Historisches Ortslexikon
- Messtischblatt
- 4722 Niederzwehren
- Moderne Karten
- Kartenangebot der Landesvermessung
- Topografische Karten
- KDR 100, TK25 1900 ff.
- Historische Karten
- Kurfürstentum Hessen 1840-1861 – 22. Besse
- Gerichtsstätten
- Gerichtsplatz in Oberzwehren
Oberzwehren
-
Stadtteil · 173 m über NN
Gemeinde Kassel, Stadt Kassel - Siedlung ↑
-
Ortstyp:
Dorf
-
Lagebezug:
5,5 km südwestlich von Kassel
-
Lage und Verkehrslage:
Stadtteil in der Beckenlandschaft südwestlich von Kassel mit ursprünglich dörflicher Struktur, geringer Siedlungsdichte und lockerer Gehöftanordnung. Durch den Ort führt der Grunnelbach,die Kirche befindet sich in zenraler Lage. Bis zur Industrialisierung in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts ist der Ort landwirtschaftlich geprägt, erfährt aber sodann eine rasante wirtschaftliche und bevölkerungspolitische Entwicklung sowie eine Wandlung der Erwerbsstruktur. Unter der nationalsozialistischen Herrschaft und im Zweiten Weltkrieg werden Kriegs- und Zwangsarbeiterlager in der Gemarkung Oberzwehren (s. Topographie des Nationalsozialismus) angelegt. Nach dem Zweiten Weltkrieg führen Zuwanderung und der Bau eines VW-Zweigwerks in Altenbauna, südöstlich von Oberzwehren zu nachhaltigen Veränderungen im gesamten Raum. Neue Siedlungsbereiche entstehen am Mattenberg und Schenkelsberg
Im Osten verläuft die B 3 bzw. die A 49 mit den Anschlusstellen Kassel-Niederzwehren und Kassel-West.
Haltepunkt Oberzwehren der Eisenbahnlinie Kassel – Frankfurt am Main („Main-Weser-Bahn“)
-
Siedlungsentwicklung:
Nieder- und Oberzwehren bildeten ursprünglich eine Siedlungseinheit, die erst um 1200 differenziert wird.
-
Vorbemerkung Historische Namensformen:
In den frühen Quellen ohne präzisierenden Bestimmungsteil sind Ober- und Niederzwehren nicht zu unterscheiden.
-
Historische Namensformen:
- Tuuerun, in; Tuueron, in (1081) [Fälschungen um 1100 HStAM Bestand Urk. 27 Nr. 585 und HStAM Bestand Urk. 27 Nr. 586; Druck UB Mainz 1, S. 253-258, Nr. 358]
- Dwern, in (1123) [HStAM Bestand Urk. 27 Nr. 591; Druck: Mainzer Urkundenbuch 1, S. 417-420, Nr. 514]
- Tuere, in (1145) [Klosterarchive 2: Klöster, Stifter und Hospitäler der Stadt Kassel und Kloster Weißenstein, S. 502-503, Nr. 1361]
- Thveren superiori, in (1196) [UB Mainz 2,2, S. 1052-1053, Nr. 647]
- Twerne, de (um 1200) [Urkunden Kloster Hardehausen, S. 67, Nr. 29]
- Thueren superiori, in (1213) [Klosterarchive 2: Klöster, Stifter und Hospitäler der Stadt Kassel und Kloster Weißenstein, S. 509-510, Nr. 1374]
- superiori Tveren, in (1244) [Klosterarchive 2: Klöster, Stifter und Hospitäler der Stadt Kassel und Kloster Weißenstein, S. 518-519, Nr. 1394]
- Tverne superioris, in (1257) [HStAM Bestand Urk. 39 Nr. 1; Druck: H. Schneider, Schenkungsurkunden von 1257, in: "capellam..., que dicitur Nordershusen" 750 Jahre Kloster Nordshausen vor Kassel, Anhang, S. 125-126]
- superiori villa Tweren, in (1311) [HStAM Bestand Urk. 27 Nr. 137]
- Overen Tvern, in (1322) [Klosterarchive 2: Klöster, Stifter und Hospitäler der Stadt Kassel und Kloster Weißenstein, S. 37-38, Nr. 97]
- Oberntwerne (1439) [Klosterarchive 2: Klöster, Stifter und Hospitäler der Stadt Kassel und Kloster Weißenstein, S. 161, Nr. 402]
- Obernzwern (1457-1459) [HStAM Bestand S Nr. 411]
- Ober Twern (1585) [Der ökonomische Staat, S. 77]
- Ober Zwern (1625) [Wilhelm Dilich, Landtafeln hessischer Ämter, S. 210-213, Tafeln 65-66]
- Ober Zweren (1708/10) [Schleenstein, Landesaufnahme, Karte Nr. 1]
- Ober Zweern (1747) [DB.]
