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4926 Herleshausen
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KDR 100, TK25 1900 ff.
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Kurfürstentum Hessen 1840-1861 – 46. Netra
Gerichtsstätten
Anger in Herleshausen

Weitere Informationen

Herleshausen

Ortsteil · 210 m über NN
Gemeinde Herleshausen, Werra-Meißner-Kreis 
Siedlung | Statistik | Verfassung | Besitz | Kirche und Religion | Kultur | Wirtschaft | Nachweise | Zitierweise
Siedlung

Ortstyp:

Dorf

Lagebezug:

22 km südöstlich von Eschwege gelegen

Lage und Verkehrslage:

Weitläufiges Dorf mit unregelmäßigem Grundriss im südlichen Ringgau unmittelbar an der heutigen Landesgrenze zum Freistaat Thüringen, am Rande eines Waldgebietes, das sich bis zur südlich verlaufenden Werra erstreckt. Kirche neben Schloßanlage in erhöhter zentraler Lage als ältester Kern, westlich davon jüngerer Anger mit Postgebäude. Im Süden Schloßpark.

Unmittelbar im Norden von Herleshausen verläuft die von Frankfurt nach Eisenach führende A4, durch den Ort als Hainertor und dann als Bahnhofsstraße die L 3251, auf die, von Norden kommend, im Westen des Ortes die L 3247 stößt.

Haltepunkt der von Halle kommenden Eisenbahnlinie Gerstungen-Bebra (Inbetriebnahme der Strecke 25.9.1849), Bahnhof in Herleshausen 1910 errichtet. Personen- und Güterverkehr 1952 eingestellt, seit 1991 wieder zweigleisiger Betrieb

Ersterwähnung:

1019

Siedlungsentwicklung:

Die Lage von Herleshausen ist über Jahrhunderte durch ihre Grenzlage zwischen Hessen und Thüringen gekennzeichnet. Mit der innerdeutschen Teilung verschärft sich die Randlagenfunktion, indem Herleshausen Grenzkontrollpunkt für Reisen in die ehemalige DDR wird.

1928 erfolgt die Eingemeindung des aufgelösten Gutsbezirks Herleshausen, wodurch sich die Gemarkung vergrößert.

Historische Namensformen:

Bezeichnung der Siedlung:

  • curtis (1019, 1229)
  • villa (1268)
  • Dorf, Dorfschaft (1748)

Siedlungsplätze innerhalb der Gemarkung:

Burgen und Befestigungen:

  • Burg Herleshausen
  • Steinstock [früheres Schloss in Herleshausen]
  • Augustenau [Schloss in Herleshausen]

Umlegung der Flur:

1873-87, 1946-1953

Älteste Gemarkungskarte:

1725

Koordinaten:

Gauß-Krüger: 3581683, 5652989
UTM: 32 U 581576 5651167
WGS84: 51.006285° N, 10.162734° O OpenLayers

Statistik

Ortskennziffer:

636005050

Flächennutzungsstatistik:

  • 1885 (Hektar): 864, davon 402 Acker (= 46.53 %), 199 Wiesen (= 23.03 %), 188 Holzungen (= 21.76 %)
  • 1961 (Hektar): 1360, davon 422 Wald (= 31.03 %)

Einwohnerstatistik:

  • 1585: 100 Haushaltungen (Der ökonomische Staat)
  • 1640: Gemeinde konstituiert sich
  • 1747: 122 Haushaltungen (Stadt- und Dorfbuch des Ober- und Niederfürstentums Hessen)
  • 1748: 663 Einwohner. An Gewerbetreibenden bzw. Einkommenssparten werden genannt: 14 Schneider, 22 Leinweber, 1 Schreiner, 2 Schmiede, 2 Wagner, 1 Ssattler, 3 Schuster, 3 Böttner, 2 Krämer, 2 Roßkämme, 3 Müller, 3 Zimmermänner, 5 Hausschlächter, 4 Branntweinbrenner und Wirte, 8 Tagelöhner, 3 Hirten, deren einer ein Vieharzt, 53 Ackermänner, so sich von ihren Gütern nähren, 17 Weiber, so tagelohnen und spinnen
  • 1885: 1025, davon 891 evangelisch (= 86.93 %), 2 katholisch (= 0.20 %), 41 andere Christen (= 4.00 %), 91 Juden (= 8.88 %)
  • 1895: 17 Bewohner
  • 1961: 1591, davon 1336 evangelisch (= 83.97 %), 230 katholisch (= 14.46 %)
  • 1970: 1462
  • 1986: 3016 Einwohner (mit Ortsteilen), allein: etwa 1200
  • Herleshausen insgesamt:
  • Juden:
  • Schloss Augustenau:
  • vor 1933: 102 Juden in 24 Familien

Diagramme:

Herleshausen: Einwohnerzahlen 1834-1967

Datenquelle: Historisches Gemeindeverzeichnis für Hessen: 1. Die Bevölkerung der Gemeinden 1834-1967.
Wiesbaden : Hessisches Statistisches Landesamt, 1968.

