Landesgeschichtliches Informationssystem Hessen

Historisches Ortslexikon

Fronhausen

Ortsteil · 171 m über NN
Gemeinde Fronhausen, Landkreis Marburg-Biedenkopf 
Siedlung | Statistik | Verfassung | Besitz | Kirche und Religion | Kultur | Wirtschaft | Nachweise | Zitierweise
Siedlung

Ortstyp:

Dorf

Lagebezug:

13 km südlich Marburg

Lage und Verkehrslage:

Geschlossenes Dorf mit regellosem Grundriss in Talmündungslage über der Einmündung des West-Ost ziehenden Gosse-Tälchens in die Lahnaue. Auf der Süd-Spitze der Mittelterrasse Wehrkirche mit oval ummauertem Wehrkirchhof. Südlich anschließend die dörfliche Siedlung bis an die jenseitige Niederterrassenkante. Oberburg in zentraler Lage; nach Nordosten angehängt, nördlich der Gosse, die größere Unterburg.

Straße Odenhausen-Niederwalgern im Zuge eines westlichen Arms der alten Landstraße Frankfurt-Bremen bzw. Kassel; im Ort Kreuzung der Straße Oberwalgern bzw. Damm-Bellnhausen (alte Straße Gladenbach-Lohra-Ebsdorfer Grund). Nach Fronhausen führte von Westen der sog. Reuterweg (alter Botenweg Wetzlar-Marburg).

Bahnhof der Eisenbahnlinie Kassel – Frankfurt am Main ("Main-Weser-Bahn") (Inbetriebnahme der Strecke 25.7.1850).

Ersterwähnung:

1159

Historische Namensformen:

Bezeichnung der Siedlung:

Siedlungsplätze innerhalb der Gemarkung:

Umlegung der Flur:

1924/1929

Älteste Gemarkungskarte:

1727

Koordinaten:

Gauß-Krüger: 3478460, 5618791
UTM: 32 U 478394 5616983
WGS84: 50.704265° N, 8.694032° O OpenLayers

Statistik

Ortskennziffer:

534009030

Flächennutzungsstatistik:

  • 1838 (Kasseler Acker): 1688 stellbares Land, 212 Wiesen, 57 Gärten, 46 Triesche, 510 Wald
  • 1885 (Hektar): 914, davon 537 Acker (= 58.75 %), 130 Wiesen (= 14.22 %), 144 Holzungen (= 15.75 %)
  • 1961 (Hektar): 912, davon 147 Wald (= 16.12 %)

Einwohnerstatistik:

  • 1467: 25 landgräfliche hausgesessene Mannschaften
  • 1577: 94 hausgesessene Mannschaften
  • 1630: 1 vierspännige, 6 dreispännige, 15 zweispännige, 11 einspännige Ackerleute, 55 Einläuftige.
  • 1630: 88 hausgesessene (einschließlich 4 Witwen). 1681: 80 hausgesessene Mannschaften
  • 1748: 4 Wagner, 3 Schreiner, 3 Bender, 11 Schneider, 6 Schmiede, 11 Leineweber, 1 Schlosser, 1 Maurer, 1 Weißbinder, 1 Braumeister, 3 Metzger, 1 Spielmann, 2 Schuster, 1 Barbier, 1 Wirt, 6 Branntweinbrenner und -schenker, 6 Tagelöhner, 1 Lohaschäfer, 11 einzelne Weibspersonen, 1 Handelsjude.
  • 1748: 509 Einwohner
  • 1838 (Familien): 58 Ackerbau, 24 Gewerbe, 30 Tagelöhner 85 nutzungsberechtigte, 27 nicht nutzungsberechtigte Ortsbürger, 5 Beisitzer.
  • 1861: 798 evangelisch-lutherische, 6 evangelisch-reformierte, 37 jüdische Einwohner, 19 Mitglieder abweichender Sekten.
  • 1885: 1000, davon 948 evangelisch (= 94.80 %), 4 katholisch (= 0.40 %), 7 andere Christen (= 0.70 %), 41 Juden (= 4.10 %)
  • 1961 (Erwerbspersonen): 151 Land- und Forstwirtschaft, 358 Produzierendes Gewerbe, 185 Handel und Verkehr, 111 Dienstleistungen und Sonstiges.
  • 1961: 1964, davon 1612 evangelisch (= 82.08 %), 332 katholisch (= 16.90 %)

Diagramme:

Fronhausen: Einwohnerzahlen 1834-1967

Datenquelle: Historisches Gemeindeverzeichnis für Hessen: 1. Die Bevölkerung der Gemeinden 1834-1967.
Wiesbaden : Hessisches Statistisches Landesamt, 1968.

