Landesgeschichtliches Informationssystem Hessen

Grabdenkmäler

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Eberhard Magnus von Rodenhausen 1587 und seine Frau Margaretha geb. von Buseck genannt Rüsser 1586, Kirchberg

Kirchberg · Gem. Lollar · Landkreis Gießen | Historisches Ortslexikon
Standort | Merkmale | Beschreibung | Inschrift | Nachweise | Zitierweise
Standort

Standort:

Kirchberg

Gebäude / Areal:

Kirchberg, Evangelische Kirche.

Heutiger Aufbewahrungsort:

Kirchberg, Evangelische Kirche.

An der südlichen Innenwand des Chores. Nach Dehio 1962 in den ursprünglichen Farben restauriert.

Merkmale

Datierung:

27. August 1587; 25. Mai 1586

Typ:

Epitaph

Material:

Sandstein, bemalt

Erhaltung:

erhalten

Größe:

211 x 420 cm (B x H)

Größe der Buchstaben:

1,5-4,5 cm

Beschreibung

Beschreibung:

Die Höhe des Epitaphs konnte nur ungefähr ermittelt werden.

Weitere Maße: maximale Tiefe 45 cm, Höhe des Figurenfeldes 175 cm.

Der Sockel des hohen und von Renaissanceformen geprägten Epitaphs ist wie in der Regel symmetrisch gegliedert. Die auf die Figuren bezogenen Inschriftfelder (A) werden seitlich von vorspringenden hochrechteckigen Stützen mit Löwenköpfen umgeben, welche die profilierte Standplatte des figürlichen Teiles tragen und auf dessen Umrahmung bezogen sind. Dabei handelt es sich um Hermenpilaster mit sich nach unten verjüngenden Schäften mit Kanneluren. Über einem geschwungenen Tuch erfolgt der Übergang zu einem nackten männlichen Oberkörper auf der linken Seite, rechts einem entsprechenden weiblichen. Da sich über den Köpfen ionische Kapitelle befinden, welche das Gebälk tragen, sind die Figuren in ihrer Funktion als Gebälkstützen mit "Atlanten" zu benennen. Eine reliefierte Leiste umrahmt das innere Figurenfeld und bildet eine giebelartige Umfassung der einzelnen Verstorbenen. Die Frau ist mit einem langen Kleid mit hellen Manschetten und einem langen, sich leicht öffnenden Mantel mit senkrechten Borten zeittypisch bekleidet. Sie trägt eine helle Haube um die ein schalartiges Tuch von gleicher Farbe drapiert ist. Es bedeckt den Hals und leitet über zu den Schultern. Die Haltung des Oberkörpers scheint verkrampft. Es zeichnet sich ab eine asymmetrische Bildung der linken Schulter und ihr Hochstehen. Diese vom Anatomischen her unübliche Wiedergabe ist schwerlich allein von der leicht gedrehten Haltung der Figur zu erklären, die sich in der Zeit durchaus mehrfach findet ohne derartige Auffälligkeiten. Auch ihr Ehemann steht leicht schräg zur Rückwand, ohne daß die Schulterachse spürbar von der Waagrechten abweicht. Weiterhin zeigt ein Blick auf die Hermenpilaster, daß der Bildhauer in der Lage ist, auch nackte Körperpartien korrekt wiederzugeben. Demnach muss es einen Grund für die beschriebene Darstellungsweise geben. Hinzu kommt die geringe Körpergröße der Frau, die aus diesem Grund wahrscheinlich auf einen Sockel gestellt wurde. Auch wenn es dazu Parallelen gibt, ist ihre relativ kleine Gestalt im Zusammenhang mit der Schulteranomalie beachtenswert. Diese Beobachtungen beinhalten die Frage, ob zu der zeitgemäßen porträthaften Darstellung im Rahmen der Individualisierung auch die Wiedergabe von Krankheitsbildern treten kann (Anm. 1). Mit dem hier gegebenen seltenen Beispiel im Bereich der Grabmalkunst ist die Frage zu bejahen. Es wird eine orthopädische Krankheit, die Skoliose, wiedergegeben. Diese geht mit dem Hochstehen einer Schulter einher, mit dem Vorspringen eines Rippenbuckels und mit Kleinwüchsigkeit (Anm. 2).