Verfassung

Verwaltungsbezirk:

  • 1019: Ringgau in der Grafschaft des Grafen Siegfried (in pago Reinicgowe in comitatu Sigifridi comitis)
  • 1451: Landgrafschaft Hessen, Gericht Kaufungen (5/6 Stift Kaufungen, 1/6 Treusch von Buttlar)
  • 1585: Landgrafschaft Hessen, Niederhessen, Amt Sontra, Gericht Wersebe (Bremer) und Treusch
  • 1683: Landgrafschaft Hessen, Niederhessen, Nebenlinie Hessen-Philippstal
  • 1787: Landgrafschaft Hessen-Kassel, Niederhessen, Amt Sontra
  • 1803-1806: Kurfürstentum Hessen, Niederhessen, Amt Sontra
  • 1807-1813: Königreich Westphalen, Departement der Werra, Distrikt Eschwege, Kanton Netra
  • 1814-1818: Kurfürstentum Hessen, Niederhessen, Amt Sontra
  • 1818-1821: Kurfürstentum Hessen, Niederhessen, Amt Netra
  • 1821: Kurfürstentum Hessen, Provinz Niederhessen, Kreis Eschwege
  • 1848: Kurfürstentum Hessen, Bezirk Eschwege
  • 1851: Kurfürstentum Hessen, Provinz Niederhessen, Kreis Eschwege
  • 1867: Königreich Preußen, Provinz Hessen-Nassau, Regierungsbezirk Kassel, Landkreis Eschwege
  • 1945: Groß-Hessen, Regierungsbezirk Kassel, Kreis Eschwege
  • 1946: Land Hessen, Regierungsbezirk Kassel, Kreis Eschwege
  • 1974: Land Hessen, Regierungsbezirk Kassel, Werra-Meißner-Kreis

Altkreis:

Eschwege

Gericht:

  • Das Gericht zu Herleshausen gehört 1322 zu 1/3 dem Kloster Kaufungen, zu 2/3 den Grafen von Brandenburg, die die Vogtei schon 1268 besitzen.
  • 1451 hat Kaufungen 5/6 des Gerichts, die Treusche aber 1/6 als kaufungisches Lehen.
  • vor 1822: Amt Netra
  • 1822: Justizamt Netra
  • 1867: Amtsgericht Netra
  • 1879: Amtsgericht Netra
  • 1932: Amtsgericht Sontra

Herrschaft:

Die herrschaftliche Entwicklung von Herleshausen ist bis zur Säkularisation durch seine Zugehörigkeit zum Stift Kaufungen und dessen Auseinandersetzung mit dem regionalen Adel gekennzeichnet. Kaiser Heinrich II. schenkt 1019 den zum Erbgut seiner Gemahlin Kunigunde gehörenden Hof Herleshausen dem Kloster Kaufungen, das Adlige damit belehnt. 1229 bestätigt Papst Gregor dem Kloster seine Besitzungen u.a. in Herleshausen. 1268 überlässt Graf Burghard III. von Brandenburg dem Stift Kaufungen seine Rechte an den Besitzungen in den Dörfern Herleshausen, Wommen und Hain mit Ausnahme der Vogtei. 1279 lassen mehrere Adlige, darunter Albert von Brandenburg und Hermann von Treffurt, dem Landgrafen Albert von Thüringen ihre Lehen in Herleshausen zwecks Rückgabe an das Stift Kaufungen auf. Der Landgraf verzichtet gleichzeitig ebenso wie seine Vasallen auf die von der Kirche zu Lehen gehende Vogtei. Im 14. und 15. Jahrhundert kommt es zu unterschiedlichen Einigungen und Aufteilungen, deren komplizierte Geschichte nicht vollständig wiedergegeben werden kann. 1322 ist das Gericht wieder zwischen dem Stift und denen von Brandenburg strittig, so dass es zu einer Drittelung der Ansprüche kommt: 2/3 bleiben als Lehen bei den Brandenburgern, das seine Besitz je zur Hälfte 1370 an den Ritter Arnold Judemann und den Knappen Hermann von Romrod ausgibt. Das Drittel des Stift mit einem Vorwerk gelangt u.a. an Eckhardt von Felsberg. 1451 regelt ein Schiedsspruch die Streitigkeiten in der Weise, dass der Äbtissin von Kaufungen 5/6 und denen von Treusch-Buttlar 1/6 des Gerichts zufällt. Eine genaue Grenze zwischen den Gerichten wird festgelegt, der Schultheiß von der Äbtissin eingesetzt. Die Bestimmungen haben noch 1519 Bestand. Ansprüche Thüringens auf Landeshoheit werden 1514/17 zurückgewiesen.

Mit der Aufhebung der Klöster in Hessen endet auch die Kaufunger Stiftsherrschaft in Herleshausen. Die Rechte fielen 1526 an die Landgrafschaft Hessen. 1539 bis 1560 ist Herleshausen hessisches Lehen Georgs von Reckrod (GR Herleshausen), dem es für für 3000 Gulden verpfändet wird. Nach dessen Tod 1558 und Heimfall an Hessen wird Herleshausen 1563-1678 für drei Generationen an die von Wersebe ausgetan. Seit 1683 besitzen die Landgrafen von Hessen-Philippsthal das Dorf.