Verfassung

Verwaltungsbezirk:

  • 1807-1813: Königreich Westphalen, Departement der Werra, Distrikt Marburg, Kanton Lohra
  • 1821: Kurfürstentum Hessen, Provinz Oberhessen, Landkreis Marburg
  • 1848: Kurfürstentum Hessen, Bezirk Marburg
  • 1851: Kurfürstentum Hessen, Provinz Oberhessen, Landkreis Marburg
  • 1867: Königreich Preußen, Provinz Hessen-Nassau, Regierungsbezirk Kassel, Landkreis Marburg
  • 1945: Groß-Hessen, Regierungsbezirk Kassel, Kreis Marburg
  • 1946: Land Hessen, Regierungsbezirk Kassel, Kreis Marburg
  • 1974: Land Hessen, Regierungsbezirk Kassel, Landkreis Marburg-Biedenkopf

Altkreis:

Marburg

Gericht:

  • 1821: Justizamt Fronhausen
  • 1867: Amtsgericht Fronhausen
  • 1948: Amtsgericht Marburg

Herrschaft:

Wohl seit Ende 10. Jahrhundert Mittelpunkt des Immunitätsbezirks F. des Kanonissenstifts Essen. Eindringen der landgräflich Landesherrsch. seit etwa Mitte 14. Jahrhundert 1367 ist der Landgraf Lehnsherr der Unterburg der F. Stiftsvögte, 1369 auch des zugehörigen Tales. 1395/96 erwirbt der Landgraf Anteile an Oberburg und Gericht 1436 faktische Anerkennung der landgräflich Oberhoheit, 1571 und 1592 als hohe Obrigkeit bezeichnet; bedeutungslos die noch 1772 proklamierte Lehnsobrigkeit des Stifts Essen über alle Hoheitsrechte in F. 1577 und später: Gericht im Amt Marburg. Gericht F.: Hochger. spätestens seit 1199 Essener Lehen der thüring.-lgfl. Burgmannenfamiie von Marburg (später: Vögte von F.). Teilung der Essener Stiftsimmunität wahrscheinlich Anf. 13. Jahrhundert in Gericht und Vogtei F. bzw. Wenkbach-Roth (Schenkisch-Eigen). Die Niedergerichtsbarkeit hatte bis nach 1323 der von den Stiftsvögten unabhängige Essener Amtmann; später von den Vögten als Pächtern, dann von den Schenken als Pfandlehnsträgern des Essener Grundbesitzes ausgeübt. Ende 14. Jahrhundert fällt durch Heirat der 3 Erbtöchter der älteren Linie der Vögte von F. die Hälfte des Gericht und der Vogtei an die von Breidenbach, von Felsberg, von Erfurtshausen; später an die von Hatzfeld, von Löwenstein genannt Schweinsberg, von Buches, von Elkershausen, von Dersch, von Schweinsberg, Rau von Nordeck, Riedesel, Schenk zu Schweinsberg, von Treisbach und von Windhausen. Die andere Hälfte des Gericht wird 1396 anteilmäßig von den Landgraf erworben. 1571 und 1592 hat der Landgraf die peinl. Gerichtbarkeit, die vom Marburger Halsger. wahrgenommen wird. Tatsächlicher Anteil am Gericht 2 Sechstel; eine Hälfte haben die Vögte und ihre Erben, 1 Sechstel die von Löwenstein. 1583/84 und 1599 fallen durch Aussterben der Familien Vogt von Fronhausen und Rode deren Rechte an die Schenken zu Schweinsberg. 1592 teilen sich die Schenken mit dem Landgraf das bürgel. Gericht. Im Laufe des 17. und 18. Jahrhundert gehen die Schenken ihres Anteils am Niederger. verlustig. 1601: Gericht F. mit Gericht Lohra vereinigt. - Auf einen Urteilsplatz weist der Flurnamen Galgenberg (ca. 0,2 km nördlich F.). - advocatus 1199. officiatus et scultetus (des Stifts Essen) 1307. Gemeinsamer Schultheiß der Vögte von F. und von Dersch; Schöffe 1491. Lgfl. Schultheiß 1511. Gerichtschreiber 1551

Gemeindeentwicklung:

Zur Entwicklung der im Zuge der hessischen Gebietsreform neu gebildeten Gemeinde s. Fronhausen, Gemeinde. Sitz der Gemeindeverwaltung ist Fronhausen.

Besitz

Grundherrschaft und Grundbesitzer:

  • Wohl seit Ende 10. Jahrhundert Haupthof der Villikation F. des Kanonissenstiftes Essen; vermutlich konradin. Erbe, das die Äbtissin Mathilde, Enkelin Hz. Hermanns von Schwaben, in das Stift eingebracht hatte. Zubehör 1332 und 1410: F., Argenstein, (Wüstung) Niederroth, Roth, Wenkbach; Streubesitz in (Nieder-) Walgern und (Nieder-) Weimar, der später verloren gegangen ist. Der Haupthof des Stifts (curtis) befand sich offenbar nördlich der Kirche am Rande des Ortes (Flurnamen Freithof); unterh. die beiden Burgsitze der Vögte von F.
  • 1307 erhält der Amtmann des Stifts den Auftrag, den von den Vögten und anderen entfremdeten Besitz an Gütern und Leuten zurückzugewinnen. Den gleichen Auftrag erhält 1321 der letzte vom Stift eingesetzte Amtmann. 1353 verzichten die Schenken zu Schweinsberg auf Güterbesitz, der von ihren Vorfahren dem Stift vorenthalten worden war.
  • 1353 wird der F. Haupthof mit allem Zubehör an Kraft von Hatzfeld in Zeitpacht vergeben. 1369 verzichtet Kraft von Hatzfeld zugunsten seines Verwandten Kraft Vogt von F. auf den Hof, der bis 1436 im Pachtbesitz der Vögte von F. und deren Anverwandten bleibt. 1436 verpfändet das Stift den Hof an den bergischen Ritter Johann von Diezenhausen. 1479 Pfandlehen der Schenken zu Schweinsberg. Neubelehnungen bis 1772.
  • 1347 kauft der Pietanzmeister des Deutsche Orden Marburg einen Hof in F. 2 weitere Höfe mit zus. 76 Morgen Ackerland und mehr als 2 Morgen Wiesen besitzt der Deutsche Orden 1358, vermutlich aus einer Schenkung der von F. von 1302 (vgl. -> Oberwalgern); 1707 und 1809: 2 ganze und 2 halbe Höfe des Deutsche Orden in F.

