmt als Reichskommissar die Regierungs- und Polizeigewalt im Volksstaat Hessen.

In einer Bekanntmachung teilt er mit, dass ihm der Reichsminister des Innern die Polizeigewalt im Volksstaat übertragen habe und dass er den Landtagsabgeordneten Dr. Werner Best (1903–1989; NSDAP) zum Sonderkommissar für das hessische Polizeiwesen und seinen Stellvertreter ernannt habe. Den Polizei-Oberstleutnant Karl Fendel-Sartorius habe er zugleich zum Führer der gesamten uniformierten Polizei und der Gendarmerie in Hessen ernannt.

Außerdem bestellt er, so Müller in der Bekanntmachung, zur Unterstützung der staatlichen Polizei ... gemäß noch ergehenden Anordnungen Hilfspolizei aus den hinter der Reichsregierung stehenden Verbänden.

Müller ermahnt alle Kreise der hessischen Bevölkerung, in diesen Tagen des Uebergangs strengste Disziplin und ruhigste Besonnenheit zu wahren, um den Organen des Staates, bei denen ausschließlich die Ausübung öffentlicher Gewalt liegt, ihre Aufgabe, die Ordnung und Sicherheit im Lande aufrecht zu erhalten, nicht zu erschweren.

Mit der Bestellung von Heinrich Müller zum Reichskommissar und Inhaber der Polizeigewalt kontrolliert die NSDAP endgültig die bisher von dem sozialdemokratischen Innenminister Wilhelm Leuschner (1890–1944) geleitete hessische Polizei. Die Folge sind sehr rasch Hausdurchsuchungen und Verhaftungen politischer Gegner, vor allem von Kommunisten, Sozialdemokraten und Gewerkschaftern. Der zum Sonderkommissar für das hessische Polizeiwesen ernannte Dr. Werner Best hatte schon 1931 in den von ihm verfassten Boxheimer Dokumenten detailliert beschrieben, wie sich eine nationalsozialistische Machtergreifung vollziehen könne. Jetzt behauptet er in der Öffentlichkeit, dass die Haussuchungen die das in den Dokumenten beschriebene Szenario bestätigen: Die bolschewistische Gefahr, über deren Ankündigung der weise Spießer noch vor zwei Jahren lächelte, ist im letzten Augenblick in ihrem ganzen Umfang enthüllt worden.

Auch wenn Müller in seiner Bekanntmachung betont, dass die Ausübung öffentlicher Gewalt allein bei den Organen des Staates liege, ist mit der Einbeziehung von hinter der Reichsregierung stehenden Verbänden zur Hilfspolizei dem massiven Vorgehen von SA und SS gegen politische Gegner und Andersdenkende (vermeintlich) eine formale Legitimation gegeben.
(OV)

Belege
  • Staatsarchiv Darmstadt R 4, Nr. 25910
Weiterführende Informationen
Empfohlene Zitierweise
„Nationalsozialist Heinrich Müller übernimmt Polizeigewalt im Volksstaat Hessen, 6. März 1933“, in: Zeitgeschichte in Hessen <https://www.lagis-hessen.de/de/subjects/idrec/sn/edb/id/714> (Stand: 6.3.2023)
Ereignisse im Februar 1933 | März 1933 | April 1933
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