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KDR 100, TK25 1900 ff.
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Kurfürstentum Hessen 1840-1861 – 23. Oberkaufungen
Gerichtsstätten
Gerichtsplatz in Oberkaufungen

Weitere Informationen

Oberkaufungen

Ortsteil · 215 m über NN
Gemeinde Kaufungen, Landkreis Kassel 
Siedlung | Statistik | Verfassung | Besitz | Kirche und Religion | Kultur | Wirtschaft | Nachweise | Zitierweise
Siedlung

Ortstyp:

Dorf

Lagebezug:

10 km südöstlich von Kassel

Lage und Verkehrslage:

Dorf beiderseits der Losse mit einfachem Grundriß und geringer Siedlungsdichte am Südostrand des Kasseler Becken im südwestlichen Vorland des Kaufunger Waldes. Im Westen unmittelbar angrenzend liegt der eng verbundene Ort Niederkaufungen. Südwestlich auf einem Bergsporn überragt die im 11. Jahrhundert angelegte Stiftskirche zum Heiligen Kreuz mit St. Georgskapelle und Bauten des Ritterschaftlichen Stifts den Ort. Dieser Bereich um das Stiftsareal wird auch als Königsdorf, Freiheiter Stiftsgemeinde oder Stiftsfreiheit bezeichnet. Hiervon wird das sog. Unterdorf unterschieden. Katholische Pfarrkirche St. Heinrich nördlich der Losse in der Niester Straße. Moderne Siedlungsentwicklung nach Nordosten Richtung Kaufunger Wald und nach Westen Richtung Niederkaufungen. Im Süden verläuft die B 7 von Kassel Richtung Hessisch-Lichtenau, eine Verbindungsstraße (K 6) führt nach Nieste.

Bahnhof der Eisenbahnlinie Waldkappel – Kassel/Wilhelmshöhe ("Lossetalbahn") (Inbetriebnahme der Strecke 1.12.1879).

Ersterwähnung:

1011

Siedlungsentwicklung:

1928 erfolgt die Eingemeindung von Teilen des aufgelösten Gutsbezirks Stift Kaufungen.

Vorbemerkung Historische Namensformen:

In den frühen Quellen sind Ober- und Niederkaufungen sowie das Kloster nicht immer deutlich zu unterscheiden.

Historische Namensformen:

Bezeichnung der Siedlung:

  • villa (1019)
  • villa (1041)
  • villa (1229)
  • habitantes in domibus liberis ibidem prope ecclesiam Kouffungensem (später Stiftsfreiheit) (1413-1432) [sogenannte Kaufunger Stiftsstatuten Roques, Urkundenbuch Kloster Kaufungen 1, S. 541-563, hier 552]
  • Dorfschaft, Dorf, Dorfsgemeinde (1777)

Siedlungsplätze innerhalb der Gemarkung:

Burgen und Befestigungen:

Umlegung der Flur:

1877

Älteste Gemarkungskarte:

1686

Koordinaten:

Gauß-Krüger: 3544348, 5683208
UTM: 32 U 544256 5681374
WGS84: 51.281982° N, 9.634563° O OpenLayers

Statistik

Ortskennziffer:

633015020

Flächennutzungsstatistik:

  • 1885 (Hektar): 926, davon 462 Acker (= 49.89 %), 273 Wiesen (= 29.48 %), 37 Holzungen (= 4.00 %)
  • 1961 (Hektar): 1610, davon 665 Wald (= 41.30 %)

Einwohnerstatistik:

