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Demonstration gegen geplanten NPD-Aufmarsch / Veranstaltung „Rock gegen rechts“ in Frankfurt, 16. Juni 1979

In Frankfurt am Main demonstrieren schätzungsweise 40.000 Menschen gegen das geplante „Deutschlandtreffen“ der rechtsextremen Nationaldemokratischen Partei Deutschlands (NPD), die bereits 1977 zu einer Kundgebung in Frankfurt aufgerufen hatte, um die Mainmetropole „zur ersten nationaldemokratischen Stadt Deutschlands“ zu machen. Am 17. Juni 1977 marschierten daraufhin etwa 3.000 NPD-Anhänger aus Deutschland und den Nachbarländern mit Fahnen, Trommeln und Hitlergruß vom Ratsweg durch Bornheim bis zum Römerberg, wo es unter Einschreiten der Polizei zu gewaltsamen Auseinandersetzungen mit antifaschistischen Gegendemonstranten kam. 1978 meldete die NPD erneut ihr „Deutschlandtreffen“ an, konnte aber für ihren Demonstrationszug nicht die ursprünglich geplante Route durch die Innenstadt Frankfurts nutzen. Bei dem Versuch der rechtsextremen Partei, auf dem von mehreren Tausend Gegendemonstranten besetzten Römer unter Polizeischutz die Bühne für ihre Abschlusskundgebung aufzubauen, kam es zu schweren Ausschreitungen, in deren Folge der Rücktritt des Frankfurter Polizeipräsidenten gefordert wurde.

Im Zuge der Vorbereitungen zu Gegenveranstaltungen des in diesem Jahr erneut angekündigten „Deutschlandtreffens“ bildet sich ein Bündnis aus Linken, Sozialdemokraten, Umweltschützern und Gewerkschaftsjugend, die ein explizit politisch-antifaschistisches Rockkonzert unter dem Motto „Rock gegen Rechts“ auf dem Römerberg anmelden.

Trotz eines von Oberbürgermeister Walter Wallmann (1932–2013; CDU) am späten Freitagabend wegen „polizeilichen Notstandes“ kurzfristig verfügten Demonstrations- und Kundgebungsverbotes kommen in der Nacht von Freitag auf Samstag und am Samstagmorgen (nach Schätzung der Polizei) etwa 20.000 NPD-Gegner aus dem gesamten Bundesgebiet nach Frankfurt, die in mehreren großen Demonstrationszügen und zahlreichen kleineren und größeren Gruppen in die Innenstadt strömen. Um schwere Konfrontationen zu vermeiden, verfolgt die Polizei eine Deeskalationsstrategie und toleriert die Präsenz der Demonstranten. Zuvor signalisierten SPD und der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB), dass sie das von Wallmann aus Angst vor Ausschreitungen nunmehr für beide Seiten verhängte Demonstrationsverbot nicht mittragen werden.1 Unter strengen Auflagen darf das vom Bündnis „Rock gegen Rechts“ organisierte antifaschistische Konzert, das zunächst mit verboten worden war, schließlich doch noch durchgeführt werden, allerdings nicht auf dem Römerberg, sondern auf dem abgelegenen Rebstock-Gelände. Der deutsche Rocksänger Udo Lindenberg (geb. 1946) begrüßt die etwa 30.000 anwesenden NPD-Gegner mit den Worten „Wir müssen die rechten Ochsenköppe stoppen, deshalb sind wir hier“.

Als Inspirationsquelle für das Konzert dient die 1978 unter der Bezeichnung Rock Against Racism begründeten Veranstaltungsplattform, deren Initiator die 1976 ins Leben gerufene britische Anti Nazi League ist. Die als Zeichen gegen eine Ende der 1970er Jahre steigende Anzahl von rassistischen Übergriffen in Großbritannien ins Leben gerufene Anti Nazi League veranstaltete im Gründungsjahr von Rock Against Racism am 30. April 1978 ein deklariert antifaschistisches, als „Carnival against the Nazis“ betiteltes Open-Air-Konzert im Victoria Park im Londoner East End, auf dem populäre Punk-, Rock- und Reggae-Gruppen auftraten (unter anderem The Clash2, Buzzcocks, X-Ray Spex, die Tom Robinson Band, Steel Pulse und Misty in Roots). Zuvor marschierten mehr als 100.000 Demonstranten vom Trafalgar Square aus durch das Londoner East End, das zur damaligen Zeit als Kerngebiet der rechtsextremen British National Front gilt.

Das Motto des Frankfurter Festivals findet in den kommenden Jahren und Jahrzehnten unregelmäßig abermals Verwendung bei Konzertveranstaltungen gegen Rechtsextremismus in Deutschland.
(KU)


  1. Wallmann hatte das „Deutschlandtreffen“ der NPD in Frankfurt aufgrund der in den Vorjahren gemachten Erfahrungen verboten, diese Entscheidung wurde jedoch von einem Verwaltungsgericht wieder aufgehoben. Am Tag der Verbotsaufhebung entschließt sich Wallmann buchstäblich „in letzter Minute“ ein generelles Demonstrationsverbot auszusprechen, was ihm vor allem von Gewerkschaftsseite heftige Kritik einträgt. Mit der Verfügung wird erstmals in der Geschichte der BRD eine Gewerkschaftskundgebung verboten.
  2. The Clash’s Sänger und Gitarrist Joe Strummer (1952–2002) trat in einem politischen Shirt auf, das die Aufschrift „Brigade Rosse“ (der Name der kommunistischen Untergrundorganisation Brigate Rosse in Italien) und das Logo der in Deutschland aktiven linksterroristischen Vereinigung Rote Armee Fraktion (ein Stern vor dem das Bild eines Heckler & Koch MP5-Gewehrs und die Buchstaben „RAF“ platziert sind) trägt.
Belege
Weiterführende Informationen
Empfohlene Zitierweise
„Demonstration gegen geplanten NPD-Aufmarsch / Veranstaltung „Rock gegen rechts“ in Frankfurt, 16. Juni 1979“, in: Zeitgeschichte in Hessen <https://www.lagis-hessen.de/de/subjects/idrec/sn/edb/id/1415> (Stand: 16.6.2022)
Ereignisse im Mai 1979 | Juni 1979 | Juli 1979
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