-
Bezeichnung der Siedlung:
- villa (1311)
-
Siedlungsplätze innerhalb der Gemarkung:
-
Umlegung der Flur:
1882
-
Älteste Gemarkungskarte:
1729
-
Koordinaten:
Gauß-Krüger: 3531418, 5682255
UTM: 32 U 531332 5680422
WGS84: 51.274275° N, 9.449166° O OpenLayers - Statistik ↑
-
Ortskennziffer:
611000096
-
Frühere Ortskennziffer:
611000821
-
Flächennutzungsstatistik:
- 1885 (Hektar): 472, davon 310 Acker (= 65.68 %), 84 Wiesen (= 17.80 %), 0 Holzungen
-
Einwohnerstatistik:
- 1585: 27 Haush. (Der ökonomische Staat)
- 1747: 51 Haush. (Stadt- und Dorfbuch des Ober- und Niederfürstentums Hessen)
- 1885: 751, davon 744 evangelisch (= 99.07 %), 3 katholisch (= 0.40 %), 0 Juden, 4 andere (= 0.53 %)
-
Diagramme:
Datenquelle: Historisches Gemeindeverzeichnis für Hessen: 1. Die Bevölkerung der Gemeinden 1834-1967.
Wiesbaden : Hessisches Statistisches Landesamt, 1968. - Verfassung ↑
-
Verwaltungsbezirk:
- 1458/59: Landgrafschaft Kassel, Amt Kassel
- 1483: Landgrafschaft Kassel, Gericht des Zwehrentores (später Gericht bzw. Amt Bauna)
- 1787: Landgrafschaft Hessen-Kassel, Niederhessen, Amt Bauna
- 1803-1806: Kurfürstentum Hessen, Niederhessen, Amt Bauna (seit 1804 Wilhelmshöhe)
- 1807-1813: Königreich Westphalen, Departement der Fulda, Distrikt Kassel, Kanton Zwehren
- 1814-1821: Kurfürstentum Hessen, Niederhessen, Amt Wilhelmshöhe
- 1821: Kurfürstentum Hessen, Provinz Niederhessen, Kreis Kassel
- 1848: Kurfürstentum Hessen, Bezirk Kassel
- 1851: Kurfürstentum Hessen, Provinz Niederhessen, Kreis Kassel
- 1867: Königreich Preußen, Provinz Hessen-Nassau, Regierungsbezirk Kassel, Landkreis Kassel
- 1936: Deutsches Reich, Provinz Hessen-Nassau, Regierungsbezirk Kassel, Stadtkreis Kassel
-
Altkreis:
Kassel, kreisfreie Stadt
-
Gericht:
- vor 1822: Amt Ahna
- 1822: Landgericht Kassel
- 1850: Justizamt Kassel II
- 1867: Amtsgericht Kassel II
- 1879: Amtsgericht Kassel
-
Herrschaft:
1257 ist der Schaumburger Graf Albert von Wallenstein Besitzer der Kirche in Oberzwehren und der Kapelle in Nordshausen. Beides überträgt er dem von ihm in Nordhshausen gegründeten Konvent.
Nach der Reformation fällt die Herrschaft in Oberzwehren endgültig an die Landgrafschaft.
-
Gemeindeentwicklung:
1.4.1936: Eingemeindung in die Stadt Kassel.
- Besitz ↑
-
Grundherrschaft und Grundbesitzer:
- Um 1081 bestätigt Erzbischof Siegfried I. von Mainz dem Kloster Hasungen u.a. den Besitz von zwei Hufen in Zwehren, 1123 kommt eine weitere hinzu. Das Kloster erhebt noch Anfang des 14. Jahrhunderts Anspruch auf Güter in Oberzwehren.