Gemeindeentwicklung:

Am 1.4.1969 erfolge im Zuge der hessischen Gebietsreform die Eingliederung von Frauenborn in die somit vergrößerte Gemeinde Herleshausen. Zu deren weiterer Entwicklung s. Herleshausen, Gemeinde. Gemeindeverwaltungssitz ist Herleshausen.

Besitz

Grundherrschaft und Grundbesitzer:

  • vgl. Herrschaft
Kirche und Religion

Ortskirchen:

  • plebanus (1268)
  • Kirchen zcu Hirlßhusen (1463)
  • Sog. Burgkirche mit frühgotischem Chorturm von um 1300, Aufsatz von 1756, Schiff 1402-1417 errichtet, 1457 erneuert, 1606 umgestaltet

Patrozinien:

  • Bartholomäus (1519)

Pfarrzugehörigkeit:

1585 gehören Wommen und der Hahnhof zur Pfarrei, 1748, 1872 und 1994 ist Wommen Filial.

Patronat:

Kirchenpatron ist nachweislich 1463 bis zur Reformation das Kloster Kaufungen, nach dem Übergang an die Landgrafschaft Hessen die jeweiligen Lehnsbesitzer des Dorfes (vgl. Herrschaft)

Diakonische Einrichtung:

02.02.1911 eine Schwester, Krankenpflege, Vereinsbetreuung, Gemeindearbeit Sardemann, Geschichte des hessischen Diakonissenhauses zu Cassel, S. 290; nach Ritter, Kirchliches Handbuch, S. 341 besteht auch eine Kleinkinderschule; Fortbestand der Diakoniestation bis 1962 (Landeskirchliches Archiv Kassel, Findbuch G 2.6. Kurhessisches Diakonissenhaus)

Bekenntniswechsel:

Erster evangelischer Pfarrer: Lorenz Usingen (Usener?) vor 1544

Reformierter Bekenntniswechsel, unter hessen-darmstädtischer Herrschaft 1627-1667 lutherisch, nach 1667 wieder reformiert.

Kirchliche Mittelbehörden:

1506: Erzbistum Mainz, Archidiakonat Dorla, Archipresbyterat Renda

Nach Einführung der Reformation zum Kirchenkreis Sontra, von 1933 bis 1950 Rotenburg, dann Eschwege

Juden:

Provinzial-Rabbinat Kassel; 1835: 62; 1861: 118; 1905: 94; 1932/33: 60 Juden

Die jüdische Gemeinde von Herleshausen spielte eine nicht unwesentliche Rolle in der Geschichte des Dorfes. Sie hatte sich dort bereits 1640 konstituiert. 1748 werden zwei Judenfamilien genannt. Im 19 Jahrhundert zogen viele Juden aus Breitzbach, Unhausen und Wommen in den Ort, bis zu 200 Juden nun in Herleshausen. Ende des 19. zogen viele Juden nach Eisenach. Vor 1933 lebten in Herleshausen 102 Juden in 24 Familien.

1846 Synagoge im Ort geweiht, 1896 Festgottesdienst (50 Jahre), an dem auch Landgraf Alexis teilnahm. 1922 Umbau der Synagoge, Betsaal in Sackgasse 2 untergebracht. Die 1928 erbaute Synagoge (Lauchriederstraße) wurde in der Reichspogromnacht 1938 völlig zerstört.

1867 Neubau für die israelitische Volksschule, die 1923 aufgrund stark rückläufiger Schülerzahlen aufgelöst wurde.

Berufe: Getreidehändler, Viehhändler; Manufakturwarenhandel, Sattler, Bäcker

Friedhof: am Nordausgang an einer Waldecke, eingezäuntes Gelände, Flurname im Ölgrund; Teile des Friedhofs 1944 eingeebnet um Platz für Beerdigungen russischer Kriegsgefangener zu schaffen. (alemannia-judaica)

Kultur

Schulen:

Schulmeister: Conrad Kangießer 1565; 1748 Schulhaus vorhanden, 1910 Volksschule mit drei Klassen

Hospitäler:

1738: Gründung eines Hospitals zur Versorgung der Armen und Kranken durch Landgraf Wilhelm von Philippsthal. Lage: gegenüber der Kirche (Herleshausen 1019-2019, S. 633)

Sprachgeschichte (Quellenfaksimiles):

Wirtschaft

Mühlen:

1748 werden drei oberschlächtige, vom Frauenborn angetriebene Mühlen mit einem Mahlgang genannt: Schlossmühle, Dorfmühle und Neue Mühle

Nachweise

Literatur:

Zitierweise
„Herleshausen, Werra-Meißner-Kreis“, in: Historisches Ortslexikon <https://www.lagis-hessen.de/de/subjects/idrec/sn/ol/id/5978> (Stand: 31.1.2024)