  • 1585: 126 Haushaltungen (Der ökonomische Staat)
  • 1747: 206 Haushaltungen (Stadt- und Dorfbuch des Ober- und Niederfürstentums Hessen)
  • 1777: 192 Häuser, 872 Bewohner; Stiftsgemeinde Freiheit: 57 Häuser, 328 Bewohner. Im Dorf: 6 Metzger, 3 Lohgerber, 9 Meister, 5 Gesellen Zeugmacher, 9 Huf- und Nagelschmiede, 5 Bäcker, 4 Schreiner, 3 Böttner, 1 Wagner, 7 Schuhmacher- und flicker, 5 Leinweber, 1 Weißbinder, 6 Schneider, 2 Chirurgi, 5 Krämer, 1 Kesselhändler, 1 Sattler, 5 Rotgießer, 2 Dachdecker, 3 Seifensieder, 3 Mahlmüller, 1 Schlagmüller, 1 Lohmüller, 1 Papiermacher, 1 Alaunbergmeister, 3 Branntweinsbrenner, 1 Schlosser, 2 Jägervolontärs, 1 Zimmermann, 8 Maurer, 1 Lumpensammler, 3 Wirte, 21 Geschirrhaltende, so teils 4-, teils 3-spännig sind, 42 Taglöhner und Bergarbeiter, 3 Schäfer und 40 einzelne Weibspersonen. Auf der Freiheit: 3 Bäcker, 1 Nagelschmied, 1 Schreiner, 1 Chirurgus, 4 Krämer, 1 Drechsler, 1 Gläserhändler, 2 Rotgießer, 2 Zimmerleute, 5 Maurer, 1 Wirt, 4 Geschirrhaltende oder Ackerleute, 22 Taglöhner, 2 Schäfer und 11 einzelne Weibspersonen
  • 1885: 2110, davon 2016 evangelisch (= 95.55 %), 12 katholisch (= 0.57 %), 81 andere Christen (= 3.84 %), 1 Juden (= 0.05 %). Stiftsfreiheit: 20 Einwohner
  • 1961: 5383, davon 4446 evangelisch (= 82.59 %), 690 katholisch (= 12.82 %)
  • 1970: 5801 Einwohner

Diagramme:

Oberkaufungen: Einwohnerzahlen 1834-1967

Datenquelle: Historisches Gemeindeverzeichnis für Hessen: 1. Die Bevölkerung der Gemeinden 1834-1967.
Wiesbaden : Hessisches Statistisches Landesamt, 1968.

Verfassung

Verwaltungsbezirk:

  • 1019: Hessengau, in der Grafschaft des Grafen Friedrich (in pago Hassia sitas in comitatu Frederici comitis)
  • 1458: Landgrafschaft Hessen, Amt Neustadt Kassel
  • 1585: Landgrafschaft Hessen, Niederhessen, Kassel, Gericht vor der Neuenstadt
  • 1787: Landgrafschaft Hessen-Kassel, Niederhessen, Amt Neustadt
  • 1803-1806: Kurfürstentum Hessen, Niederhessen, Amt Neustadt
  • 1807-1813: Königreich Westphalen, Departement der Fulda, Distrikt Kassel, Kanton Kaufungen
  • 1814-1817: Kurfürstentum Hessen, Niederhessen, Amt Kaufungen
  • 1817-1821: Kurfürstentum Hessen, Niederhessen, Amt Großalmerode
  • 1821: Kurfürstentum Hessen, Provinz Niederhessen, Kreis Kassel
  • 1848: Kurfürstentum Hessen, Bezirk Kassel
  • 1851: Kurfürstentum Hessen, Provinz Niederhessen, Kreis Kassel
  • 1867: Königreich Preußen, Provinz Hessen-Nassau, Regierungsbezirk Kassel, Landkreis Kassel
  • 1945: Groß-Hessen, Regierungsbezirk Kassel, Kreis Kassel
  • 1946: Land Hessen, Regierungsbezirk Kassel, Kreis Kassel
  • 1970: Land Hessen, Regierungsbezirk Kassel, Landkreis Kassel, Gemeinde Kaufungen (s. Gemeindeentwicklung)

Altkreis:

Kassel

Gericht:

  • Erster Schöppenstuhl
  • a) Gericht Kaufungen:
  • Das Gericht zu Kaufungen leiteten der landgräfliche Schultheiß in Kassel und der officiatus des Klosters (Kopp, Gerichtsverfassungen 1, 324).
  • b) Spätere Gerichtszugehörigkeit von Oberkaufungen:
  • bis 1822: Amt Großalmerode
  • 1822: Landgericht Kassel
  • 1850: Justizamt Oberkaufungen
  • 1867: Amtsgericht Oberkaufungen
  • 1879: Amtsgericht Oberkaufungen
  • 1945: Amtsgericht Kassel

Herrschaft:

Spätestens 1017 gründet Kunigunde, die Gemahlin Kaiser Heinrichs II., das Benediktinerinnenkloster Kaufungen als Witwensitz. Zwei Jahre später, 1019, schenkt der Kaiser diesem bereits bestehenden Kloster u.a. die villa Oberkaufungen zusammen mit dem Kloster selbst, d.h. dem ehemaligen Königshof Kaufungen, den der Herrscher offenbar von Kassel hierhin verlegt hatte. Zahlreiche Königsbesuche Heinrichs II. 1015, 1017, 1019 und 1020 lassen vermuten, dass in Oberkaufungen eine kleine Pfalz bestand.