Zehntverhältnisse:

Zehntrechte besitzen 1382 die Scheuernschloß, 1460 als Lehen der von Nordeck; 1577 haben die von Rondehausen den Zehnten

Ortsadel:

1199-1584

Kirche und Religion

Ortskirchen:

  • ecclesia 1159
  • Pfarrkirche; ehem. Eigenkirche der Grundherrschaft. 1142/1153 und 1159 wird die Unabhängigkeit als Pfarrkirche gegen den Einspruch der Kirche von Oberweimar von den Erzbischöfen von Mainz ausdrücklich bestätigt.
  • 1947 Einrichtung eines katholischen Seelsorgebezirks

Pfarrzugehörigkeit:

Eingepfarrt seit 1382 wahrschlich (Wüstung) Brackenborn.

Bis zur Errichtung der Pfarrei Roth (vor 1577) vermutlich auch Argenstein, Roth und Wenkbach, deren Bewohner 1583 ihre Toten wieder in Fronhausen begraben.

1613 und später: Roth und Wenkbach Filiale von Fronhausen.

Seit 1957: Roth, Argenstein, Wenkbach ausgepfarrt nach Niederweimar.

Patronat:

Mitte 12. Jahrhundert bis 1436 Stift Essen, dann Lehen der Vögte von Fronhausen.

1572/82 beansprucht der Landgraf den Patronat, in dessen Besitz sich 1613 die Schenken zu Schweinsberg als Erben der Vögte befinden.

Diakonische Einrichtung:

1903 Schenkung eines Hauses mit Garten zwecks Einrichtung einer Diakonissenstation und einer Kleinkinderschule durch Privatmann an Kirchspiel Rudolf Francke, Die christliche Liebestätigkeit in Kurhessen. Kassel 1904

1926 nach Ritter, Kirchliches Handbuch, S. 152 Gemeindestation mit einer Krankenpflege- und einer Schulschwester, Kleinkinderschule

Bekenntniswechsel:

Erster evangelischer Pfarrer: Johannes Kaufmann ca. 1527-1541, ehemaliger katholischer Priester in Fronhausen

Reformierter Bekenntniswechsel: 1606, 1624 wieder lutherisch.

Kirchliche Mittelbehörden:

15. Jahrhundert: Sendbezirk Oberweimar. Dekanat Amöneburg

Juden:

1 Jude 1592 und 1744.

1835: 26; 1861: 37; 1905: 44;

In der 1. Hälfte des 19. Jahrhunderts bildet Fronhausen mit Lohra und Roth einen Synagogenverband. 1833 Fronhausen von Roth abgetrennt und zur eigenen Gemeinde (mit Lohra) erhoben.

Betsaal ca. 1870 (1896 in der Marburger Straße 9), dort auch Schulraum. 1938 beschädigt und geplündert, nach 1945 zum Wohnraum umgebaut.

Die Schule bestand von 1882 bis 1899.

Friedhof seit 1872.

(alemannia-judaica)

Kultur

Schulen:

1910 Volksschule mit drei Klassen

Sprachgeschichte (Quellenfaksimiles):

Wirtschaft

Mittelpunktfunktion:

Bis Anf. 13. Jahrhundert sind dem Gericht und der Vogtei F. Argenstein, Roth und Wenkbach zuzurechnen, die aber später mit der Teilung von Gericht und Vogtei F. im Gericht Schenkisch-Eigen (-> Roth) aufgehen. - Seit 1686 ist F. Sitz des Amtes F., in dem seit 1601 die Gericht F. und Lohra vereinigt sind. Zubehör: -> Lohra (Ziff. 5). - 1807-1813: Kantonsort im Distrikt Marburg. - Seit 1821: Sitz eines Justizamtes, seit 1867: Amtsgericht, das bis 1902 20, dann 18 und seit 1932 19 Orte umfaßte

Nachweise

Literatur:

Zitierweise
„Fronhausen, Landkreis Marburg-Biedenkopf“, in: Historisches Ortslexikon <https://www.lagis-hessen.de/de/subjects/idrec/sn/ol/id/9067> (Stand: 14.8.2023)