- 1196 vertauscht der Mainzer Erzbischof Konrad an das Augustinerchorfrauenstift Weißenstein den Zehnten inTodenhausen gegen vier Mansen in Oberzwehren und einem halben in Nordshausen. 1213 erwirbt das Stift dort zwei weitere Hufen, 1259 und 1337 kommen weitere Besitzungen hinzu.
- 1257 schenkt Graf Albrecht von Wallenstein Kirche und Patronat zu Oberzwehren dem Kloster Nordshausen. In der Folge kommen weitere Güter im Ort durch Erwerb oder Schenkung hinzu.
- 1322 schenkt der Ritter Ludwig von Zwehren dem Kloster Ahnaberg u.a. seine Güter in Oberzwehren, die für ihn Conrad Schwarz (Niger) bebaut.
- 1350 verfügt das St. Martinsstift auf der Freiheit über einen Zins in Oberzwehren, 1417 fließen Einkünfte aus drei Höfen und zwei Wiesen in die Ausstattung eines Altars
-
Zehntverhältnisse:
1439 geht ein Teil des Zehnten zu Oberzwehren von denen von Gudenburg zu Mannlehen aus
- Kirche und Religion ↑
-
Ortskirchen:
- Priester (1235)
- ecclesia (1257)
- ecclesia et capella in superiori Twerne (1303) [HStAM Bestand Urk. 39 Nr. 27]
- fabrica ecclesie in Twerne (1351) [HStAM Bestand Urk. 27 Nr. 285]
- capella seu ecclesia in Oberntwernne (1386) [HStAM Bestand Urk. 39 Nr. 75]
- Thomaskirche als klassizistischer Saalbau mit Frontturm 1821-23 vermutlich an der Stelle der Vorgängerkirche errichtet
-
Patrozinien:
- Thomas [1821]
-
Pfarrzugehörigkeit:
1257 ist die Kapelle in Nordshausenvon der Kirche in Oberzwehren abhängig, doch erscheint diese in der Folge nicht mehr.
1486 und 1512 ist Oberzwehren zur Klosterpfarrei Nordshausen gehörig. 1536 als Pfarrei bezeichnet. Seit 1585 Filial von Nordshausen.
1960 werden Gemeindeteile zur Errichtung der Kirchengemeinde der Stephanuskirche (Mattenberg) ausgegliedert.
-
Patronat:
Das Patronat gehört seit 1257 dem Kloster Nordshausen und wird 1303 von Papst Benedikt XI. bestätigt.
-
Diakonische Einrichtung:
01.08.1914 eine Schwester, Krankenpflege, Vereinsbetreuung, Gemeindearbeit Sardemann, Geschichte des hessischen Diakonissenhauses zu Cassel, S. 324-325; Fortbestand der Station bis 1971 (Landeskirchliches Archiv Kassel, Findbuch G 2.6. Kurhessisches Diakonissenhaus)
-
Bekenntniswechsel:
Einführung der Reformation vermutlich unter dem Nordshäuser Pfarrer Werner Grünberg nach 1527.
-
Juden:
Ort ist der Gemeinde Kassel angeschlossen.
1932/33: 2 Juden
- Kultur ↑
-
Schulen:
1910 Volksschule mit vier Klassen
-
Sprachgeschichte (Quellenfaksimiles):
- Wirtschaft ↑
-
Wirtschaft:
Bis zur Industrialisierung überwiegend Landwirtschaft.
- Nachweise ↑
-
Literatur:
- Kassel-Lexikon, Bd. 2: L-Z, S. 116
- K. Heinemeyer, Königshöfe und Königsgut im Raum Kassel, S. 311 (Register)
- Geschichte des Dorfes Oberzwehren
- Hochhuth, Statistik der evangelischen Kirche, S. 226
- Eisenträger/Krug, Territorialgeschichte der Kasseler Landschaft, S. 109-114
- Historisches Ortslexikon Kurhessen, S. 538
- Holtmeyer, Landkreis Kassel, S. 190-192
- C. Knetsch, Die Familie von Twern, in: Hessische Chronik 4 (1915), S. 36-44
- Classen, Kirchliche Organisation, S. 182
- Arnsberg, Die jüdischen Gemeinden in Hessen: Anfang, Untergang, Neubeginn, Bd. 1, S. 414
- Zitierweise ↑
- „Oberzwehren, Stadt Kassel“, in: Historisches Ortslexikon <https://www.lagis-hessen.de/de/subjects/idrec/sn/ol/id/2249> (Stand: 22.11.2022)