1297 übernehmen die Landgrafen von Hessen mit der Vogtei Kaufungen die Herrschaft und Hohe Gerichtsbarkeit. Landgraf Heinrich II. von Hessen und sein Sohn Otto befreien 1353 u.a. den Stiftshof zu Kaufungen von der Schafbede. Das Stift verfügt bis zu seiner Auflösung über Güter, die zu Lehen, Leibzucht oder auf Wiederkauf ausgetan werden. 1532 überträgt Landgraf Philipp die Stifte Kaufungen und Wetter der hessischen Ritterschaft.

Gemeindeentwicklung:

Am 1.12.1970 erfolgte im Zuge der hessischen Gebietsreform der Zusammenschluss der Gemeinden Niederkaufungen und Oberkaufungen zu neu gebildeten Gemeinde Kaufungen. Am 1.2.1970 wurde die Papierfabrik als neuer Ortsteil benannt.

Besitz

Grundherrschaft und Grundbesitzer:

  • Vgl. Herrschaft
  • 1019 schenkte Kaiser Heinrich II. dem neuen Kloster Kaufungen die Dörfer Nederencoufunga und Overencoufunga.

Zehntverhältnisse:

1040 erwirbt das Kloster Kaufungen das Zehntrecht von seinen Besitzungen in Hessen. 1777 stand dem Stift der Zehnte in der gesamten Gemarkung von Oberkaufungen zu

Ortsadel:

Adlige 1146 bis 1273

Kirche und Religion

Ortskirchen:

  • in sente Jorgen kirchen (1432) [Roques, Urkundenbuch Kloster Kaufungen 1, S. 418-420, Nr. 389]
  • ecclesia sancti Georgii (1473) [Roques, Urkundenbuch Kloster Kaufungen 2, S. 110-111, Nr. 513]
  • Die Kapelle St. Georg von Oberkaufungen, ein kleiner, flachgedeckter frühromanischer Bau mit halbrunder gewölbter Apsis, ist älter als die Klosterkirche s. Crucis, die seit dem 16. Jahrhundert als Pfarrkirche genutzt wird. Sie schloß direkt an das einstige Pfalzgbäude an und diente ursprünglich als Pfarrkirche, da die Klosterkirche den Stiftsdamen vorbehalten war.
  • cenobium sancte crucis (1102) [Roques, Urkundenbuch Kloster Kaufungen 1, Nr. 20, S. 26]
  • Stiftskirche zum Hl. Kreuz um 1025 errichtet, später unvollendeter Umbau in gotische Hallenkirche.
  • Katholische Pfarrkirche St. Heinrich 1961/62 errichtet.

Patrozinien:

  • Georg (Georgius) [1432]
  • Heilig Kreuz (Crux) [1102]

Pfarrzugehörigkeit:

1536, 1569 und 1585 gehört Niederkaufungen zur Pfarrei St. Georg und auch 1872 hat die protestantische Pfarrei Oberkaufungen der Klasse Kaufungen Niederkaufungen zum Filial. 1947 wird dieses mit der Errichtung einer eigenen Pfarrstelle von der Mutterkirche gelöst.

Patronat:

Vor der Reformation Kloster bzw. Stift Kaufungen, danach der Landgraf von Hessen

Klöster:

  • Kaufungen, Benediktinerinnenkloster
  • Kaufungen, Kanonissenstift
  • Kaufungen, Stift der Althessischen Ritterschaft
  • Die stattliche Klosterkirche im Bereich der ehemaligen Kaiserpfalz liegt auf einem Sporn, der den Ort überragt. Da man bald um 1015 mit der Errichtung des romanischen Gotteshauses und der Klostergebäude begann, ist von der ehemaligen Pfalzanlage nichts erhalten geblieben. Annahmen zufolge war der mittlere Teil des Rentereikellers das Untergeschoss der Pfalzkapelle.
  • König Heinrich II. übertrug seiner Gemahlin Kunigunde 1008 die Curtis Kassel und ließ eine Pfalz in Kaufungen errichten. Dort hielt er sich 1011 auch zum ersten Mal auf. Die nunmehrige Kaiserin Kunigunde gründete vor Ort 1017 ein benediktinisches Nonnenkloster. Als ihr Gatte 1024 gestorben war, trat sie im Folgejahr selbst dort ein. In Kaufungen ist sie 1033 auch gestorben. 1297 übernahm Landgraf Heinrich I. von Hessen die Klostervogtei. Obwohl es sich um eine Reichsabtei handelte, geriet das Kloster immer mehr unter hessische Landeshoheit. 1527 wurde es schließlich aufgehoben und man überwies es der hessischen Ritterschaft zur Ausstattung adliger Töchter.
  • Der Bezirk des Klosters hieß um 1900 die „Freiheit“ (zur Freiheit s. Dieter Wunder, Herrschaft und Ökonomie Oberkaufungens im 18. Jahrhundert, in: 1000 Jahre Kaufungen, S. 134-155; Historisches Ortslexikon Kurhessen, S. 274).