Der mächtige und hochgewachsene Eberhard Magnus von Rodenhausen erscheint im Harnisch. Er trägt Schwert und Dolch, eine Halskrause umfängt den rundlichen Kopf, dessen Kontur von dem Bartkranz nachgezeichnet wird. Sein Standmotiv ist mit gerade gestelltem und abgewinkelten Fuß, über dem der abgelegte Helm Platz findet, differenziert. Seine Körpergröße und Haltung bringt es mit sich, daß er, die innere Rahmung überschneidend, in diese nahezu eingezwängt erscheint.

Über dem Figurenfeld in waagrechter Aufreihung acht Vollwappen mit Namensbeischriften (C), abgeschlossen von einem Gesims mit antikisierenden Formelementen. In der Mitte darüber, aber von deutlich geringerer Breite, eine Inschrifttafel (B), seitlich ebenfalls von kleinen Hermenpilastern und nach außen von Rollwerk umrahmt. In der Mitte des die Inschrift bekrönenden dreieckigen Giebelfeldes erscheint ein bärtiger Kopf, der Blick ist zur gegenüberliegenden Wand gerichtet, ein seltenes, kaum deutbares Motiv. Auf den Schrägen des Giebels liegen, das Epitaph zur oberen Mitte hin abschließend, zwei Genien mit aufgestützten Köpfen. Der linke hält ein Stundenglas, der rechte einen Totenschädel im bekannten Hinweis auf die Endlichkeit des Lebens. Zwischen beiden in der obersten Mitte ein rechteckiger Stein mit Rosette.

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Anm.1. Die Richtigkeit dieser Deutung vorausgesetzt, handelt es sich bei diesem Beispiel einer Krankheitsangabe um eine Ausnahme. Auch wenn Albrecht Dürers Kohlezeichnung von 1514 im Berliner Kupferstichkabinett das Brustbild seiner Mutter mit Altersangaben und Krankheitszeichen versieht, ist der Unterschied der Gattungen, d.h. zwischen Graphik und öffentlichem Denkmal zu berücksichtigen. Zu der Dürerzeichnung vgl. M. Roth unter Mitarbeit von U. B. Ullrich, Dürers Mutter, Schönheit, Alter und Tod im Bild der Renaissance, Kupferstichkabinett, Staatl. Museen zu Berlin, 2006, S. 17ff.,W. Pirsig, "Dürers Mutter" – aus ärztlicher Sicht.

Anm.2 Die Skoliose war eine weit verbreitete Krankheit, noch 1920 eine Krankheit im Sinn der Reichsversicherungsordnung. Vgl. Peter Pitzen, Orthopädische Krankheiten, 1936, S.94, zum Krankheitsbild ebenda S.86 ff.

Darstellung:

figürlich

Geschlecht, Alter, Familienstand:

weibliche Person(en) · Ehepaar · männliche Person(en)

Stand:

Adlige

Enthaltene Wappen:

Insgesamt 8 Vollwappen mit Namensbeischriften oberhalb der Figuren. Die linken vier stehen für die Ahnen des Mannes, die rechten vier für die der Frau.

a) Ahnenwappen des Eberhard Magnus von Rodenhausen (von innen nach außen):

1) von Rodenhausen (Vater), 2) Schabe (Mutter), 3) Rau von Holzhausen (Vaters Mutter) und 4) Schenk zu Schweinsberg (Mutters Mutter).

b) Ahnenwappen seiner Frau (von innen nach außen):

1) von Buseck genannt Rüsser (Vater), 2) von Merlau (Mutter), 3) von Nordeck genannt Braun (Vaters Mutter) und 4) Rau von Holzhausen (Mutters Mutter).