Diakonische Einrichtung:

1892 Kleinkinderschule; Stiftung von Frau Sophie Henschel zum Bau einer Heilanstalt; Übernahme der Baukosten; Heilanstalt vorwiegend für Arbeiter der Fa. Henschel; Betreuung durch Rote-Kreuz-Schwestern; 11.04.1900 Einweihung; 14.07.1908 eine Diakonisse für Krankenpflege, Vereinsbetreuung, Gemeindearbeit Rudolf Francke, Die christliche Liebestätigkeit in Kurhessen. Kassel 1904 ; nach Sardemann, Geschichte des hessischen Diakonissenhauses zu Cassel, S. 322-323 Gemeindepflegestation; Diakoniestation bis 1972 (Landeskirchliches Archiv Kassel, Findbuch G 2.6. Kurhessisches Diakonissenhaus); 1903 - 1956 Schwesternstation (Landeskirchliches Archiv Kassel, E 1 Oberkaufungen Pfarrarchiv Oberkaufungen)

Bekenntniswechsel:

Erster evangelischer Pfarrer: Caspar Doner 1533-1563

Kirchliche Mittelbehörden:

15. Jahrhundert: Erzbistum Mainz, Archidiakonat von St. Peter zu Fritzlar, Erzpriestersprengel Ditmold

a) Klasse Kaufungen:

1872 umfasste die Klasse Kaufungen die Pfarreien Oberkaufungen, Krumbach, Dörnhagen, Eiterhagen, Großalmerode, Heiligenrode, Helsa, Nieste und Waldau

b) Kirchliche Zugehörigkeit von Oberkaufungen:

Vor der Reformation gehörte Oberkaufungen zum Dekanat Kirchditmold (Würdtwein D. 10, 528).

1872 zählte es zur Klasse Kaufungen

Juden:

Ort ist der Kasseler Gemeinde angeschlossen.

1932/33: 1 Jude

Kultur

Schulen:

Schulmeister: Peter Dimmer vor 1581-1583; 1910 Volksschule mit fünf Klassen

Sprachgeschichte (Quellenfaksimiles):

Wirtschaft

Mittelpunktfunktion:

vgl. Herrschaft

Wirtschaft:

Zunächst vor allem Landwirtschaft und Handwerk, um 1430 Glashütten im Stifts- und Kaufunger Wald.

1540 erstes hessisches Alaunerzbergwerk, gleichzeitig Braunkohleabbau. 1555 erwirbt Landgraf Philipp zwölf Hütten und lässt diese zum Alaunsieden einrichten. Braunkohleabbau bis 1971

Mühlen:

Bunte Mühle

Kunstmühle

In der Ortsgemarkung an der Losse: Obermühle (Dautenbachstraße 1), 1777 mit einem oberschlächtigen Mahlgang, Mitte des 19. Jahrhunderts zur Sägemühle umgebaut; Mittelmühle (Mühlenplatz 5), ehemalige landgräfliche Papiermühle, 1777 mit zwei oberschlägigen Mahlgängen; Lohmühle (Mühlenweg 6), 1777 mit einem unterschlägigen Gang betriebene Schlag- oder Ölmühle

Markt:

1019 erhält das Kloster Kaufungen von Kaiser Heinrich II. die Bewilligung eines Jahrmarktes zu Exaltatio crucis (14. September) mit Marktgerichtsbarkeit und Zoll. Heinrich III. bewilligte 1041 wiederum einen Wochenmarkt an jedem Mittwoch und zudem einen dreitägigen Jahrmarkt zu Margarete (13. Juli) mit Zoll und allen Nutzungen. 1229 wird dem Kloster der Markt in Oberkaufungen mit allen Zugehörungen (cum foro et omnibus pertinentiis suis) von Papst Gregor IX. bestätigt. Im 16. Jahrhundert gab es vermutlich noch einen Wochenmarkt.

Nachweise

Literatur:

Zitierweise
„Oberkaufungen, Landkreis Kassel“, in: Historisches Ortslexikon <https://www.lagis-hessen.de/de/subjects/idrec/sn/ol/id/2274> (Stand: 26.9.2023)