Dargestellte Personen:

Eberhard Magnus von Rodenhausen, gestorben am 27. August 1587, und seine Frau Margaretha geb. von Buseck genannt Rüsser (Reusser), gestorben am 25. Mai 1586.

Das Grabdenkmal für Margarethas Vater Hartmann von Buseck genannt Rüsser (+ 1575), den letzten seines Stammes, befindet sich in der Kirche zu Alten-Buseck.

Inschrift

Umschrift:

A:

ANNO D(OMI)NI 1587 DEN 27 /

AVGVSTVS STARB IN /

GOTT DER EDELE VND /

ERNVHESTE EBERHART /

MAGNVS VON RODEN,, /

HAVSEN etc. DER SELEN /

GOTT GENEDIG SEY //

ANNO D(OMI)NI 1586 DEN /

25 MEY STARB IN GOTT /

DEI (!) EDELE VND TVGENTSME (!) /

FRAW MARGRETA SEIN /

HAVSERAW (!) GEBORN /

RFVSSER (!) DER SELEN /

GOTT GENEDIG SEY

B:

ES KOMPT DIE STVND IN /

WILCHER ALLE DIE IN DEN /

GREBERN SEIND WERDEN /

DIE STIM DES SONS GOTTES /

HOREN VND WERDEN HER- /

FVR GEHEN DIE DA GVTS /

GETHAN HABEN ZVR /

VFFERSTHVNG (!) DES LEBENS DIE /

ABER VBELS GETHAN HABEN /

ZVR VHFFERSTHVNG (!) DES /

GERICHTS IO(HANN)IS: 5 ·

C: (Namensbeischriften zu den Wappen von links nach rechts)

SCHENCK //

RAW //

SCHAB //

RODENHAVSSEN //

RVSSER //

MERLEN //

BRVN //

RAW

Kommentar:

Inschrift B = Johannesevangelium, 5. Kapitel, Verse 28-29.

Schrift:

Kapitalis

Nachweise

Literatur:

  • Walbe, Heinrich (Bearb.): Die Kunstdenkmäler im Freistaat Hessen – Provinz Oberhessen – Kreis Giessen, Band 1: Nördlicher Teil, Darmstadt 1938, S. 262
  • Huttarsch, Reinhold und Müller, Michael: Lollar beiderseits der Lahn, Lollar 1984, S. 102 (Abb.)
  • Dehio, Georg: Handbuch der deutschen Kunstdenkmäler – Hessen, bearb. von Magnus Backes, 2. Aufl. München 1982, S. 724

Personen:

Buseck genannt Rüsser, Hartmann von · Rüsser von Buseck, Hartmann

Orte:

Alten-Buseck

Sachbegriffe:

Wappen · Löwenköpfe · Hermenpilaster · Pilaster · Atlanten · Harnische · Rüstungen · Genien · Todesgenien · Stundengläser · Totenschädel · Krankheitsbilder · Kapitelle, ionische · Manschetten · Hauben · Schwerter · Dolche · Halskrausen · Bärte · Rollwerk · Fassungen, farbige · Farbfassungen · Ehepaare · Frauen · Männer · Adlige

Wappen:

Rodenhausen · Schabe · Rau von Holzhausen · Schenk zu Schweinsberg · Buseck genannt Rüsser · Rüsser von Buseck · Merlau · Nordeck genannt Braun · Braun von Nordeck

Bearbeitung:

Christa Benedum, Gießen, und Andreas Schmidt, HLGL

Zitierweise
„Eberhard Magnus von Rodenhausen 1587 und seine Frau Margaretha geb. von Buseck genannt Rüsser 1586, Kirchberg“, in: Grabdenkmäler <https://www.lagis-hessen.de/de/subjects/idrec/sn/gdm/id/857> (Stand: 16.1.2012)